Kritik22. Februar 2024 Lysann Leyh
Berlinale 2024: «Shahid»: Relikte der Vergangenheit
In Narges Kalhors «Shahid» verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Mit Musical- und Theatereinflüssen überzeugt dieser doppelbödige und autofiktionale Film nicht nur erzählerisch, sondern auch mit trockenem Humor.
«Shahid»: Relikte der Vergangenheit
Narges Kalhor | Deutschland | 84 Min.
Regisseurin Narges Shahid Kalhor lässt sich von einer Schauspielerin verkörpern. Sie möchte ihren Namen ändern lassen und Shahid aus ihrem Namen streichen lassen, denn das bedeutet Märtyrer. Die deutsche Bürokratie macht ihr dies nicht gerade einfach und schickt sie zu einem Psychologen. Verfolgt von ihrem Urgrossvater und seinen tanzenden Freunden scheint das Filmprojekt zu scheitern.
«Shahid» wirkt zunächst wie ein gewöhnlicher Film mit linearer Erzählstruktur. Als im Einwohnermeldeamt ein Dokument fehlt, dreht sich die Schauspielerin hilfesuchend zur Regisseurin um – ab jetzt ist klar: dieser Film ist anders. Doch im Fokus steht weiterhin die Frage: Wie kann die Iranerin Narges Shahid Kalhor ihren Namen ändern?
Durch mehrere Ebenen begleiten wir sie auf der Reise durch ihre Vergangenheit. Ein Erzähler beginnt zu erklären, wie die Familiengeschichte von Narges mit der Geschichte des Irans verbunden ist. Durch AI-Animationen werden die Bilder, vor denen er steht, zum Leben erweckt. Ab und zu kommt das Kamerateam ins Bild – es wirkt wie ein Making-of. Diese Doppelbödigkeit lockert die ernsten Themen auf, mit denen sich «Shahid» auseinandersetzt.
Narges Kalhor schafft die perfekte Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit und nimmt dabei nicht zuletzt die deutsche Bürokratie auf die Schippe. «Shahid» ist tiefgründig, dekonstruierend und vor allem unterhaltsam. Ein aussergewöhnlicher Film, der absolut sehenswert ist.
5 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte der 74. Berlinale findest du hier.
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