Artikel27. Februar 2023

Berlinale 2023: Deutsche Filme im Wettbewerb

Berlinale 2023: Deutsche Filme im Wettbewerb
© Wolfgang Ennenbach

Jedes Jahr, wenn Berlin im Februar nochmal richtig grau und ungemütlich wird, gibt es einen Lichtblick, der die Stadt in goldenen Glanz taucht: es ist wieder Berlinale. Im Wettbewerb gehen dieses Jahr 19 Filme ins Rennen um den Goldenen Bären, darunter sind fünf deutsche Produktionen – so viele wie noch nie! Wir haben uns die deutschen Beiträge in diesem Jahr einmal genauer angeschaut.

«Bis ans Ende der Nacht»

Die Sehnsucht der Dunkelheit

Christoph Hochhäusler | 123 Min.

© Heimatfilm

Fast zehn Jahre hat es gedauert, bis Regisseur Christoph Hochhäusler nach seinem grandiosen Polit-Thriller «Die Lügen der Sieger» (2014) nun seinen neuen Film «Bis ans Ende der Nacht» im Berlinale Wettbewerb präsentiert. Doch das Warten hat sich nur bedingt gelohnt.

Hochhäusler erzählt hier eine Liebes- und Kriminalgeschichte rund um das Frankfurter Nachtleben. Im Zentrum steht trans*Frau Leni, die auf Bewährung aus dem Knast entlassen wird und im Gegenzug mit Kriminalkommissar Robert ein Paar spielen soll, um so bei der Verhaftung von Drogenboss Victor zu helfen. Doch das Paar wider Willen gerät immer wieder aneinander und schon bald ist nicht mehr klar, wer hier eigentlich wen für seine Zwecke benutzt.

«Bis ans Ende der Nacht» schickt sich an, ein komplexes Vexierspiel zu sein, doch leider gelingt es dem Film nicht wirklich. Immer wieder kommt es zu Längen, der Krimi-Ebene gelingt es nicht wirklich, Suspense aufzubauen und auch der zerrissenen Liebesgeschichte zwischen Leni und Robert fehlt es unterm Strich an Glaubwürdigkeit.

Dabei wären alle Elemente vorhanden gewesen: neben interessanten Charakteren fängt die gleitende Kamera von Reinhold Vorschneider Frankfurt in neuen Bildern ein und auch der Retro-Soundtrack von Hildegard Knef bis Zarah Leander reibt sich wunderbar an dem rauen Milieu. Leider bleibt «Bis ans Ende der Nacht» näher an einem ambitionierten TV-Krimi als an einem überzeugendem Film Noir.

3 von 5 ★

«Roter Himmel»

Summertime Sadness

Christian Petzold | 103 Min.

© Christian Schulz / Schramm Film

Christian Petzold hat scheinbar ein Abo für den Berlinale-Wettbewerb, denn mit «Roter Himmel» konkurriert er zum sechsten Mal um einen Bären. Und er präsentiert damit seinen schönsten Film seit Jahren.

Die Freunde Leon und Felix fahren in ein Ferienhaus an der Ostsee, Leon will dort an seinem Roman, Felix an seiner Mappe für die Kunst-Uni arbeiten. Doch im Haus haben sich auch Nadja und Devid einquartiert und so sind die vier gezwungen, sich miteinander zu arrangieren.

«Roter Himmel» ist gefühlt das Gegenstück zu Petzolds letztem Film «Undine», statt des Wassers ist hier das Feuer das Element des Schicksals. Der Film startet mit einer Autopanne im Wald und wo in amerikanischen Produktionen der Horror beginnen würde, verweilt man hier in einer luftigen Sommerkomödie. Zumindest eine Weile.

Petzold hat sichtlich seine Eric Rohmer-Hausaufgaben gemacht und lässt in der unbeschwerten Leichtigkeit eine wunderbare Melancholie mitschwingen. Der Film wird von seinem tollen Ensemble getragen, man sieht den Figuren gern zu und vor allem Thomas Schubert ist in seiner Rolle als vom Selbstzweifel zerfressener Autor Leon grandios. Und wenn sich gegen Ende die Tragödie mit voller Wucht entlädt, wird deutlich, wie subtil es von Anfang an unter der Oberfläche gebrodelt hat.

4,5 von 5 ★

«Music»

Radikale Fuss-Noten

Angela Schanelec | 108 Min.

© faktura film / Shellac

Ein Artikel von Cornelis Hähnel

Für «Ich war zu Hause, aber…» wurde Angela Schanelec auf der Berlinale 2019 mit dem Silbernen Bären für die Beste Regie ausgezeichnet. Ihr neuer Film «Music» feiert nun im diesjährigen Wettbewerb Weltpremiere.

An der griechischen Küste wird Jon Opfer eines Übergriffs. Der Angreifer stirbt und Jon muss wegen Totschlags ins Gefängnis. Dort lernt er die Aufseherin Iro kennen und die beiden werden ein Paar. Doch als seine Sehkraft zu schwinden beginnt, findet Jon Erlösung in der Musik…

«Music» basiert auf dem Ödipus-Mythos und ist zugleich weit entfernt davon, eine moderne Adaption des Stoffes zu sein. Nicht immer kann man der Handlung leicht folgen, denn Schanelec arbeitet mit Auslassungen, Leerstellen und Stille – viel gesprochen wird hier nicht. Mit ihren langen Einstellungen ist sie dabei oft näher an der Fotografie, als am Film, immer wieder platziert sie ihre Figuren scheinbar regungslos in der Landschaft, um sie dort minutenlang zu beobachten. Kleine Gesten werden zu dramatischen Handlungen, so wie wenn Jon seine wunden Füsse verbindet oder Iro am Fenster telefoniert.

Mit «Music»* präsentiert sich Schanelec erneut als radikale Ästhetin, die unbeirrt ihre Vision des Kinos umsetzt. Und auch wenn das nicht einfach zu konsumieren ist, lohnt es sich, die Herausforderung anzunehmen, denn hinter all der artifiziellen Sperrigkeit kann man eine zarte Poesie entdecken. Insofern man sich darauf einlässt.

3 von 5 ★

«Irgendwann werden wir uns alles erzählen»

Heisser Sommer

Emily Atef | 129 Min.

© Pandora Film / Row Pictures

Die erste deutsche Produktion im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb ist «Irgendwann werden wir uns alles erzählen» von Emily Atef. Der Film erzählt von einem kleinen Dorf an der eben erst verschwundenen deutsch-deutschen Grenze im Sommer 1990. Im Dachboden eines Bauernhauses träumt Maria von der Zukunft mit ihrem Freund Johannes – bis sie den doppelt so alten Henner trifft und mit ihm eine Affäre beginnt, die alles ins Wanken bringt.

Basierend auf dem gleichnamigen Bestseller von Daniela Krien erzählt Emily Atef eine fiebrige Liebesgeschichte im Schatten der Wiedervereinigung. Die Kamera fängt dabei die Hitze der Sehnsucht in flirrenden Bildern ein, bis sich die körperliche Leidenschaft wie ein Sommergewitter entlädt. Atef setzt in ihrem Drama mehr auf Atmosphäre als Psychologisierung, aber auch wenn die Motivationen der Figuren streckenweise unklar bleiben, kann vor allem Hauptdarstellerin Marlene Burow mit ihrem intensiven Spiel überzeugen.

3 von 5 ★

«Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste»

Erklär mir, Liebe

Margarethe von Trotta | 110 Min.

© Anna Krieps

1958 begegnen sich die österreichische Lyrikerin Ingeborg Bachmann und der Schweizer Dramatiker Max Frisch in Paris, und es entwickelt sich daraus eine vierjährige Beziehung, die offen und schmerzhaft zugleich ist.

Mit «Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste» hat Margarethe von Trotta kein klassisches Biopic gedreht, sondern konzentriert sich nur auf einen Lebensabschnitt der Schriftstellerin. Nach dem Ende der Beziehung zu Frisch, wird die titelgebende Reise in die Wüste zu einem Erlebnis der Heilung und der Erkenntnis.

Klug montiert springt der Film zwischen den Zeitebenen hin und her und zeichnet das Bild einer scheiternden Liebe, die von Eifersucht und Sehsucht geprägt war. Und Vicky Krieps beweist erneut, dass sie ihren Figuren mit wenigen Gesten eine ungeheure Tiefe verleihen kann.

3 von 5 ★

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