Kritik27. September 2021

Disney+-Kritik «Y: The Last Man»: Frauen an die Macht

Disney+-Kritik «Y: The Last Man»: Frauen an die Macht
© Disney+

Schon weit vor Ausbruch der Corona-Pandemie schossen dystopische Geschichten wie Pilze aus dem Boden. Viel Hoffnung auf ein entspanntes Miteinander in der Zukunft herrscht unter Film- und Fernsehmachern offenbar nicht. Neuester Beleg für diese These ist die zehnteilige Comic-Adaption «Y: The Last Man», in der nach einem rätselhaften Ereignis nahezu alle Lebewesen mit einem Y-Chromosom das Zeitliche segnen.

Serienkritik von Christopher Diekhaus

Die Prämisse der von Eliza Clark («Animal Kingdom») entwickelten und auf Brian K. Vaughans Vorlage basierenden Serie hat eine vielversprechende Prämisse, die nicht nur eine neue Idee in das seit Jahren boomende Endzeitsubgenre einbringt, sondern auch gesellschaftliche Strukturen auf spielerische Weise hinterfragt. Wie würde unsere Welt eigentlich aussehen, wenn statt Männern ausnahmslos Frauen an den Schalthebeln der Macht sässen? Wenn das althergebrachte Patriarchat komplett in sich zusammenfiele? «Y: The Last Man» entwirft eine besondere Form der Apokalypse und presst aus diesem Szenario trotz einiger sattsam bekannter dystopischer Motive ausreichend Saft, um den Zuschauer auch nach den für diese Kritik gesichteten Folgen eins bis sechs mit aufregenden Wendungen auf Trab zu halten.

Unübersehbar gehört das Leben, wie wir es kennen, in der Serienrealität der Vergangenheit an.– Cineman-Serienkritiker Christopher Diekhaus

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Der Einstieg, der Impressionen aus der Zeit nach dem Zusammenbruch der zivilen Ordnung zeigt, ist denkbar konventionell. So oder ähnlich wurde der Untergang in letzter Zeit schon oft bebildert. Tote Tiere, menschenleere Strassen, achtlos herumstehende Autos: Unübersehbar gehört das Leben, wie wir es kennen, in der Serienrealität der Vergangenheit an. Nach dem Auftakt springt das erste Kapitel in der Zeit zurück, um den Tag vor der Katastrophe etwas genauer in den Blick zu nehmen. Yorick Brown (Ben Schnetzer), der titelgebende letzte Mann, erlebt sein blaues Wunder, als er seiner Freundin Beth (Juliana Canfield) einen Verlobungsantrag macht und ihr eröffnet, dass er sie natürlich nach Australien begleiten werde, wo die junge Dozentin eine neue Stelle antritt. Die Liebste scheint ihre Beziehung jedoch anders zu sehen und gibt Yorick durch die Blume zu verstehen, seinen eigenen Weg zu gehen und endlich erwachsen zu werden. Verantwortung und ein fester Job sind für den verplanten, an einer ausgeklügelten Performance arbeitenden Entfesselungskünstler bislang Fremdworte. Bezeichnenderweise verschläft er zunächst das nur wenig später losbrechende Massensterben der Y-Chromosom-Träger. Im Angesicht des Desasters, das viele Frauen ihrer Männer und Kinder beraubt, will Yorick, zusammen mit seinem wie durch ein Wunder ebenfalls verschonten Kapuzineräffchen Ampersand, schliesslich nach Beth suchen, die er einfach nicht aus seinem Kopf bekommt.

Ab und an blitzt aber auch eine womöglich traumatische Backstory auf, die sich in den Folgen sieben bis zehn noch ein wenig konkretisieren dürfte.– Cineman-Serienkritiker Christopher Diekhaus

Auch wenn der Titel vermuten lässt, dass wir fortan vor allem seinem Weg durch die Postapokalypse folgen, baut Showrunnerin Clark einige andere Personen zu gleichwertigen Figuren auf. Yorick mag in der neuen, von männlichen Geschöpfen entvölkerten Welt, eine Rarität sein, ein – Stichwort: Fortpflanzung – kostbares Gut. Regelmässig wendet sich die Serie aber auch von ihm ab, um weitere Schicksale auszumalen. In einer unerwarteten Führungsrolle findet sich nach dem ebenso verheerenden wie unerklärlichen Ereignis Browns Mutter Jennifer (Diane Lane) wieder. Da alle potenziellen Nachfolger des toten Präsidenten (Paul Gross) verschieden sind, muss die Abgeordnete plötzlich das oberste Amt im Staate ausfüllen und versucht, so gut es eben geht, aus dem streng bewachten Pentagon heraus die unübersichtliche Lage zu kontrollieren. Kimberly Campbell Cunningham (Amber Tamblyn), die konservative, dem weggefegten Patriarchat nachtrauernde Tochter des früheren Machthabers, bringt sich allerdings als Gegenspielerin in Stellung.

An die Seite der neuen Anführerin gesellt sich die einer geheimnisvollen Organisation angehörende Spezialagentin 355, die sich in Ashley Romans‘ kraftvoll-charismatischer Darbietung zum heimlichen Star von «Y: The Last Man» aufschwingt. Die afroamerikanische Spionin scheut nicht davor zurück, ihre Meinung kundzutun, ist pragmatisch und taff. Ab und an blitzt aber auch eine womöglich traumatische Backstory auf, die sich in den Folgen sieben bis zehn noch ein wenig konkretisieren dürfte. Ihre Scharmützel mit dem naiven, tollpatschigen Yorick, für den sie auf einer riskanten Mission die Babysitterin spielen muss, verleihen dem, anders als in der Comicreihe, meistens eher ernsten und bedrückenden Geschehen eine leicht humorige Note. Der sarkastische Tonfall des Titelhelden mag eine Verbeugung vor dem Ursprungsmaterial sein, wirkt mitunter jedoch krampfhaft darum bemüht, Lacher zu produzieren.

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Entfaltungsraum erhält auch Yoricks Schwester Hero (Olivia Thirlby), die mit ihrem Leben hadert, sich mit Suchtproblemen herumschlägt und kurz vor der Katastrophe eine ihr Gewissen belastende Schuld auf sich lädt. Spannend ist ihre Reise nicht nur, weil sie auf eine sektenartige Gemeinschaft trifft, von der Bedrohung und Verlockung gleichermassen ausströmen. Interesse weckt der Hero-Strang zudem, da er am Beispiel ihres Begleiters Sam (Elliot Fletcher) beleuchtet, wie es Transgenderpersonen in einer Welt ergeht, in der alle Menschen mit Y-Chromosom von jetzt auf gleich tot umgefallen sind. Ein Aspekt, der in den Comics wenig Beachtung findet. Überdies verfolgt «Y: The Last Man» die ehemalige Regierungsmitarbeiterin Nora Brady (Marin Ireland) und ihre Tochter Mackenzie (Quincy Kirkwood), die nach der unerklärlichen Auslöschung ums nackte Überleben kämpfen und Hero und Sam über den Weg laufen.

Die Verbindung der unterschiedlichen Handlungsfäden ist vielleicht nicht immer elegant. Den Schauplatz- und Figurenwechsel hätte man zweifelsohne etwas flüssiger gestalten können. Ausreichend Konfliktpotenzial ist aber definitiv vorhanden. Obwohl Clark wiederholt auf klassische Endzeitelemente zurückgreift, bewahrt sich die auch hinter der Kamera stark weiblich geprägte Serie genügend Eigenständigkeit, um aus dem Meer an postapokalyptischen Geschichten, zumindest ein bisschen, herauszustechen.

3.5 von 5 ★

«Y: The Last Man» ist ab sofort auf Disney+ verfügbar.

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Kommentare 2

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Eric_KH

vor 3 Jahren

Extrem schwache Serie - ist jetzt schon auf dem tiefen Niveau, welche andere Serien miest mit der Staffel 5 oder 6 etc. erreichen. Langweilig und ohne Schauspieler,welche einem packen - am besten ist noch der kleine Affe.
Fazit - Trailer schauen, und alles was man sich danach ausmalt in seiner Phantasie, ist esser als das was einem geboten wird in der Serie.Mehr anzeigen


Taz

vor 3 Jahren

Der Pilot bietet viel Blabla und erst gegen Ende etwas Story und Spannung. Teil 2 versucht, diesem Tempo zu folgen und ist sicherlich die interessanteste Folge per heute verfügbaren Episoden. Teil 3 geht dann bereits in eine Richtung, die auf die Bremse tritt und vermehrt Charaktermomente aufzeigt. Insgesamt also ein eher durchwachsener Start, trotzdem guck ich die nächsten paar Folgen sicher noch. Man hofft ja auf Veränderung und dem Wiederanstieg eines Spannungsbogens.Mehr anzeigen


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