Artikel22. Dezember 2017 Irina Blum
Von «Grounding» bis «Die göttliche Ordnung»: Diese 17 Schweizer Filme sorgten für Furore
Etliche Filme aus der kleinen Schweiz haben in der Vergangenheit auch im Ausland kräftig zu reden gegeben. Wir haben die grössten Aufreger und bewegendsten Filmwerke dieses Jahrhunderts zusammengestellt. Kennst du sie alle? Wenn nicht: Unbedingt anschauen!
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1. Mani Matter – Warum syt dir so truurig? (2002)
Er ist einer der grössten, wenn nicht DER grösste Musiker der Schweiz, der leider viel zu früh Abschied nehmen musste von der Welt: Mani Matter. 2002 hat ihm Regisseur Friedich Kappeler mit der Dokumentation Mani Matter – Warum syt dir so truurig? ein würdiges Denkmal gesetzt, das schon fast zum Schweizer Kulturgut gehören sollte.
2. Mais im Bundeshuus (2003)
Die Formel ist denkbar simpel: Jean-Stéphane Bron macht in der Dokumentation das Bundeshaus zur Hauptperson und befragt einzelne ParlamentarierInnen vor, während und nach geheimen Sitzungen zur Ausarbeitung eines Gesetzes zur Gentechnologie. Entstanden ist ein Dokumentarkrimi und Lehrstück in Sachen Demokratie.
3. Grounding – Die letzten Tage der Swissair (2006)
Ein Thema, das anno 2001 die ganze Schweiz in Atem hielt: Der packende Wirschtafts-Thriller handelt von den letzten Tagen der Schweizer Fluggesellschaft Swissair. Mittels Archivmaterial und nachgestellten sowie vollkommen fiktiven Szenen bringt Regisseur Michael Steiner die Geschichte des Untergangs einer Schweizer Ur-Institution auf die Leinwand.
Gleich geht es weiter mit den cineastischen Aufregern, vorher ein wichtiger Hinweis unseres Partners für alle Film-Fans:
Schmerzhafter Filmriss
Die Schweiz hat ein Filmproblem. Gute Produktionen sind fast nicht mehr finanzierbar. Warum? Schau selber:
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4. Die Herbstzeitlosen (2006)
Darf man als 80-jährige Frau noch Freude an Reizunterwäsche haben – und sich öffentlich dazu bekennen? In der Schweizer Feel-Good-Komödie fasst die 80-jährige Martha (Stephanie Glaser) nach dem Tod ihres Mannes neuen Lebensmut, als sie eine Boutique für erotische Dessous eröffnet. Der Film über Toleranz, Erfüllung und der Entmündigung im Alter sorgte beim Schweizer Kinopublikum trotz oder gerade wegen seines kontroversen Inhalts für herzhafte Lacher – und ermöglichte einen humorvollen Umgang mit dem Tabuthema.
5. Vitus (2006)
Bruno Ganz kann wohl zu den Urgesteinen der Schweizer Filmlandschaft gezählt werden, und darf darum auf einer Liste wie dieser auf keinen Fall fehlen: In Vitus spielt er den Grossvater eines Wunderknaben, der sich mit dem Leben und seiner Hochbegabung schwertut. Fredi M. Murer ist mit dem Drama ein unterhaltsames Werk gelungen, das einige problematische gesellschaftliche Entwicklungen pointiert im Spiegel des sanften Tabubruchs aufblitzen lässt.
6. Home (2008)
Direkt neben einem stillgelegten Autobahnabschnitt nistet sich eine Familie ein. Die skurrile Idylle wird zerstört, als die Strecke saniert und wieder für den Verkehr zugänglich gemacht werden soll. Home ist eine Umwelt-Kritik der etwas anderen Art und besticht mit einer grossartigen Isabelle Huppert, die für ihre Rolle in Elle letztens für einen Oscar als beste Schauspielerin nominiert war. Auch die Schweizer Nachwuchshoffnung Kacey Mottet Klein konnte man schon anno 2006 für sich entdecken: Er spielt in diesem Film über den unerschütterlichen Zusammenhalt der Familie das ruhelose, neugierige Nesthäkchen Julien.
7. Sennentuntschi (2010)
Als 2010 der Mystery-Horror-Streifen Sennentuntschi auf den Schweizer Grossleinwänden gezeigt wurde, waren wohl einige Kinozuschauer leicht irritiert. Das hat Regisseur Michael Steiner auch so beabsichtigt: Sein Film, eine Mischung aus Alpenwestern, Bergdrama, Exorzismus-Thriller und Mysterytour, fasziniert und überfordert mit der Geschichte über die Hirtenpuppe, die den Spiess umdreht und die ländliche Dorfidylle über den Haufen wirft – und stösst genau damit auf eine sehr polarisierende Wirkung.
8. Der Verdingbub (2011)
Ein weiteres düsteres Schweizer Kapitel, das in Der Verdingbub aufgeschlagen wird: Waisen und Kinder alleinstehender Mütter wurden als billige, rechtlose Arbeitskräfte missbraucht. Der Film machte das todgeschwiegene Thema einem breiten und jüngeren Publikum zugänglich und ist damit eine mutige Wahl für einen Spielfilm. Die Zuschauer belohnten das Risiko: Mit knapp 250'000 verzeichneten Eintritten landet Der Verdingbub auf Platz 13 der Schweizer Kinocharts.
9. More Than Honey (2012)
Albert Einstein soll einst gesagt haben, dass vier Jahre nach dem Aussterben der Bienen auch die Menschheit ihrem Ende entgegensehen würde. Um das Bienensterben geht es dann auch in Markus Imhoofs Dokumentation More Than Honey: Beginnend bei einem Imker in den Schweizer Bergen reist der Filmemacher rund um die Welt, interviewt Wissenschaftler, erzählt von der phänomenalen Intelligenz der Bienen und bringt sowohl Erwartetes als auch Erstaunliches zutage – ein wichtiger Film über ein kleines Tier, das Grosses bewirken kann.
10. Akte Grüninger – Die Geschichte eines Grenzgängers (2013)
Februar 1939: Für jüdische Flüchtlinge ist die Schweizer Grenze seit einem halben Jahr keine Option mehr. Als vermutet wird, dass es bei Diepoldsau trotzdem zu illegalen Einwanderungen kommt, wird der kühle Polizeiinspektor Frei mit Ermittlungen beauftragt. Die Indizien führen zum Polizeihauptmann Paul Grüninger (Stefan Kurt), für den die Lage bald ziemlich eng wird. Paul Grüninger rettete während dem 2. Weltkrieg tatsächlich mehrere hundert jüdische Flüchtlinge vor der Hinrichtung – kein Wunder, wurde dem mutigen Mann rund 70 Jahre später mit einer filmischen Umsetzung seiner Heldentaten Tribut gezollt.
11. Der Kreis (2014)
Anhand der Lebensgeschichte des Lehrers Ernst Ostertag und des Travestie-Stars Röbi Rapp zeigt der Film das Lieben und Leiden Homosexueller in Zürich ab den 1950er-Jahren. Dabei nutzt der Schweizer Filmemacher Stefan Haupt sowohl Spielfilmszenen als auch Interviewsequenzen mit den wahren Protagonisten. Der Kreis erzählt die berührende Geschichte von der Liebe zur Freiheit, dem Leben, der Vielfalt – ein Stück Schweizer Geschichte, das auch heute noch aktuell ist.
12. Der Goalie bin ig (2014)
Ernst (Marcus Signer) ist Mitte dreissig, Single und kommt frisch aus dem Gefängnis: Eine neue Existenz muss her. Doch das ist leichter gesagt als getan: Der Goalie, wie er im Ort genannt wird, verliebt sich nicht nur blöderweise in die – bereits vergebene – Kellnerin Regula, sondern findet auch heraus, dass er von seinen vermeintlichen Freunden jahrelang betrogen wurde. Sabine Boss verfilmte mit Der Goalie bin ig das Material von Pedro Lenz – unprätentiös, charmant und zeitlos!
13. Chrieg (2014)
Matteo ist 15 Jahre alt und die ganze Welt ist gegen ihn: Er hat keine Freunde und mit seinen Eltern liegt er im Dauer-Clinch. Eines Tages kommen diese auf die Idee, Matteo auf eine Alp zu schicken, wo er einen Sommer hart arbeiten soll. Doch nicht der Bauer Hanspeter, sondern die drei Jugendlichen Anton, Ali und Dion nehmen ihn unter seine Fittiche. Die rohe und nicht enden wollende Wut der Jugendlichen lässt einen beinahe erstarren – tatsächlich sass das Publikum bei der Premiere nach dem Film völlig schweigsam in den Sitzen.
14. Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern (2015)
Das gleichnamige Theaterstück von Lukas Bärfuss ging damals um die Welt, Stina Werenfels probierte sich 2015 an einer filmischen Umsetzung für die Grossleinwand. Die Geschichte über Dora, eine leicht behinderte junge Frau, die ihre Sexualität entdeckt, versehentlich schwanger wird und sich dabei weder vom Umfeld noch von ihren Eltern beirren lässt, ist heikler Stoff – souverän umgesetzt wird der Film zu einem starken Stück der Schweizer Kinogeschichte.
15. Ma vie de Courgette (2017)
Der märchenhafte Stop-Motion-Film von Claude Barras wurde nicht umsonst mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnet und für einen Oscar nominiert: Ma vie de Courgette ist nicht nur in seiner Art völlig neu für einen Schweizer Animationsfilm, sondern spricht mit Zugehörigkeit, Einsamkeit und Mobbing gleichzeitig existentielle Themen an und verzaubert mit der traurig-schönen Geschichte sowohl Kinder als auch Erwachsene.
16. Raving Iran (2016)
Arash und Anoosh sind Techno-DJs. Das Problem dabei: Sie sind im Iran geboren, in der die neuartige Musik strengstens verboten ist und von der Polizei willkürlich bestraft wird. Mit der Einladung an die Street Parade in Zürich sehen die zwei Freunde endlich eine Möglichkeit, um dem strengen Regime für immer zu entkommen. Die politisch brisante Dokumentation gibt einen hautnahen Einblick in das Leben eines Flüchtlings: Hin- und hergerissen zwischen Sicherheit, kreativer Entfaltung, Heimat und Familie.
17. Die göttliche Ordnung (2017)
Dass die Filmemacherin Petra Volpe im Jahr 2016 Drohungen dafür bekam, dass sie einen Film über das spät eingeführte Frauenstimmrecht in der Schweiz macht, zeigt, wie aktuell das Thema ist: In der Zeit von #MeToo hat die junge Regisseurin einen wichtigen Beitrag zur (andauernden) Debatte zur Stellung der Frau geliefert und gleichzeitig eine zweistündige Komödie geschaffen, die nicht nur aufklärt, sondern auch bestens unterhält – man verlässt beschwingt-nachdenklich den Kinosaal.
Mache dich stark für gute Schweizer Filme
Damit Schweizer Filme finanzierbar sind, müssen sie auch im Ausland laufen. Bis 2014 hat das Filmförder-Programm MEDIA der EU dafür gesorgt, dass Schweizer Werke von europäischen Filmverleihern gezeigt wurden. Weil die Schweiz 2014 aber knapp Ja sagte zur MEI, wurde die Mitgliedschaft bei MEDIA nicht mehr verlängert. Für europäische Verleiher ist es heute lukrativer, Filme aus anderen Ländern ins Programm zu nehmen. Das tut finanziell weh und ist schade für die Schweizer Filmindustrie. Setze jetzt ein Zeichen für eine konstruktive Europapolitik >>
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