Kritik21. März 2024 Cineman Redaktion
Amazon Prime-Kritik: «American Fiction»: Identitätskrisen
Klug und humorvoll erzählt «American Fiction» von dem fragilen Verhältnis zwischen Menschen verschiedener Abstammung, von Selbstbewusstsein und dem Mut, Gefühle zu zeigen. Der Film wurde mit einem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet – mehr als zurecht. Wir verraten dir, warum du dir «American Fiction» nicht entgehen lassen solltest.
von Teresa Vena
Thelonious Ellison (Jeffrey Wright) alias Monk ist Literaturprofessor und selbst Autor. Nachdem sich eine Studentin über ihn beschwert, drängt man ihn zu einer Zwangspause. Es ist nicht das erste Mal, dass Monk mit seiner zynischen Art auf Unverständnis stösst. Er geht nach Boston zu einem Literaturfestival. Dort wohnt auch seine Familie, die er eher widerwillig besucht. Dann stirbt seine Schwester an einem Herzinfarkt und er muss sich um die an Alzheimer erkrankte Mutter kümmern.
«American Fiction» basiert auf dem Roman «Ausradiert» von Percival Everett und gewann in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch einen Oscar. Der Film erzählt die Geschichte einer Familie und die Geschichte der USA gleichzeitig. Die Hauptfigur stammt aus einem gutsituierten afroamerikanischen Elternhaus. Seine Schwester ist Ärztin, sein Bruder Schönheitschirurg, die Eltern besitzen ein Haus in der Innenstadt von Boston und eins an der Küste. Monk selbst ist Doktor der Literatur und angesehener Autor.
«Ich glaube nicht an Rasse», sagt Monk kurz bevor ein Taxifahrer ihn ignoriert, um einem weissen Mann den Vortritt zu geben. Zufall? Monk wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen, als "schwarzer Autor” bezeichnet zu werden, doch die Vorurteile darüber, für welche Themen er sich entsprechend seiner ethnischen Herkunft interessieren sollte, halten sich hartnäckig. Als er dann als Witz ein Manuskript einreicht, das von Drogendealern und Bandenmitgliedern erzählt, reissen sich die Verlage darum. Das Herzstück des Films besteht darin, wie Monk sich eine Ghettosprache aneignen muss, um die weissen Besitzer des Verlages zu überzeugen, dass sein Stoff authentisch ist.
«American Fiction» zeigt, wie künstlich die Vorstellung sein kann, man verhalte sich “politisch korrekt”. Die Realität besteht aus viel mehr Nuancen, als sie von einer allgemeinen rhetorischen Praxis definiert werden könnte. Der Film ist ein einziges Waten von einem Fettnäpfchen ins nächste, ein Gehen auf rohen Eiern – wobei man einige auf dem Weg zertritt. Eine sogenannte Komfortzone gibt es nicht, auch keine Verschnaufpause. Dabei geht es nie darum, etwa eine bestimmte Bevölkerungsgruppe an den Pranger zu stellen. Vielmehr erreicht «American Fiction» einen derartigen Grad an Selbstkritik, den man auf so intelligente Weise lange nicht mehr gesehen hat. Sicher ist die Geschichte tief in der US-amerikanischen Realität verankert, doch sie hält unserer eigenen genauso den Spiegel vor. Antworten liefert der Film keine, aber viele unbequeme, aber auch, erstaunlicherweise, befreiende Fragestellungen.
5 von 5 ★
Hier kannst du dir «American Fiction» anschauen:
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