Kritik8. März 2024 Cineman Redaktion
Arte-Kritik: «Zeichnen aus Protest»: Kunst als Mittel des Widerstands
Die Geschichte von Amani Al-Ali, der ersten weiblichen Karikaturistin in Syrien, ist Teil eines spannenden Dokumentarprojekts, das neu auf Arte zu sehen ist. Unter dem Titel «Zeichnen aus Protest» widmet sich die Serie fünf Frauen, die in Syrien, Ägypten oder auch Mexiko mit ihrer Kunst für die Freiheit eintreten. Eine ausgezeichnete Wahl für dein Programm am Internationalen Frauentag.
von Théo Metais, übersetzt aus dem Französischen
Karikaturen und satirische Zeichnungen sind zu Werkzeugen eines Kampfes geworden, der in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Die 38-jährige Amani Al-Ali zeichnet seit etwa zehn Jahren in Idlib und bringt politische Themen ganz bewusst in ihre Kunst ein. Die Provinz im Nordwesten Syriens, die von den Dschihadisten kontrolliert wird, ist eine Enklave zwischen der von der Türkei errichteten Mauer und den Frontlinien des Regimes; hier steht die Bevölkerung im Kreuzfeuer. Dieser Kontext bildet den Hintergrund für dieses Kapitel. Hier vermischen sich die Tintenlinien der Karikaturistin mit den Kriegsfronten.
Vor der Kamera eines Freundes aus Idlib wird der intime und äusserst inspirierende Alltag von Amani Al-Ali und ihre Kunst gezeigt, die der Dokumentarfilm sogar mithilfe wunderbarer Animationen zum Leben erweckt. In dieser Hinsicht erreicht «Zeichnen aus Protest» beinahe die Grösse, wenn nicht gar die anmutige Tiefe der Schwarz-Weiss-Zeichnungen von Marjane Satrapi in «Persepolis». Jeder ihrer Striche wird zu einer naiven und daher kraftvollen Metapher für den Kampf gegen die islamistische Macht und das Patriarchat und erzählt vom Leid und der Geschichte des syrischen Volkes, von den Frauenmorden, den Toten, den Deportierten, der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und dem Wunsch zu fliehen.
Sie wurde auf Facebook, wo sie ihre Karikaturen veröffentlicht, mit Todesdrohungen überhäuft und von ihrem eigenen Bruder wegen einer minimalistischen Zeichnung von zwei sich umarmenden Körpern verstossen; darüber kann sie nur milde lächeln, bevor die Bombenangriffe wieder an die Realität des Konflikts erinnern. Bei Art Spiegelman und vielen anderen konnten die emotionale Komplexität und die Schrecken des Krieges in einfachen Linien dargestellt werden. Amani Al-Alis Bleistift lädt sich mit der gleichen Kraft auf.
Hier tragen die Granaten von Baschar al-Assad kleine komische Schnurrbärte und das Gespenst des Kremls ist nie weit entfernt. Trotz der Zensur wird eine Ausstellung ihrer Zeichnungen vorbereitet. Obwohl sie in Idlib festsitzt, reicht ihre Stimme bis nach Europa. «Zeichnen ist mein ganzes Leben», sagt sie. Diese Kunst gibt sie übrigens an ihre junge Nichte weiter und unterrichtet die Frauen, die zu ihr kommen, um zu lernen, wie man die Gesichter ihrer verstorbenen Angehörigen wieder zum Leben erweckt.
Das Projekt «Zeichnen aus Protest», das unter anderem von Arte, SWR und RTBF unterstützt wurde, wurde 2023 auf dem Festival Visions du Réel in Nyon vorgestellt und erhielt im selben Jahr den Preis für die beste Dokumentarserie in Canneseries. In fünf verschiedenen Regiearbeiten werden fünf Geschichten erzählt. Neben Amani Al-Ali wird auch die Kunst von Doaa el Adl in Ägypten, Victoria Lomasko in Russland, Mar Maremoto in Mexiko und Rachita Taneja in Indien beleuchtet. «Zeichnen aus Protest» zeichnet ein absolut fesselndes Porträt und schärft das Bewusstsein für diese Frauen, die mit einem Stift in der Hand gegen den Fundamentalismus und für die Freiheit kämpfen.
5 von 5 ★
«Zeichnen aus Protest» ist bis zum 13.06.2024 auf arte.tv verfügbar.
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