Raum Kanada, Irland 2015 – 118min.

Filmkritik

Eingemauert

Urs Arnold
Filmkritik: Urs Arnold

Neun Quadratmeter misst die Welt: Room ist ein eindringliches Drama, für das Brie Larson zu Recht den Oscar bekam. Und Kinderschauspieler Jacob Tremblay zu Unrecht nicht.

Der fünfjährige Jack (Jacob Tremblay) hat noch nie mit einem Kind gespielt. Wie sich Gras oder Baumrinde oder ein Windstoss anfühlt, weiss er nicht. Vollständig isoliert lebt Jack seit seiner Geburt im sogenannten "Raum": Einem kleinen Schuppen, neun Quadratmeter gross, mit Bett, Badewanne und Kochnische. Für Jack ist Raum die Welt. Was er im Fernsehen sieht, taxiert er ausschliesslich als virtuell.

Seine Mutter Joy (Brie Larson) aber weiss um die Welt ausserhalb des Raums, der in Tat und Wahrheit ein Verlies ist. Sieben Jahre ist es her, seit sie gekidnappt wurde. Seither ist Joy die Gefangene von "Old Nick", wie sie ihren Entführer nennt. Piepst das Schloss, kommt Old Nick, um Essen zu bringen – und um sich an Joy zu vergehen. Trotzdem hat die Geisel eine gewisse Autorität gegenüber ihrem Peiniger erlangt, und kann so ihr Kind vor ihm schützen.

Joy versucht das Leben im Raum so normal wie möglich zu gestalten. Sie backt dem Sohn Kuchen und spielt mit ihm, sie erzählt Geschichten. Geblieben ist ihr lediglich die Erinnerung an die Freiheit. Dagegen kann gerade Jack, der keinerlei Definition für dieses Wort hat, immer wieder dem Raum entfliehen – dank seiner grenzenlosen Fantasie.

In den letzten Jahren wurden viele Filme auf dem Fundament wahrer Begebenheiten errichtet. Room tut dies nicht direkt, ein solcher Fall ist nämlich nicht passiert. Natürlich erinnert die Geschichte in ihrer Anlage aber stark an die Causa Fritzl. Von dieser liess sich die Schriftstellerin Emma Donoghue zu ihrem Roman "Room" inspirieren.

Eine Besonderheit des Buchs und des Films ist, dass beide dort weitermachen, wo vergleichbare Werke enden. Als ein beklemmendes Kammerspiel startend, nimmt der Film in der Mitte unerwartet die Abzweigung zum Familiendrama. Dann haben sich ein Junge und seine Mutter in einer Umgebung zu akklimatisieren, die ihm gänzlich fremd ist, wie ihr fremd geworden ist.

Dass sich dieser mit Emotionen gesättigte Film so raumgreifend entfaltet, dafür sorgen Larson und Tremblay unisono. Larson ist auf den Punkt besetzt als junge Frau, die hier zwei ganz unterschiedliche Widerstände zu bewältigen hat. Tremblay seinerseits agiert mit einem Talent, das die Augenbrauen heben lässt. Wie er es schafft, zwischen allen möglichen Stimmungen zu changieren, ist beeindruckend und hätte – wie es bei Larson der Fall war – einen Oscar verdient gehabt.

14.03.2016

4

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Kommentare

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dulik

vor 6 Jahren

Ganz grosse Klasse! Der Gewinn des Oscars hat sich Brie Larson mit ihrem authentischen Schauspiel absolut verdient. Aber auch dem Jungdarsteller Jacob Tremblay ist es zu verdanken, dass dieser Film so gut geworden ist. Nicht nur die Mutter-Kind-Beziehung wird stark aufgegriffen, vielmehr zeigt das Drama auf eindrückliche Art und Weise, wie weit uns die Welt offen steht. "Raum" ist spannend, packend, berührend und geht tief unter die Haut. Zwar wird auf einige kleine Details nicht gross eingegangen, diese sind aber ohnehin nicht der Kern der Geschichte. Grandios.
9.5/10Mehr anzeigen


ingrid83

vor 7 Jahren

Sehr realistischer emotionaler Film. Während des gesamten Filmes nimmt man Anteil an ihrem Schicksal.


thomasmarkus

vor 7 Jahren

bedrückend


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