Kritik21. Januar 2020 Irina Blum
«Bombshell»: Nicole Kidman beweist Mut zur Wahrheit
Noch vor dem Aufkommen des Skandals um Ex-Hollywood-Mogul Harvey Weinstein fand sich mit Fox-News-Gründer Roger Ailes ein anderer mächtiger US-Medienmanager im Mittelpunkt eines Missbrauchsfalls wieder. Jay Roach («Trumbo») liefert dazu nun eine stargespickte Aufarbeitung.
Filmkritik von Christopher Diekhaus
Im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf konfrontiert Megyn Kelly (nominiert für einen Oscar als beste Hauptdarstellerin: Charlize Theron), das Aushängeschild des rechtskonservativen Nachrichtensenders Fox News, im Jahr 2016 den Kandidaten Donald Trump überraschend mit seinen frauenverachtenden Äusserungen und erntet im Nachgang eine rüde Beleidigungstirade. Ihr Chef und Förderer Roger Ailes (John Lithgow) freut sich über fette Quoten und verweigert seiner Mitarbeiterin öffentliche Rückendeckung.
Zur selben Zeit wird die einstige Star-Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) ins ungeliebte Nachmittagsprogramm verbannt und kurz darauf gefeuert. Parallel arbeitet die junge Redakteurin Kayla Pospisil (nominierte für einen Oscar als beste Nebendarstellerin: Margot Robbie) an ihrer Karriere und hat eine verhängnisvolle Begegnung mit dem Senderboss. Als die entlassene Carlson Ailes wegen sexueller Belästigung verklagt, ist die Aufregung bei Fox News gross.
Der bis in die Nebenrollen hinein stark besetzte Film lebt enorm von den engagierten Darbietungen Charlize Therons, Nicole Kidmans und Margot Robbies. Im Gegensatz zu ihren beiden Kolleginnen spielt Letztgenannte eine fiktive Figur, in der Drehbuchautor Charles Randolph («The Big Short») die Erfahrungen mehrerer realer Frauen zusammenführt. Die Strukturen des Machtmissbrauchs und der Einschüchterungspolitik in der Fox-News-Anstalt arbeitet Bombshell auf allen drei Ebenen heraus.
Es wäre schön gewesen, hätten Roach und seine Mitstreiter mehr Genauigkeit walten lassen.
Besonders beklemmend ist allerdings eine Szene, in der Ailes die ehrgeizige Kayla bei einem Gespräch in seinem Büro auffordert, ihre Beine zu präsentieren und ihren Rock bis zum Slip hochzuziehen. Schliesslich sei Fernsehen ein visuelles Medium. Ein schwer erträglicher Moment, der unmissverständlich zeigt, wie es sich anfühlt, als Objekt behandelt und auf schändliche Weise ausgenutzt zu werden.
Weil gerade Frauen in vielen Bereichen noch immer sexuelle Belästigungen erleben, ist es lobenswert, das lange verharmloste Thema auf die grosse Hollywood-Bühne zu heben. Noch schöner wäre es jedoch gewesen, wenn Roach und seine Mitstreiter etwas mehr Genauigkeit hätten walten lassen. Einige Entwicklungen und Entscheidungen fliegen zu schnell am Publikum vorbei, um wirklich haften zu bleiben oder emotional zu packen.
Die Hauptfiguren bekommen nicht immer genügend Entfaltungsraum. Und überdies wirken Erzähl- und Inszenierungsstil etwas unausgereift. Einerseits nutzt Bombshell unkonventionelle Mittel wie eine direkte Zuschaueransprache und stellt sich so in eine Reihe mit den preisgekrönten Satirewerken «The Big Short» und «Vice». Andererseits treiben die Macher das Spiel nie so weit, dass sie die Energie und den Esprit der beiden Vorbilder erreichen.
3.5 von 5 ★
«Bombshell» ist ab dem 23. Januar in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.
Sie müssen sich zuerst einloggen um Kommentare zu verfassen.
Login & Registrierung