Kritik20. Februar 2023

Berlinale 2023: «Sisi & Ich»: Die Zerstörung des Mythos

Berlinale 2023: «Sisi & Ich»: Die Zerstörung des Mythos
© DCM Film

Es herrscht ein wenig Sisi-Manie auf den Bildschirmen und Leinwänden – nach den Verfilmungen mit Romy Schneider, die alljährlich in der Weihnachtszeit das Fernsehpublikum beglücken, erschien 2021 die Serie «Sisi» und im letzten Jahr «Corsage». Frauke Finsterwalders Film «Sisi & Ich» vermag es trotzdem, neue Wege zu beschreiten.

«Sisi & Ich»: Die Zerstörung des Mythos

Frauke Finsterwalder | 132 Min.

Ein Text von Maria Engler

Wer im Dienst von Elisabeth von Österreich-Ungarn (Susanne Wolff) stehen möchte, muss so einiges über sich ergehen lassen. Diese Erfahrung muss Irma Gräfin von Sztáray (Sandra Hüller) machen, die zunächst wie ein Zuchttier von Kopf bis Fuss begutachtet wird und schliesslich in sengender Sommersonne ihre Sportlichkeit unter Beweis stellen muss. Doch während ihrer Dienstzeit bei Sisi kommen sich die beiden Frauen immer näher und Irma entdeckt den weichen Kern unter der harten Schale der Kaiserin.

Regisseurin und Drehbuchautorin Frauke Finsterwalder entzaubert in «Sisi & Ich» den Mythos um die Kaiserin gleichzeitig mit grosser Kunstfertigkeit und atemberaubender Wucht. Direkt zu Beginn fliessen die Körpersäfte, die wallenden Kleider schleifen durch den Dreck und die Erhabenheit des Adels implodiert in einer Wolke aus Gewöhnlichkeit. Die Gräfin Irma ist eine einfache Person, mit grossem Appetit und simplem Ausdruck – umso näher rückt sie Sisi und dem Publikum.

Die Rohheit und ehrliche Zärtlichkeit von Irma wird von Sandra Hüller fantastisch vermittelt. Sie erschafft eine Figur mit immensem Tiefgang, die der facettenreichen Darstellung der Sisi durch Susanne Wolff zumindest ebenbürtig, wenn nicht sogar etwas überlegen ist. Der Film wechselt immer wieder den Fokus zwischen diesen beiden Frauen und zeichnet so ein vielschichtiges Bild dieser faszinierenden Charaktere. Die Spannung zwischen Sisi, die sich nichts mehr als Freiheit und Selbstbestimmung wünscht, und Irma, die diese unabhängige Frau um jeden Preis für sich behalten und lieben möchte, ist explosiv und poetisch zugleich.

Ästhetisch versetzt «Sisi & Ich» die Geschichte der beiden Frauen ein gutes Stück in Richtung Gegenwart, was nicht zuletzt durch den Einsatz von Popmusik und den Verzicht auf wallende Roben umgesetzt wird. Auch die queere, wenn auch eher einseitige Liebesgeschichte und die feministischen Untertöne verleihen dem Film einen modernen Anstrich, der überzeugt. «Sisi & Ich» wird so zu einer faszinierenden Charakterstudie, die trotz ihrer historischen Verankerung eine zeitlose Geschichte erzählt.

4 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.

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