Kritik27. September 2019

15. Zurich Film Festival: Der Gewinnerfilm «Sound of Metal» lässt aufhorchen

15. Zurich Film Festival: Der Gewinnerfilm «Sound of Metal» lässt aufhorchen
© Zurich Film Festival

Das Zurich Film Festival wartet dieses Jahr vom 26. September bis zum 6. Oktober mit über 170 Filmen aus aller Welt auf. Bei uns findest du hier einen laufend aktualisierten Überblick zu den neuesten Kritiken aus den verschiedenen Sektionen – von exklusiven Gala-Premieren hin zu Beiträgen im Wettbewerb.

Sound of Metal | Internationaler Spielfilm / Wettbewerb

Drama | USA | Darius Marder

Kurzkritik von Noëlle Tschudi:

Wie es der Zufall will, war der Gewinnerfilm «Sound of Metal» am Abend des letzten Festivaltages noch ein vorerst letztes Mal im Kino Corso zu sehen. Ganz nach dem Motto “Last but not least” konnte sich das Publikum in dieser regnerischen Nacht aus erster Hand vom Sieger in der Kategorie “Bester Spielfilm” überzeugen.

«Sound of Metal» erzählt die Geschichte eines Schlagzeugers namens Ruben (Riz Ahmed), der mit seiner Freundin Lou (Olivia Cooke) als Metal-Duo in einem Wohnmobil durch die Staaten tourt und dabei eines Abends während eines Gigs kaum mehr hören kann. Musik, Gespräche und Geräusche nimmt Ruben nur noch als dumpfes Dröhnen war, ein immer wieder auftretender Pfeifton verschlimmert seine Situation. Der Weg zum Arzt verschafft Klarheit, die er im Grunde seines Herzens aber am liebsten verdrängen würde. Die Diagnose: Ein Hörsturz und ein Ausblick darauf, dass Ruben bald schon überhaupt nichts mehr hören dürfte. Äusserst widerwillig tritt er den Weg in eine Einrichtung für Gehörlose an, denn all seine Pläne und seine Beziehung stehen nun auf der Kippe…

Darius Marder hat mit seinem neuesten Werk einen unvergesslichen Kinofilm geschaffen, der sein volles Potential auf der Grossleinwand und bei voller Lautstärke entfaltet. Getragen von einem preisverdächtigen und eindringlichen Sound Design sowie der überragenden Darstellung von Riz Ahmed als gequälter Schlagzeuger, der das Leiden eines Hörsturz-Patienten schmerzlich greifbar macht, überzeugt diese emotionale Selbstfindungsgeschichte von A biz Z.

Suicide Tourist | Gala-Premiere

Mystery | Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden, Norwegen | Jonas Alexander Arnby

Kurzkritik von Noëlle Tschudi:

Spätestens nach dem Erfolg der HBO-Serie «Game of Thrones» geniesst der Däne Nicolaj Coster-Waldau, der darin Jaime Lannister verkörpert, grosses Ansehen auf einer internationalen Ebene. In seiner Heimat hingegen wurde er bereits im Jahr 1994 dank der Hauptrolle in «Nachtwache» als grosser Filmstar gefeiert. Nun, rund 15 Jahre danach, beehrte er die Jubiläumsausgabe des Zurich Film Festival mit seiner Anwesenheit und dem Film «Suicide Tourist», in welchem er einen Versicherungs-Detektiv namens Max Isaksen verkörpert, dessen Dasein von einem persönlichkeitsverändernden Hirntumor bedroht wird.

Als Max eines Tages auf das Angebot einer mysteriösen Sterbehilfe-Organisation aufmerksam wird, fackelt er nicht lange. Sie lockt mit dem Versprechen, ein schönes und ehrenvolles Lebensende mit professioneller Begleitung zu ermöglichen – doch was in den Ohren des suizidalen Versicherungs-Detektivs zunächst zu gut klingen mag, um wahr zu sein, hat tatsächlich auch einen Haken: Wer erst einmal den Vertrag mit dem abgelegenen Hotel Aurora unterschrieben hat, für den gibt es kein Zurück mehr.

Wer sich unter «Suicide Tourist» einen mit investigativen Elementen durchzogenen Thriller über den Sinn und Unsinn von Sterbehilfen erhofft, ist bei diesem Film auf der falschen Spur. Was im ersten Moment wie ein klassischer Thriller anmutet, gleitet nämlich bereits nach kurzer Zeit in das Mystery-Genre ab. Kinogänger, die sich auf diesen fliessenden Übergang ins Psychedelische einlassen, sind kurzweilige 90 Minuten gegönnt, in denen immer wieder neue Haken geschlagen werden. Während der Ausgang der Geschichte sowie der eine oder andere Special Effect im Film wohl längst nicht jeden Zuschauer überzeugen dürfte, ist die ungebrochene Spannungssteigerung sowie Nicolaj Coster-Waldaus Performance durchaus lobenswert.

Le Mans 66 | Gala-Premiere

Drama | USA | James Mangold

Kurzkritik von Peter Osteried:

Die Automarke Ford steckt in der Bredouille. Ihr fehlt es an Coolness. Etwas, das man mit einem eigenen Rennteam und einem entsprechenden Wagen erreichen will. Dafür wird der Sportwagendesigner Carroll Shelby (Matt Damon) angeheuert, der wiederum den Weltklassefahrer Ken Miles (Christian Bale) hinzuzieht. Das ungleiche Team muss sich aber nicht nur mit der inkompetenten Einmischung der Chefetage herumschlagen, sondern bei der Entwicklung des Rennwagens auch an die Grenzen dessen gehen, was physisch machbar ist. Das Ziel ist dabei klar: Ferrari beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans schlagen!

James Mangolds Film ist weniger die Biographie der Beteiligten, als vielmehr die gelungene Erzählung, wie der Konflikt Ford vs. Ferrari aufkam – und wie er seinen Höhepunkt fand.

Zu den Spielzeiten am ZFF

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The Farewell | Gala-Premiere

Tragikomödie | USA, China | Lulu Wang

Kurzkritik von Irina Blum:

Die in New York lebende Billi (Awkwafina) ist zutiefst betrübt, als sie über Umwege von ihren Eltern erfährt, dass ihre in China lebende Grossmutter Nai-Nai aufgrund von Krebs in fortgeschrittenem Stadium nur noch wenige Wochen zu leben hat. Aus allen Wolken fällt die hauptsächlich in Amerika aufgewachsene junge Frau dann aber, als sie von der Tatsache erfährt, dass die Krankheit ihrer Grossmutter verschwiegen wird.

Um einen Grund zu haben, die ganze Familie vor ihrem Tod in China versammeln zu können, heiratet Billis japanischer Cousin dessen Freundin, mit der er seit 3 Monaten liiert ist. Billi reist auf eigenes Geheiss – ihre Eltern befürchten, sie könnte mit ihrer düsteren Miene das Geheimnis gleich verraten – in die chinesische Stadt, wo sie die ersten sechs Jahre ihres Lebens verbracht hat. Doch so richtig wohl ist ihr nicht beim Gedanken, Teil dieser „guten Lüge“ zu sein…

Lulu Wangs zweiter Spielfilm ist gleichzeitig auch die Verfilmung ihrer eigenen Geschichte: Sie selbst musste der chinesischen Grossmutter 2013 eine tödliche Krankheit verschweigen, Wang lebt seit früher Kindheit in Miami. Ihr Familienportrait stellt die Frage nach der unvermeidlichen Wahrheit und lässt dabei die westliche und die östliche Weltsicht aufeinanderprallen. Das macht sie auf so feinfühlige, authentische und witzige Art, dass der grossartig besetzte Film eine beinahe universelle Bedeutung bekommt. In kurzweiligen 100 Minuten bringt sie einen Film auf die Leinwand, der kein Auge trocken lässt: Manchmal ist es wirklich das Leben, das die besten Geschichten schreibt – und Lulu Wang hat ihre für die Grossleinwand brillant umgesetzt.

Zu den Spielzeiten am ZFF

Hors Normes | Gala-Premiere

Komödie | Frankreich | Éric Toledano, Olivier Nakache

Kurzkritik von Noëlle Tschudi:

Bruno (Vincent Cassel) und Malik (Reda Kateb) setzen sich mit Herz und Seele für rund 40 autistische Kinder ein, die sie zusammen mit einigen anderen – insbesondere Jugendlichen aus sozialen Brennpunkten – betreuen. Der Haken: Nach dem französischen Gesetz wäre ihnen dies strengstens verboten, eine offizielle Genehmigung für den Einsatz in ihrem Verein können sie nämlich nicht vorweisen.

Die zuständigen Institutionen sträuben sich davor, “besonders herausfordernde” Fälle aus unterprivilegierten Kreisen zu betreuen, und so nehmen sich Bruno und Malik ihrer an. Mit den Behörden gegen sich sind ihre Betreuungsstellen von der Schliessung bedroht, doch das wollen die Gesetzesbrecher nicht hinnehmen.

«Hors Normes» lässt überdeutlich erkennen, dass die unkonventionellsten Wege manchmal die zielführendsten sind. Aufgeladen mit hochaktueller Gesellschaftskritik, dem emotionalen Schauspiel von Vincent Cassel und dem Einsatz aussergewöhnlicher Laiendarsteller ist den «Intouchables»-Regisseuren Olivier Nakache und Éric Toledano mit «Hors Normes» eine bewegende Komödie gelungen, die einerseits ein tragisches Problem im französischen Sozialsystem beleuchtet, andererseits aber Hoffnung stiftend mitten ins Herz trifft.

Zu den Spielzeiten am ZFF

Seberg | Gala-Premiere

© Amazon Studios

Politthriller | USA, UK | Benedict Andrews

Kurzkritik von Noëlle Tschudi:

Wir schreiben das Jahr 1968. Die Schauspielerin und gefeierte Stilikone Jean Seberg begibt sich in die Staaten, um für eine neue Rolle vorzusprechen – doch sie findet sich schon bald als Aktivistin mitten im Kampf der Black-Panther-Bewegung wieder und beginnt eine Affäre mit dem Bürgerrechtler Hakim Jamal. So gerät sie ins Visier eines FBI-Überwachungsprogramms, das die Bürgerrechtsbewegung bekämpft. Doch der Jungagent Jack Solomon, der sie beschatten soll, beginnt seinen Einsatz schon bald zu hinterfragen. Aus der Überwachung ist zu diesem Zeitpunkt aber längst eine öffentliche Hetzkampagne geworden, die sämtliche Lebensbereiche von Jean zu zerstören droht.

Dass die Geschichte von Jean Seberg, deren Tod der Öffentlichkeit als Suizid mit “ungeklärten Fragen” präsentiert wurde, einen Platz auf der Grossleinwand verdient hat, ist unbestreitbar. Die Macher des gleichnamigen Politthrillers haben hierfür aus diversen Quellen geschöpft, was sich jedoch für ein überzeugendes Endresultat als nicht wirklich förderlich erweist – ebensowenig wie beispielsweise die Tatsache, dass der Streifen mit einigen rein fiktiven Figuren unterfüttert wurde, nur um gewisse Aspekte zu überdramatisieren.

Obwohl es Kristen Stewart insbesondere in der zweiten Hälfte des Films gelingt, eine überzeugende Performance in der Rolle einer Frau abzuliefern, deren Psyche systematisch zerstört wurde, wirkt «Seberg» aufgrund der Oberflächlichkeit, mit der die Black-Panther-Bewegung gestreift und Jean Seberg beleuchtet wird, wie eine vertane Chance.

Zu den Spielzeiten am ZFF

Official Secrets | Gala-Premiere

Politthriller | UK | Gavin Hood

Kurzkritik von Peter Osteried:

2003: Katharine Gun (Keira Knightley) arbeitet im GCHQ, dem britischen Geheimdienst. Eines Tages erhalten ihre Kollegen und sie ein Memo der NSA, in dem sie alle in Zusammenarbeit mit Grossbritannien aufgefordert werden, UN-Delegierte auszuforschen: Die USA benötigen ein Druckmittel, um beim UNO-Sicherheitsrat die nötigen Stimmen zu bekommen, damit ein Krieg gegen den Irak nicht völkerrechtswidrig, sondern legitimiert ist. Um das Abrutschen in diesen illegalen Krieg zu verhindern, bringt Katharine das Memo an die Öffentlichkeit – und muss sich dafür vor Gericht verantworten.

Die grosse Kunst ist es, eine Geschichte, deren Ausgang man kennt, so zu erzählen, dass sie dennoch spannend ist. Zwar mag die Geschichte von Whistleblowerin Katharine Gun hierzulande nicht allzu bekannt sein, am Fakt ändert das aber nichts. Dafür präsentiert sich «Official Secrets» als eindringlicher und beeindruckender Film, der sehr versiert mit den komplexen Elementen seiner Geschichte jongliert.

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Zu den Spielzeiten am ZFF

Gemini Man | Gala-Premiere

Action | USA | Ang Lee

Kurzkritik von Christopher Diekhaus:

Als der für die US-Regierung tätige Profikiller Henry Brogan (Will Smith) seine Waffe an den Nagel hängt, gerät er ins Fadenkreuz seiner einstigen Arbeitgeber und muss sich plötzlich mit einem jüngeren Klon seiner selbst (ein digital erzeugter Will Smith) herumschlagen, der ihn zur Strecke bringen soll. Ang Lees futuristisch angehauchter Actionthriller überrascht dank der Verwendung der sogenannten High-Frame-Rate-Technik mit atemberaubend glasklaren Bildern und beweist, dass ein am Computer erschaffener Mensch heute nahezu lebensecht aussehen kann. Inhaltlich bleibt der spannende Themen streifende, aber nie ernsthaft vertiefende Film leider viel zu formelhaft.

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Zu den Spielzeiten am ZFF

Pavarotti | Gala-Premiere

Dokumentation | USA, UK | Ron Howard

Kurzkritik von Björn Schneider:

Oscar-Gewinner Ron Howard («Eight Days a Week») befasst sich in seiner zweiten Musik-Doku mit dem weltberühmten Opernsänger und Ausnahmekünstler Luciano Pavarotti, der unzähligen Menschen die Kunstform „Oper“ näherbrachte. Howards liebevoll aufbereiteter, mit unzähligen Interviews ausgestatteter Film verfügt über viele bis heute unveröffentlichte Fotos und Bewegtbild-Aufnahmen. Die Bewunderung des Regisseurs zu Pavarotti scheint in jeder Szene durch, allerdings liegt darin auch das grösste Problem der glattgebügelten Doku: sie ist insgesamt zu unreflektiert und unkritisch.

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Zu den Spielzeiten am ZFF

The Report | Gala-Premiere

Politthriller | USA | Scott Z. Burns

Kurzkritik von Peter Osteried:

Nach 9/11 greift die CIA zu Foltermethoden und erhält die rechtliche Legitimation dafür. Doch dann wird durch Mitarbeiter von Senatorin Feinstein (Annette Bening) ein Report über die Machenschaften der CIA geschrieben, der aufdeckt, welche Gräueltaten hier wirklich geschehen sind. Der Film ist mit einem dokumentarischen Ansatz erzählt und schafft es, eine sehr komplexe Geschichte auf zwei Stunden zu verdichten. Eher nüchtern in seinem Ansatz, ist «The Report» eine packende Geschichtsstunde, die betroffen und wütend macht.

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Zu den Spielzeiten am ZFF

Hope Frozen | Dokumentarfilmwettbewerb

© Zurich Film Festival

Dokumentation | Thailand, USA | Regie: Pailin Wedel

Kurzkritik von Noëlle Tschudi:

Einz, ein zweijähriges Mädchen aus Bangkok, hält einen traurigen Rekord: Nachdem Einz an den Folgen eines Hirntumors verstarb, wird sie zum jüngsten Menschen, an dem eine Kryokonservierung vollzogen wird. Ihre Überreste werden in einem amerikanischen Labor aufbewahrt, Kopf und Hirn ruhen gefroren in einem mit Stickstoff gefüllten Tank in Arizona. Während ihr buddhistischer, als Wissenschaftler tätige Vater sich erhofft, dem Mädchen eines Tages eine Wiedergeburt in einem regenerierten Körper zu ermöglichen, begibt sich sein 15-jähriger Sohn Matrix auf eine Reise, um herauszufinden, ob dieser Traum jemals in Erfüllung gehen könnte.

Eingefroren, in einem Metallzylinder aufbewahrt, und in mehreren Dekaden wieder zum Leben erweckt: Was zunächst nach einem unorthodoxen Szenario aus einem Sci-Fi-Streifen klingen mag, wird in der Dokumentation «Hope Frozen» aus mehreren perspektiven beleuchtet, zuweilen hinterfragt und an einem konkreten Fall demonstriert.

Regisseurin und Produzentin Pailin Wedel ermöglicht dem Zuschauer damit nicht nur einen faszinierenden Einblick in die Möglichkeiten – und Grenzen – der Wissenschaft, sondern wirft auch spannende Fragen über Trauerbewältigung, die teilweise ethisch fragwürdige Art der Berichterstattung über einen solchen Fall sowie die Wechselbeziehung der Gegensätze Religion und Wissenschaft auf. Insbesondere erzählt «Hope Frozen» jedoch die Geschichte einer ausgesprochen emotionalen Reise einer Familie, die alles daran setzt, ihre Tochter wieder zurück ins Leben zu holen und damit einmal mehr verdeutlicht, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.

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For Sama | Border Lines

© Zurich Film Festival

Dokumentation | Syrien, UK, USA | Waad al-Kateab, Edward Watts

Kurzkritik von Rolf Breiner:

Im Jahr 2012 protestierten Menschen in Aleppo, der zweitgrössten Stadt in Syrien, gegen das Regime des Diktators Bashar El-Assad. Die Stadt wurde belagert, mit Bomben übersät, zerstört. Die Syrerin Waad al-Kateab studierte in Aleppo, heiratete den Arzt Hamza. Sie heirateten und bekamen Tochter Sama. Für sie hat die Mutter die Ereignisse, den Bombenkrieg, die Opfer mit dem Handy gefilmt. Ihre Bilder wurden von Channel 4 News ausgestrahlt. Edwards Watts hat geholfen, die Tragödie Aleppos und das Engagement der Filmerin eindrücklich zu dokumentieren.

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Inherit the Viper | Special Screenings

© Zurich Film Festival

Thriller | USA, Schweiz | Anthony Jerjen

Kurzkritik von Irina Blum:

Ohio, ein kleines Kaff, wo jeder jeden kennt: Die Geschwister Riley halten sich seit dem Tod ihres Vaters vor einigen Jahren mit dem illegalen Verkauf von abhängig machenden Opiaten über Wasser. Während Josie (Margarita Levieva) das Geschäft auf Teufel komm raus vorantreibt, merkt Bruder und Veteran Kit (Josh Hartnett) nach einigen Zwischenfällen, dass sich die Familie auf dünnem Eis bewegt. Er will vor allem seinem kleinen Bruder im Teenie-Alter die gefährliche Gratwanderung zwischen dem Kleinstadtleben und der Illegalität ersparen. Doch der hat ganz eigene Pläne…

Das Debüt des jungen Genfer Regisseurs Anthony Jerjen katapultiert den Zuschauer in einen sozialen amerikanischen Brennpunkt: Abgelegene Kleinstädte, die für die Bevölkerung wenig Perspektiven bieten, wo die Gemeinschaft aber umso wichtiger ist. Genau dort passiert es leicht, dass eine Sache wie der illegale Handel von starken Schmerzmitteln, die von der Pharmaindustrie als unbedenklich klassifiziert wurden und von den Ärzten deshalb gedankenlos für jegliche Beschwerden verschrieben wurden, mitten in der Gesellschaft stattfindet.

Sein atmosphärisch dichter, gesellschaftskritischer Thriller im Stil eines Film Noir profitiert dabei nicht nur von seiner Besetzung – nebst Josh Hartnett als gebrochener Kriegsveteran ist auch Bruce Dern in einer kleinen Nebenrolle zu sehen – sondern auch vom Drehbuch, das auf die inneren Konflikte und die Bruder-Schwester-Beziehung seiner Figuren ebenso eingeht wie auf die Dynamiken der Kleinstadt, welche die Situation ab einem gewissen Punkt auf drastische Art und Weise zur Eskalation bringen drohen.

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My Zoe | Gala-Premiere

Drama | Deutschland, Frankreich | Regie: Julie Delpy

Kurzkritik von Irene Genhart:

Julie Delpy, für Drehbuch, Regie und Produktion verantwortlich und zugleich in der Hauptrolle zu sehen, erzählt in «My Zoe» von einer mit dem Tod ihrer siebenjährigen Tochter überforderten Frau. Sie greift dabei einige gesellschaftlich brennende Themen wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Kindeswohl im Scheidungsfall auf, und verquickt diese in Verlauf des Films clever mit den (auch ethischen) Fragen der Reproduktionsmedizin.

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A white, white Day | Wettbewerb: Internationaler Spielfilm

© Zurich Film Festival

Drama | Island, Schweden, Dänemark | Regie: Hlynur Pálmason

Kurzkritik von Irene Genhart:

Hlynur Palmasons Drama um einen frisch verwitweten Polizisten, der in seiner Trauer vor allem bei seiner Enkelin Halt findet und sein seit Jahren leerstehendes Elternhaus umzubauen beginnt, lebt vom innerlichen Brodeln der Gefühle. Über weite Strecken bedächtig erzählt, zieht der Film in Bann mit starken Bildern, in denen Landschaften und meteorologische Erscheinungen Seelenzustände spiegeln, und überrascht zwischendurch mit Momenten, in denen die Handlung unerwartet heftig aufbricht.

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Systemsprenger | Wettbewerb: Fokus Schweiz, Deutschland, Österreich

Drama | Deutschland | Regie: Nora Fingscheidt

Kurzkritik von Irene Genhart:

Nora Fingscheidts Film um eine verhaltensauffällige und aggressive Neunjährige, die durch alle Netze der Jugendhilfe fällt, ist mitreissend, schnell, wirr, laut. Anstrengend anzuschauen, zugleich herzzerreissend. Dies nicht nur, weil Fingscheidt die ungebremste Energie und das Chaos, die Benni umgeben, in explosiver Filmsprache auf die Leinwand packt, sondern vor allem, weil Helena Zengel Benni so absolut hemmungslos entfesselt und zugleich ungemein sensibel spielt.

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The Perfect Candidate | Gala-Premiere

Drama | Saudi-Arabien | Regie: Haifaa Al Mansour

Kurzkritik von Irina Blum:

Langsam aber sicher macht sich bei Maryam der Frust breit: Die junge Ärztin setzt sich schon lange für die Asphaltierung der sich in katastrophalem Zustand befindlichen Strasse ein, die zur Notfall-Klink führt – doch umsonst. Die zuständigen Autoritäten nehmen sie, eine junge Frau, nicht ernst. Als ihre Reise an eine Ärztekonferenz in Dubai platzt, weil ihr Vater die in Saudi-Arabien für Frauen benötigte Reiseerlaubnis nicht verlängert hat, platzt ihr dann der Kragen – weshalb sie eine zunächst versehentliche Kandidatur für den Stadtrat nicht zurückzieht, sondern alles auf die Karte Politik setzt.

Inspiriert von einer 10-Schritte-Anleitung für den perfekten Wahlkampf, die Maryam im Internet gefunden hat, geht sie mit der tatkräftigen Unterstützung ihrer zwei Schwestern auf Stimmensuche – was sowohl bei der (männlichen) Stadtbevölkerung als auch bei ihrem Vater, der sich mit seiner Band auf Tour befindet, auf jede Menge Widerstand stösst...

«The Perfect Candidate» führt auf feinfühlige Art und Weise vor Augen, mit welchen traditionellen Strukturen diskriminierte Gruppen wie Musiker oder Frauen heute noch zu kämpfen haben – einige Lacher inklusive. Auch wenn es das Drama verpasst, seine angesprochenen Themen stringent zusammenzuführen, so packt einem die Geschichte dank der subtilen Performance von Hauptdarstellerin Mila Al Zahrani, die den Zuschauer sofort auf ihre Seite zu ziehen weiss.

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Bruno Manser - Die Stimme des Regenwaldes | Eröffnungsfilm

Biopic | Schweiz | Regie: Niklaus Hilber

Kurzkritik von Irene Genhart:

Niklaus Hilber zeichnet den Werdegang des Basler Umweltschutz- und Menschenrechtsaktivsten Bruno Manser nach. Er macht seinen Protagonisten, der einige Jahr bei den nomadisierenden Penan in Borneo lebte, nicht zum falschen Helden, sondern zeigt ihn immer wieder auch als bedächtigen Zweifler. Das ist ihm hoch anzurechnen, vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass der Film zwischendurch am Ethnokitsch vorbeischrammt. Überzeugend ist Sven Schelker, dem es feinfühlig gelingt, sich in Manser einzufühlen.

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