Kritik18. September 2024

Filmkritik: «Speak No Evil»: Tod der Höflichkeit!

Filmkritik: «Speak No Evil»: Tod der Höflichkeit!
© Universal Pictures Switzerland

Ein Besuch auf dem Land bei einer frischen Bekanntschaft wird für ein Ehepaar zum Albtraum. Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit jeder Menge unangenehmen Situationen und unsicherem Lächeln – das ist nur schwer auszuhalten und trotzdem extrem unterhaltsam. Ein Crashkurs im Neinsagen!

Ben, Louise und ihre ängstliche Tochter Agnes lernen im Urlaub Patrick, Ciara und deren stummen Sohn Ant kennen – schnell entwickelt sich eine Freundschaft. Die in London lebenden Amerikaner:innen nehmen die Einladung für ein Wochenende im abgelegenen Landhaus der neuen Bekanntschaft gerne an. Doch schnell häufen sich unangenehme Situationen und heftige Gefühlsausbrüche von Patrick. Und was versucht Ant der jungen Agnes so verzweifelt mitzuteilen?

Gerade einmal zwei Jahre ist es her, dass die gleichnamige dänische Vorlage zu «Speak No Evil» von Christian Tafdrup erschien und beim Sundance Film Festival ihre Premiere feierte. Jetzt nimmt sich der britische Regisseur James Watkins, der sich bereits mit «Die Frau in Schwarz» erfolgreich im Genrekino ausprobierte, der Geschichte an.

Szene aus «Speak No Evil» © Universal Pictures Switzerland

Die Besetzung in diesem Psychothriller mit Horror-Elementen ist hochkarätig. Im Zentrum stehen James McAvoy, der hier eine ähnliche massige Körperlichkeit und Unberechenbarkeit zur Schau stellt wie in «Split» und «Glass», und Mackenzie Davis, die, blond und zerbrechlich, zwar körperlich schwächer, aber letztlich ebenso entschlossen und willensstark ist. Scoot McNairy und Aisling Franciosi stehen hier beide als weniger dominante Ehepartner:innen zur Seite.

«Speak No Evil» wird mit diesen Konstellationen und ehelichen Machtgefällen nicht nur zur Spielwiese für psychische Manipulationen und Kämpfe um Dominanz, sondern auch zu einer sehenswerten Studie von Geschlechterrollen. Gegenüber McAvoys irritierend verstörender Darstellung toxischer Männlichkeit, die sich immer wieder in den Vordergrund drängt, steht die nach aussen hin liberaler wirkende Ehe von Louise und Ben. Dieses "moderne" Pärchen muss sich allerdings eingestehen, dass es ähnliche Grabenkämpfe auszufechten hat, wie die vermeintlich "traditionelleren" Patrick und Ciara – ein Schock!

Apropos liberal: Die Toleranz und Höflichkeit von Louise und Ben wird im Laufe des Films immer mehr auf die Probe gestellt, wenn Patrick und Ciara die beiden in reihenweise unangenehme Situationen bringen, die auch im Kinosessel nur schwer zu ertragen sind. Bevor im grandiosen Finale endlich alle Masken fallen gelassen werden und «Speak No Evil» im horrortypischen Gore schwelgt, gibt es endlose Fremdscham, die sowohl den Schmerz als auch den Reiz an diesem Film ausmacht. Neben atemloser Unterhaltung bietet «Speak No Evil» also auch noch eine wichtige Lektion: Scheiss auf Höflichkeit!

4 von 5 ★

«Speak No Evil» ist ab dem 19. September 2024 im Kino zu sehen.

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Kommentare 1

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CineMani

vor 2 Monaten

Dänisches Original hin oder her - «Speak No Evil» nimmt sich viel Zeit für Gesellschafts- und Paarkritik, um im letzten Viertel auf Spannung zu machen. Der «Missing in Action»-Clip, das Kuscheltier und die Zunge bleiben in blutig-brutaler Erinnerung.


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