Kritik20. Februar 2023 Cineman Redaktion
Berlinale 2023: «She Came to Me»: Eine Liebeserklärung an die Liebeserklärung
Romantische Filme haben es manchmal schwer in der Filmkritik – umso mutiger, den Film «She Came to Me» direkt an den Beginn der Berlinale zu stellen und so ein ganz klares Zeichen zu setzen. Nicht nur der nächste grosse künstlerische Wurf oder der Skandalfilm hat Aufmerksamkeit verdient, sondern auch die Romanze. Weil sie glücklich macht!
«She Came to Me»: Eine Liebeserklärung an die Liebeserklärung
102 min | Rebecca Miller
Ein Text von Maria Engler
Der Komponist Steven (Peter Dinklage) hat Angst. Vor der Presse, den Konzertbesuchern, den Geldgebern, der eigenen kreativen Blockade und anderen Menschen – schlicht vor dem Leben. Auch seine Ehe mit seiner ehemaligen Therapeutin Patricia (Anne Hathaway) ändert daran nichts. Als er eines Tages die Schlepper-Kapitänin Katrina (Marisa Tomei) kennenlernt, die süchtig nach Romantik ist, bekommt sein Leben das Potenzial zur Veränderung.
«She Came to Me» fliesst ruhig dahin – und bietet gleichzeitig eine ganze Menge. Nicht nur eine Romanze bahnt sich an, sondern gleich mehrere Konstellationen der Liebe werden hier betrachtet. Von der ersten grossen Liebe zweier Teenager, über die etwas eingeschlafene Ehe bis hin zur Zweckgemeinschaft und verschiedenen Formen der Familie – der Film spielt mühelos mit der Vielfalt der Liebe.
Ganz nebenbei werden auch politische und gesellschaftliche Themen verhandelt und so ein vielschichtiges Bild der US-amerikanischen Gesellschaft gezeichnet, das trotz teilweise nur kurzer Auftritte mancher Figuren überraschend tiefgründig erscheint. Besonders spannend ist aber die selbstreflektierende Ebene der Romanze, die durch die Figur der Kapitänin Katrina verkörpert wird. Durch ihre etwas von der Realität losgelöste, träumerische Art und ständige Suche nach der Romantik wie im Film wird hier ein schöner Bogen geschlagen. Hier nimmt jemand die Romanze sehr ernst – warum also nicht auch das Publikum?
Stevens Tätigkeit als Opern-Komponist nutzt «She Came to Me» einerseits als wunderbares Vehikel, um bestimmten Begegnungen Bedeutung zu verleihen, würzt den Film aber auch mit einer willkommenen Prise Skurrilität. Die Eigentümlichkeit dieser Szenen und auch mancher Figuren würde das Geschehen in vielen anderen Filmen weniger realistisch erscheinen lassen, aber auf wundersame Weise ist hier das Gegenteil der Fall. Und damit gelingt «She Came to Me» das, was eine gute Romanze ausmacht: wenn diese eigenartigen, fehlbaren Menschen auf der Leinwand die Liebe finden können, dann gibt es Hoffnung für uns alle.
3,5 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.
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