Artikel17. April 2024

Kunterbunte Dialektvielfalt: 10 Filme in Schweizerdeutsch

Kunterbunte Dialektvielfalt: 10 Filme in Schweizerdeutsch
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Seit der Erfindung des Tonfilms werden in der Deutschschweiz auch Filme in Mundart gedreht. Anfänglich bediente man sich dabei von Bühne und Radio beeinflussten “Mundarten”. In den 1970ern aber begannen Dokumentarfilmschaffende ihre Protagonist:innen nach ihrem Schnabel reden zu lassen. Heute spiegelt sich in Helvetiens Filmschaffen die bunte Vielfalt des Schweizerdeutschen.

von Irene Genhart

1. «Höhenfeuer» (1985) | Urner Dialekt

Darum geht’s: Der taub geborene “Bueb” und seine Schwester Belli leben mit Mutter und Vater auf einem Bauernhof im Kanton Uri. Belli würde gern Lehrerin werden. Doch der Vater weigert sich, seinen Sohn in ein Heim zu geben, und so muss Belli ihren Bruder unterrichten. Als die beiden im Sommer eine Weile alleine auf der Alp sind, kommen sie sich so nahe, wie es Geschwister eigentlich nicht sollten. Als die Eltern Bellis Schwangerschaft einige Wochen später entdecken, kommt es zur Katastrophe.

Sehenswert weil: Fredi M. Murer wurde 1940 in Beckenried (NW) geboren, wuchs in Altdorf, (UR) auf und trat 1959 in die Kunstgewerbeschule Zürich ein. Seine ersten Filme sind kurz und experimentell. Seinen ersten langen Dokumentarfilm aber («Wir Bergler in den Bergen sind nicht schuld, dass wir da sind») drehte Murer 1974 im Kanton Uri. Ebenda entstand 1985 «Höhenfeuer». Gedreht wurde auf einem 300-jährigen Heimet ob Silenen, im Schächental und ausserhalb von Wolfenschiessen. Weil vor der Kamera auch deutsche Schauspieler:innen standen, wurde der Film in Hochdeutsch gedreht und von Urner Laienschauspieler:innen synchronisiert.

2. «Das Schweigen der Männer» (1997) | Berndeutsch

Darum geht’s: Die Freunde Polo (Polo Hofer) und Max (Max Rüdlinger) sind unterschiedlich wie Tag und Nacht, ziehen aber gemeinsam um den Globus. Sie reden endlos miteinander über Gott und die Welt, ihre Befindlichkeit, das Mann- und das Schweizer-Sein. Ihre Reise führt sie aus den Schweizer Alpen via Italien nach Ägypten und da vom Nildelta in die Wüste von Assuan.

Sehenswert weil: «Das Schweigen der Männer» ist ein typischer – nämlich wenig finanzierter und unter Freund:innen gedrehter – «Cinéma Copain-Film». Tatsächlich tauchen Polo Hofer und Max Rüdlinger – wie übrigens auch Christine Lauterbacher – in Clemens Klopfensteins frühen Filmen immer wieder auf, wobei miteinander reden sozusagen das Antriebsrad ist. Das ist mutig, funktioniert unter Klopfensteins Regie aber glänzend. Die köstliche Szene, in der Rüdlinger und Hofer auf Kamelen um die Cheopspyramide reiten und sich in breitem Schweizerdeutsch darüber unterhalten, wo es in Bern den besten Wurstsalat gibt, wird nie vergessen, wer sie gesehen hat.

3. «Heimatklänge» (2007) | Walliser Deutsch, Ostschweizer Dialekt, Basler Deutsch u.a.

Darum geht’s: «Heimatklänge» dringt in die Klangwelten dreier Schweizer Stimmartist:innen ein, die in ihrem Schaffen traditionelle alpenländische Musik mit modernen Formen experimentell verbinden. Die drei heissen Christian Zehnder, Erika Stucky und Noldi Alder. Sie geben ihre Vokalkünste nicht nur in Stuben und auf Konzertbühnen zum Besten, sondern erproben diese immer wieder auch in der freien Natur der Schweizer Alpen.

Sehenswert weil: Der Basler Dokumentarfilmer Stefan Schwietert lebt seit Mitte der 1980er-Jahre in Berlin. Er bewegt sich in seinen Filmen meist im Reich der Musik und hat mit «Das Alphorn» (2003) und «Heimatklänge» (2004) zwei der besten Schweizer Musikfilme geschaffen. Die Protagonist:innen von «Heimatklänge» juchzen, jodeln, und singen, dass es eine heitere Freude ist und erzählen zwischendurch von ihren künstlerischen Ideen und Werdegängen. Dies so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist: Erika Stucky in einer originellen Mischung von Englisch, Walliser- und Zürichdeutsch, Christian Zehnder baseldeutsch und der Jodel-Virtuose Noldi Alder in breitem Appenzeller Dialekt.

4. «Die göttliche Ordnung» (2017) | Ostschweizerdeutsch

Darum geht’s: Die junge Hausfrau Nora lebt 1971 mit Gatte Hans und ihren zwei Kindern im Appenzellischen. Von der Aufbruchsstimmung, welche die Schweizer Städte in den Nachwehen von 1968 erfasst, ist im Dorf nichts zu spüren. Als Nora Hans eines Tages fragt, ob sie wieder arbeiten gehen dürfe, verwehrt er ihr die Bitte. Doch Nora lässt sich davon nicht einschüchtern, sondern beginnt sich für das Frauenstimmrecht zu engagieren und ruft zusammen mit anderen Dörflerinnen zum Widerstand gegen die männliche Bevormundung auf.

Sehenswert weil: Die Politkomödie von Petra Volpe spielt in einem nicht näher bezeichneten Dorf im Appenzell. Er führt seine Protagonistin zwischendurch aber auch an eine Demonstration nach Zürich und thematisiert dabei den Graben zwischen Stadt und Land. Gedreht wurde «Die göttliche Ordnung» in Trogen, Rehtobel, Gais, Herisau, Heiden, Rheineck, Flawil und Zürich. Die Rollen von Nora und Hans haben die deutsch-schweizerische Schauspielerin Marie Leuenberger und der österreichisch-schweizerische Mime Max Simonischek übernommen. Die beiden haben sich für den Film ein sich an der St. Galler Mundart anlehnendes Ostschweizerdeutsch antrainiert.

5. «Bratsch - Ein Dorf macht Schule» (2023) | Walliser Deutsch

Darum geht’s: Das Oberwalliser Bergdorf Bratsch leidet wie viele an massiver Abwanderung, gerade einmal 100 Seelen zählt die Gemeinde noch, als sie 2009 mit dem benachbarten Gampel fusioniert. Sechs Jahre später bringt ein inspirierter Lehrer wieder Leben ins leer stehende Schulhaus. Mit einem Projekt, das Pädagogik konsequent in der Realität des Alltags verankert und damit mehr oder weniger das ganze Dorf aus dem Dornröschenschlaf weckt.

Sehenswert weil: Das Schweizer Unterrichtswesen befindet sich seit einigen Jahren im Umbruch. Kaum jemand allerdings hat Schule so radikal umgedacht wie Damian Gsponer, in dessen Privatschule man weder Fächer, noch Noten oder Bestrafung kennt und die Kinder sich das Wissen grundsätzlich in der Praxis aneignen. Der Berner Dokumentarfilmer Norbert Wiedmer begleitet Gsponer und fünf seiner Schüler:innen von 2016 bis 2022. Er erweist sich dabei als geduldiger Beobachter und hört auch genau hin, wenn die Kinder, Lehrer:innen und Einheimischen miteinander parlieren. Geredet wird dabei so wie in der SRF-Serie «Tschugger» ein wunderschönes Walliser-Deutsch.

Welche 5 weiteren Filme im Schweizer Dialekt du nicht versäumen darfst, erfährst du auf Imagique.

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