Kritik25. März 2021 Cineman Redaktion
Disney-Plus-Kritik «Godfather of Harlem»: der schwarze Pate
New York in den 60er-Jahren, die USA unterliegt noch immer ethnischer Segregation, die Mafia übernimmt das organisierte Verbrechen in Harlem. Sie hat ihre Rechnung aber ohne Bumpy Johnson gemacht. «Godfather of Harlem» ist eine auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte, die Neues zu einem altbekannten Thema zu sagen hat.
Filmkritik von Gaby Tscharner
1963, der Afroamerikaner Ellsworth «Bumpy» Johnson (Forest Whitaker) wird nach 10 Jahren Haft auf der Gefängnisinsel Alcatraz entlassen und kehrt zurück nach New York. In seiner Abwesenheit ist die Mafia mit ihrem Heroin-Geschäft nach Harlem vorgerückt, wo das organisierte Verbrechen zuvor von Schwarzen wie Bumpy abgewickelt wurde. Aber der frisch beförderte Mafioso Vincent «The Chin» Gigante (Vincent D’Onofrio) hat die Rechnung ohne den schwarzen Paten und seine unerwarteten Verbündeten wie sein Mentor, der Mafiaboss Frank Costello (Paul Sorvino) und Bumpys Jugendfreund Malcolm X (Nigel Thatch) und dessen «Nation of Islam», gemacht.
«Godfather of Harlem» zeigt, dass weisse Vorherrschaft auch vor dem organisierten Verbrechen keinen Halt macht.
«Godfather of Harlem» wurde von Chris Brancato und Paul Eckstein kreiert. Ein Team, das schon mit anderen Geschichten über den Drogenhandel wie der TV-Serie «Narcos» erfolgreich war. Sie spannten mit Produzent Forest Witaker zusammen, um dieser auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte die Tiefe zu geben, die sie verdient.
Mit Filmen wie «Scarface» oder «Der Pate» und TV-Serien wie «Die Sopranos» haben Geschichten über die Mafia und den Machenschaften des organisierten Verbrechens ihr eigenes Genre kreiert. Dank Hollywood haben Mafiosi wie Al Capone oder Lucky Luciano legendären Status erreicht und ihre Namen sind noch heute geläufig, viele Jahrzehnte nach ihrem Tod. Aber niemand erinnert sich an Bumpy Johnson, den schwarzen Gangsterboss, der das Drogengeschäft in Harlem von den 30ern- bis zu seinem Tod in den späten 60er-Jahren dominierte.
In den ersten drei Folgen von «Godfather of Harlem» realisiert Bumpy nach seiner 10-jährigen Absenz, dass sich Harlem enorm verändert hat. Der Drogenmissbrauch in seiner Nachbarschaft ist frappant, und Harlems Überflutung mit Heroin wird von der Genovese-Familie und Vincent Gigante kontrolliert. Aber «The Chin», der vom Chauffeur zum Paten aufgestiegen ist, will sein neu-errungenes Territorium nicht so mir nichts, dir nichts an den zurückgekehrten schwarzen Paten abgeben. Um die Kontrolle wiederzuerlangen, muss sich Bumpy einerseits mit ihm, andererseits mit der Realität einer Gesellschaft, die am Rande der Bürgerrechtsbewegung steht, auseinandersetzen. Denn Bumpys Imperium basiert auf der Korruption, Gewalt und den Drogen, die die Bewohner von Harlem unterdrücken.
In einer von Witaker und Thatch meisterhaft gespielten Szene wird Bumpy von Malcolm X auf seine Scheinheiligkeit aufmerksam gemacht, worauf sich der Gangsterboss rechtfertigt: «Heroin ist doch nur eine Handelsware, wie Schuhe oder Seife.» Malcolm X, der als eine Art gutem Gewissen fungiert, antwortet: «Der Kampf gegen das Heroin ist der Kampf für die Freiheit». Er sieht Bumpy als Sklave der Mafia. Beide wollten in ihrer Jugend Anwälte werden und beiden wurde gesagt, dass das für Farbige nicht möglich sei. Malcolm X will nicht, dass Bumpy gemeinsame Sache mit der Mafia macht. «Separiere dich, integriere dich nicht», rät er seinem Freund.
«Godfather of Harlem» malt das New York der 60er-Jahre ähnlich, wie das schon die TV-Serie «Mad Man» getan hat und stellt der Gewalt und Verkommenheit dieser Gangsterwelt eine grossartige «Cinématographie» und detaillierten Szenenaufbau entgegen. Luxuriöse Apartments mit Wohnwänden und doppelten Eingangstüren, sinnlich beleuchtete Jazz-Clubs und die Garderobe von Bumpys Ehefrau Mayme (Ilfenesh Hadera), die direkt aus Jackie Kennedys Wandschrank stammen könnte. Diese Aufmerksamkeit fürs Detail zeigt eine Wertschätzung für ein New York der Vergangenheit, das heute unter vielen Schichten der Gentrifizierung begraben liegt. Aber die Beispiele von weisser Überheblichkeit, Korruption und Käuflichkeit gibt es noch heute. «Godfather of Harlem» zerlegt komplizierte Beziehungen und zeigt, dass weisse Vorherrschaft auch vor dem organisierten Verbrechen keinen Halt macht.
4.5 von 5 ★
Die zehn Folgen der ersten Staffel von «Godfather of Harlem» laufen ab dem 26. März auf Disney+.
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