Kritik23. Mai 2024

Cannes 2024: «The Substance»: Body-Horror mit Substanz

Cannes 2024: «The Substance»: Body-Horror mit Substanz
© Cannes 2024

David Cronenberg hat mit «The Shrouds» auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes eher für Enttäuschung gesorgt. Ein anderer Film kam ihm zuvor: Es handelt sich um die substanzvolle Horror-Perle «The Substance», die nicht nur schockierende Bilder ausfährt, sondern auch viele intellektuelle Themen der Neuzeit vereint.

Cannes 2024: «The Substance»: Body-Horror mit Substanz

Coralie Fargeat | Vereinigtes Königreich, USA, Frankreich | 140 Min.

von Michael Gasch

Elizabeth (Demi Moore) hat es in Hollywood weit gebracht. Mit ihrem Sport-TV-Format feierte sie grosse Erfolge – so bezeugt es ihr Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. Mit der Zeit wird sie jedoch mit einer harten Realität konfrontiert: Schönheit ist vergänglich und so wird auch sie von Hollywood bis zuletzt durchgekaut und anschliessend ausgepuckt. Eines Tages erhält sie die Möglichkeit, wieder im Rampenlicht zu stehen, doch das hat einen hohen Preis. Mit der Injizierung einer mysteriösen Substanz würde sie eine Kettenreaktion in Gang setzen, aus der es kein Entkommen mehr gibt. Sie zögert zuerst, doch dann wagt sie den grossen Schritt.

Wenn in Cannes die Abendstunden beginnen, ist das meist Anzeichen dafür, dass nun die “härteren” Geschütze ausgepackt werden. Erinnerungen an beispielsweise «The Neon Demon» oder «Crimes of the Future» aus den letzten Jahren werden wach. Körperwelten werden hier nicht selten bis zum Maximum ausgelotet und eigentlich hatten viele die Erwartungen, dass sich David Cronenberg erneut diesen Spot sichern wird.

Einen Tag vor seinem Film «The Shrouds» feiert «The Substance» seine Premiere. Erst einmal stellt sich Verwunderung ein: Wurden hier ein paar Namen durcheinandergebracht? «The Substance» fühlt sich immerhin wie ein Cronenberg der alten Schule an. Regie führte aber die französische Filmemacherin Coralie Fargeat, die hier ihren zweiten Spielfilm abliefert. Ein weiterer grosser Unterschied: Bevor alle filmischen Register im Horrorgenre gezogen werden, geht eine Auseinandersetzung mit substanzvollen Themen voraus. Schönheit, der unaufhaltsame Prozess des Alterns, eine Abrechnung mit Hollywood und die Auflösung von Menschlichkeit sind nur einige Beispiele, die eloquent vermischt werden.

«The Substance» ist damit mehr als nur ein Fest extremen Body-Horrors, sondern setzt sich genauso stark mit geistigen Themen auseinander. Durch diese Zweidimensionalität ergibt sich eine einzigartige Synergie: Fragen wie beispielsweise «Wer bin ich?» bieten genug Ansätze, um sich tiefgründig mit dem Gezeigten auseinanderzusetzen. Den Rest erledigt der Body-Horror, der absolut verstörende Tendenzen annimmt.

5 von 5 ★

Eine Zusammenstellung aller Texte vom 77. Festival International du Film de Cannes findest du hier.

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