Artikel17. Oktober 2024

Filmwissen: Die filmische Sage der Nibelungen

Filmwissen: Die filmische Sage der Nibelungen
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Siegfried, der Held der Nibelungensage, besiegt den Drachen Fafnir und erlangt durch dessen Blut Unverwundbarkeit, ausser an einer Stelle auf seinem Rücken. Er gewinnt den legendären Schatz der Nibelungen und heiratet Kriemhild, doch wird er durch eine Intrige von Hagen, dem Berater des Burgunderkönigs, ermordet. Die Sage erzählt von Verrat, Macht und dem tragischen Untergang der Helden und ihrer Welt. Und dies schon seit Jahrhunderten...

Artikel von Peter Osterried

Hagen - Im Tal der Nibelungen» ist die neueste Verfilmung der Sage um den Drachentöter Siegfried und Hagen, der intrigiert und ihn erschlägt, woraufhin sich das Königsgeschlecht den Zorn seiner Witwe zuzieht. Beim neuen Film geht es nur um Hagen, er gipfelt in dem Mord. Frühere Verfilmungen haben sich des Epos in zwei Teilen angenommen, beginnend mit Fritz Lang im Jahr 1924.

Szene aus «Hagen - Im Tal der Nibelungen»
Szene aus «Hagen - Im Tal der Nibelungen» © Praesens-Film

Hundert Jahre später

Ein Jahrhundert nach seiner Entstehung ist Langs Zweiteiler «Die Nibelungen: Siegfried »und «Die Nibelungen: Kriemhilds Rache» noch immer ein nicht nur visuell eindrucksvolles Werk. Fritz Lang war einer der grossen Virtuosen des Kinos. Er nutzte eine moderne Ästhetik, die seine Filme auch heute noch sehr leicht zugänglich macht. Dabei ist die Kraft seiner Bilder so enorm, dass der fehlende Ton nicht im Mindesten ein Manko ist.

Das Skript zum Film schrieb seine Frau Thea von Harbou auf Grundlage des Nibelungenlieds aus dem 13. Jahrhundert, aber auch des von Friedrich Hebbel geschriebenen dreiteiligen Stücks «Die Nibelungen». Was weniger Einfluss hatte: Richard Wagners vierteiliger Opernzyklus «Der Ring des Nibelungen», da der Komponist hier ältere Quellen mit einbezieht, etwa die altnordische Liedersammlung «Edda», und eine eigene Vision gestaltet.

Langs «Die Nibelungen» ist ein Monumentalfilm, der weltweit erfolgreich war, allerdingst war der erste Teil immer beliebter als der zweite.

Szene aus «Die Nibelungen»
Szene aus «Die Nibelungen» © Temp Import

Siegfried

Siegfried ist ein wackerer Held, der einen Drachen erschlägt und in dessen Blut badet, was ihm Unverwundbarkeit verleiht. Nur eine Stelle an seinem Rücken bleibt ungeschützt, da sie von einem Lindenblatt bedeckt ist. Später wirbt Siegfried um Kriemhild, die Schwester des Burgunderkönigs Gunther.

Beide werden vermählt, doch Verrat folgt bald, denn Hagen von Tronje ist es, der mit Wissen des neidischen Königs Siegfried erschlägt.

Daraufhin schwört Kriemhild Rache, auch wenn Jahre vergehen, bis sie sie durchführen kann. Erst als Ehefrau von Hunnenkönig Etzel ist es ihr möglich, die Täter in eine tödliche Falle zu locken ...

Szene aus «Hagen - Im Tal der Nibelungen»
Szene aus «Hagen - Im Tal der Nibelungen» © Praesens-Film

Vereinnahmung

die Nazis, die das germanische Epos verehrten Werke. Das soll Hitler zu dem Ausspruch bewegt haben, dass Fritz Lang der Regisseur sei, um der Welt später „grosse Nazi-Filme“ zu schenken. Doch auch die Assoziation mit der dunkelsten Phase deutscher Geschichte hat der Film überlebt.

Er gilt zu Recht nicht nur als eines der grossen Werke der Stummfilmzeit, sondern generell des Mediums Film. Lang selbst entzog sich dem Regime und emigrierte nach Amerika, doch seine Ex-Frau Thea von Harbou schloss sich den Nazis an.

Der Regisseur, Schriftsteller und Filmproduzent Fritz Lang (1890-1976)
Der Regisseur, Schriftsteller und Filmproduzent Fritz Lang (1890-1976) © dpa / picture alliance

In Farbe und mit Ton

Es vergingen gut vier Jahrzehnte, bis sich ein Filmemacher des Stoffs wieder annahm. Im Jahr 1966 debütierte die Neuverfilmung mit zwei Teilen: «Siegfried von Xanten» und «Kriemhilds Rache».

Der umtriebige Produzent Artur Brauner hatte Jahre mit dem Gedanken zur Neuverfilmung gespielt, die handlungstechnisch nahe an Lang, aber auch am Nibelungenlied und an Hebbels Trauerspiel bleibt.

Die Inszenierung übernahm Harald Reinl, einer der soliden Handwerker jener Ära, der von «Jerry Cotton» bis „Kommissar X“ überall seine Hände im Spiel hatte. So bahnbrechend wie Langs Werk mag sein ebenfalls zweiteiliger Film nicht sein, farbenprächtig ist er aber, und er legt das Augenmerk noch stärker auf die Liebesgeschichte von Siegfried und Kriemhild. Im Vordergrund steht die Freude an der Sagenwelt.

Am Ende verweist Reinl in seinem Film darauf, dass Männer, die Mördern folgen, auch solcherart enden – ein leicht zu verstehender Vermerk auf die Zeit des Dritten Reichs, um von vornherein eine nationalistische Umdeutung auszuschliessen.

Reinls Version setzt den Fokus auf das Abenteuerliche, wobei die zwei Teile nicht gänzlich harmonieren. Der erste Teil ist weit mehr flottes Abenteuer, als es der düsterere zweite ist. Was tatsächlich schlechter aussieht, als bei Lang: der Kampf mit dem Pappmaché-Drachen. Zudem ist der Hauptdarsteller, Leichtathlet Uwe Beyer, ein schauspielerisches Leichtgewicht. Weil er nicht besonders überzeugend war, liess Brauner ihn von Thomas Danneberg nachsynchronisieren.

Auch Reinls Version ist gut gealtert. Ungewöhnlich mutet noch immer seine unkonventionelle Entscheidung an, von Schlachtmomenten wegzuschwenken und die Kamera auf unbewegte Elemente zuzubewegen und dort verharren zu lassen. Es beflügelt auf jeden Fall die Phantasie. Interessanter ist der zweite Teil, in dem es um Schuld und Sühne geht. Dem Wunsch nach Rache wird alles untergeordnet, sowohl das eigene Glück als auch das Leben der Familie. Wer auf Rache aus ist, der grabe zwei Gräber, besagt ein Sprichwort, das noch älter als das Nibelungenlied selbst ist. Wären es doch nur zwei Gräber, denn dieser Walkürenritt lässt am Ende nur den Tod triumphieren.

Szene aus dem zweiten Teil von Fritz Langs Stummfilm-Epos «Kriemhilds Rache»
Szene aus dem zweiten Teil von Fritz Langs Stummfilm-Epos «Kriemhilds Rache»

Fernsehen

Für das Fernsehen wurde im Jahr 1967 eine zweiteilige Verfilmung auf Basis des Hebbel-Stücks von 1861 gezeigt. Die Literaturverfilmung wurde von Autor und Regisseur Wilhelm Semmelroth umgesetzt. Er war seit Jahren von dem Stoff fasziniert und bereitete eine Umsetzung vor, die behutsam Hebbels Texte modernisierte. Die vierstündige Verfilmung wurde im Juni und Juli 1966 gedreht. Seitdem ist der Zweiteiler mehrheitlich in Vergessenheit geraten, beim rührigen Heimkino-Label Pidax gab es im Jahr 2011 jedoch eine Veröffentlichung auf DVD.

Vergessen ist auch der italienische Sandalenfilm «Siegfried - Die Nibelungensaga» von 1957, in dem Sebastian Fischer die Titelrolle spielte. Erwähnenswert ist, dass der Drache das erste Werk von Carlo Rambaldi («E.T. - Der Ausserirdische») war.

Raimund Harmstorf war Siegfried im Erotikfilm «Siegfried und das sagenhafte Liebesleben der Nibelungen» im Jahr 1971. Sybill Danning spielt Kriemhild.

Ein neuer Ansatz

Das Nibelungenlied ist ein zeitloser Klassiker, der zur Neuinterpretation jeder Generation geradezu einlädt.

Eine weitere Verfilmung ist «Die Nibelungen», ein Zweiteiler, der im Jahr 2004 bei SAT.1 ausgestrahlt wurde. Der Zweiteiler war damals mit mehr als sieben Millionen Zuschauern erfolgreich, die Kritik war verhalten, lobte Benno Fürmann als Siegfried und bezeichnete den Film als spannend, hielt aber auch nicht damit hinter dem Berg, dass hier einiges verändert wurde.

Nicht nur in Hinblick auf Hebbel, sondern das Nibelungenlied selbst, denn hier werden auch ältere Elemente der isländischen Völsunga-Saga (die auch Wagner inspirierte) um den Helden Sigurd eingebracht, der letztendlich eine frühere Variante von Siegfried ist. Das hätte durchaus interessant werden können, aber es fehlt der visuelle Reichtum Langs. So bleibt eine nicht uninteressante Fernsehbearbeitung, bei der Kompromisse gemacht wurden.

Kein grosser Wurf, ebenso wie nun «Hagen - Im Tal der Nibelungen», aber auch zwanzig Jahre später durchaus noch gut anzusehen. An die beiden grossen Klassiker von Lang und Reinl reicht aber keine andere Verfilmung heran. Mit hundert Jahren auf dem Buckel ist Fritz Langs zweiteiliger Stummfilm noch immer unerreicht.

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