Artikel28. Juni 2022

Filmtagebuch: Knifflig und vertrackt – Murder Mysterys mit dem gewissen Etwas

Filmtagebuch: Knifflig und vertrackt – Murder Mysterys mit dem gewissen Etwas
© Warner Brothers Switzerland

Unaufhörlich werden Mord und Totschlag in Film und Fernsehen zu Unterhaltungszwecken aufbereitet. Krimis, wohin man schaut. Stets zum Mitfiebern und Miträtseln einladend. Wer sich dafür begeistern kann, sollte sich den Überraschungshit «Knives Out» nicht entgehen lassen.

Christopher Diekhaus

Den Film als Grundlage wollen wir nutzen, um neben dieser Perle aus dem Jahr 2019 einige weitere raffinierte, witzige und originelle Werke ähnlicher Bauart vorzustellen. Murder Mysterys mit dem gewissen Etwas halt!

1. Klassikerverfilmung mit Staraufgebot: «Mord im Orientexpress» (1974)

Sidney Lumet, der Filmklassiker wie «Die zwölf Geschworenen» (1957), «Serpico» (1973) und «Hundstage» (1975) schuf, legte 1974 auch eine Romanadaption nach Agatha Christie vor. «Mord im Orientexpress» dreht sich um einen grausigen Todesfall an Bord des titelgebenden Luxuszuges, den der mitreisende Privatdetektiv Hercule Poirot (Albert Finney) mit der ihm eigenen Akribie aufzuklären versucht. Lumets Leinwandversion der berühmten literarischen Vorlage, eine von mehreren Verfilmungen, ist ein elegant und betörend bebildertes Kammerspiel.

Immer wieder scheint eine ironische Haltung durch, die dem Ganzen aber nichts von seiner Spannung raubt. Zu den Stärken dieses auf einer traurig-erschütternden Note endenden Rätselkrimis zählt zweifellos das internationale Starensemble. Ein ebensolches versammelte vor nicht allzu langer Zeit auch Kenneth Branagh vor der Kamera, um Christies Roman eine Frischzellenkur zu verpassen. Im direkten Vergleich hat Lumets Adaption allerdings die Nase vorne.

On Demand auf Amazon Prime verfügbar.

2. Irrwitzige Hommage an den Film noir: «Kiss Kiss, Bang Bang» (2005)

Wer es gerne absurd komisch hat, ist hier genau richtig! Mit «Kiss Kiss, Bang Bang» klopft Shane Black den Detektivfilm auf seine brüllend komischen Seiten ab. Robert Downey Jr. verkörpert einen Kleinkriminellen, dem sich durch ein Missverständnis eine Karriere in Hollywood eröffnet. Dort begegnet er seiner alten Flamme (Michelle Monaghan), die ihn für einen Privatermittler hält. Nur wenig später findet sich der Mann zusammen mit einem echten Profischnüffler (Val Kilmer) in einem verzwickten Kriminalfall wieder. Zum Gelingen dieser augenzwinkernden Verneigung vor dem Film noir und seinen Konventionen tragen gleich mehrere Faktoren bei.

Das Drehbuch aus der Feder des Regisseurs überrascht mit vielen lustigen Schlenkern. Die Darsteller liefern sich ganz dem schrägen Treiben aus. Und auch die Inszenierung besticht mit starken Einfällen. Dass nebenbei Hollywood der Spiegel vorgehalten wird, macht «Kiss Kiss, Bang Bang» nur noch amüsanter. Diejenigen, die Krimi und Humor nur schwer zusammenbringen können, sollten sich von Blacks liebevoller Persiflage unbedingt eines Besseren belehren lassen.

On Demand auf Amazon Prime verfügbar.

3. Berühmter Meisterdetektiv als Actionheld: «Sherlock Holmes» (2009)

Die Idee, den für seine wilden Stil bekannten Guy Ritchie auf den wohl berühmtesten Detektiv der Literaturgeschichte anzusetzen, war nicht gerade naheliegend. Nach seinem 2009 veröffentlichten Blockbuster «Sherlock Holmes» muss man aber konstatieren, dass sie durchaus Früchte trug. Die Cleverness der BBC-Fernsehreihe «Sherlock» geht dem Kinostreifen sicher ab.

Und doch folgt man dem Titelhelden (Robert Downey Jr.) und seinem Weggefährten Dr. Watson (Jude Law) gerne durch einen finsteren Verschwörungsplot mit zahlreichen fulminanten Actioneinlagen. Ritchies Markenzeichen – ein fiebriger Schnittrhythmus und ausgedehnte Zeitlupen – kommen auch hier zum Einsatz und fügen sich meistens sauber in das Geschehen ein. Zu einem launigen Spektakel machen den Buddy-Film natürlich nicht zuletzt die beiden Hauptdarsteller, die sich mit sichtbarer Lust am Spiel in ihre überzeichneten Rollen werfen.

Auf Netflix verfügbar.

4. Steve Martins gelungene Rückkehr: «Only Murders in the Building» (2021)

© IMDb

Comedy-Legende Steve Martin schien abgetaucht, in der Versenkung verschwunden. Als Mitschöpfer und Hauptdarsteller der satirischen Krimiserie «Only Murders in the Building» kehrte er 2021 jedoch eindrucksvoll ins Rampenlicht zurück. Zentrum der Handlung ist ein exklusives New Yorker Wohnhaus, in dem drei grundverschiedene Menschen (Selena Gomez, Steve Martin und Martin Short) nach einem mysteriösen Todesfall auf Spurensuche gehen. Die hierzulande bei Disney+ laufende Produktion lebt von der starken Chemie ihrer drei Stars, wobei auch die oft unterschätzte, in diesem Fall herrlich rotzig auftretende Selena Gomez auf Augenhöhe agiert.

Die ganz grossen Spannungsmomente sollte man nicht erwarten. Zahlreiche Geheimnisse gibt es aber sehr wohl zu enthüllen. Ähnlich wie «Knives Out» persifliert «Only Murders in the Building» gewisse Genreelemente. Noch dazu setzt sich die Serie augenzwinkernd mit dem True-Crime-Boom der letzten Jahre auseinander. Freuen darf man sich ausserdem über diverse popkulturelle Anspielungen, liebevoll-ehrliche New-York-Erkenntnisse, witzige Alltagsbeobachtungen und schräge Inszenierungseinfälle. Wichtig zu wissen: Am 28. Juni geht die zweite Staffel an den Start.

Auf Disney+ verfügbar.

Die Fortsetzung des Artikels findet ihr hier.

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