Artikel25. Januar 2024 Cineman Redaktion
Filmwissen: Tanz aus der Reihe: Nahaufnahme Nicole Kidman
Schön, kalt und kalkuliert. Sei es als Aquamans Mutter oder Grace Kelly, Nicole Kidman ist auf die Rolle der kühlen Adligen abonniert. In den letzten 40 Jahren hat sie sich ausserdem eine Karriere als Charakterdarstellerin aufgebaut. In ihrer neuen Serie «Expats» agiert die rothaarige Australierin auch als Produzentin. Anlass für uns, eine von Hollywoods führenden Schauspielerinnen zu porträtieren.
Eine Kindheit weitab von Hollywood
Nicole Kidman kennt das Gefühl, Aussenseiterin zu sein. 1967 wird sie als Tochter eines australischen Doktoranden an der Universität von Hawaii und einer Krankenschwester in Honolulu, Hawaii, geboren. Nach einem kurzen Abstecher nach Washington, D.C., zieht die Familie drei Jahre später zurück nach Australien, wo sie in Sidney, weitab von Hollywood, aufwächst. Sie sei ein scheues Kind gewesen, das stotterte, erklärt sie in einem Interview im Talk Magazine. Obwohl sie dieses Leiden als Erwachsene überwunden hat, fällt es ihr noch immer schwer, ein Leben in der Öffentlichkeit zu führen. «Ich mag es auch heute noch nicht, ein volles Restaurant zu betreten und ich gehe nie alleine zu Partys.»
Kidman sammelt erste schauspielerische Erfahrungen als Teenager am Phillip Street Theater in Sydney, wo sie ihre heutige Schauspielkollegin Naomi Watts kennenlernt. Mit 16 Jahren verlässt sie die High School vor dem Abschluss und macht sogleich ihr Filmdebüt im australischen Weihnachtsstreifen «Bush Christmas». Der Durchbruch kommt an Sam Neils Seite im Film «Dead Calm». Das Branchenmagazin Variety beschreibt Kidmans Leistung damals als exzellent. Gleichzeitig ist sie in der australischen TV-Serie «Bangkok Hilton» zu sehen, in der sie eine unwissentliche Drogenschmugglerin spielt. Eine Rolle, die ihr 1989 internationale Aufmerksamkeit einbringt.
Wenn Hollywood ruft
Bei den Dreharbeiten zu ihrem ersten Hollywoodfilm «Tage des Donners» lernt sie 1990 ihren zukünftigen Ehemann Tom Cruise kennen, mit dem Nicole Kidman zehn Jahre lang verheiratet ist und zwei Kinder adoptiert hat. Kidman und Cruise drehen gemeinsam mehrere erfolgreiche Filme wie das Siedler-Epos «In einem fernen Land» oder Stanley Kubricks letzter Film, die umstrittene Arthur-Schnitzler-Adaption «Eyes Wide Shut».
Kidman benutzt die enorme Popularität, die ihr die Beziehung zum Hollywood-Superstar bringt, um sich als ernst zu nehmende Schauspielerin zu etablieren. In Gus Van Sants «To Die For» (1995) stellt sie eine manipulative Nachrichten-Moderatorin dar, die eine Gruppe von Teenagern dazu verführt, ihren Mann umzubringen. Kidman ist furchtlos in einer für sie ungewohnten Rolle des Bösewichts und überrascht in dieser Satire mit ihrem Talent zur Komik. Zwei Jahre später zeigt sie als junge Erbin in Jane Campions Historiendrama «Portrait of a Lady» eine sensible und nuancierte Darstellung, für die sie 1997 für einen New York Film Critics Award nominiert wird.
In einem Interview mit CNN erklärt Kidman, dass sie ihre Rollenwahl wie ein Teenager angehe. «Ich kümmere mich nicht um die Konsequenzen. Ich gehe Dinge an, indem ich mich frage, ‹Will ich das machen? Ja? Dann versuche ich es.› Das hat Vor- und Nachteile und führt zu einer eher turbulenten Karriere, was mir gefällt.»
Aus Tom Cruises Schatten treten
2001 gibt ein Sprecher des Paares die Trennung von Tom Cruise und Nicole Kidman bekannt und der Schauspieler reicht einen Tag später die Scheidung ein. Als Grund werden unüberbrückbare Differenzen angegeben. Obwohl Kidman nie darüber gesprochen hat, wird vermutet, dass Cruises Zugehörigkeit zur Scientology-Sekte, der die Schauspielerin nie beitrat, einer der Gründe für die Trennung war.
Ihren privaten Problemen zum Trotz erreicht Kidmans Karriere nach ihrer Scheidung neue Höhepunkte. 2001 wagt sie sich an ihr erstes Filmmusical und spielt die Nachtclubsängerin Satine in Baz Luhrmanns «Moulin Rouge». Das Publikum und die Filmkritiker:innen sind sich einig, Kidman sprüht nur so vor Charme und ihre Stimme hält den poppigen Melodien stand. Eine Rolle, für die sie ihre erste Oscar-Nomination als beste Schauspielerin erhält.
Die Erfolgsstrecke hält mit dem psychologischen Thriller «The Others» und schliesslich mit Stephen Daldrys Film «The Hours» (2002) an. Kidman spielt die englische Schriftstellerin Virginia Woolf, die mit Depressionen und einer Schreibblockade kämpft. Für die Rolle verwandelt sich die Schauspielerin, unter anderem mit Hilfe einer Nasenprothese, fast bis zur Unkenntlichkeit. Die Rolle machte sie zur ersten Australierin, die den Oscar als beste Schauspielerin gewinnt und beweist, dass Nicole Kidman durchaus fähig ist, tiefgründigere Rollen zu spielen, als sie ihr bisher von Hollywood angeboten wurden.
Höhen und Tiefen
Aber auch ein Hollywood-Star von Kidmans Kaliber trifft mit seiner Rollenwahl nicht immer ins Schwarze. Die schwarze Komödie «Die Frauen von Stepford» (2004) des Regisseurs Frank Oz erntet, trotz Staraufgebot, schlechte Kritiken und kann auch das Publikum nicht überzeugen. Ein Jahr später, für die Kinoversion der 60er-Jahre TV-Serie «Verliebt in eine Hexe», gewinnt Kidman mit ihrem Leinwandpartner Will Farrell sogar die Goldene Himbeere als schlechtestes Leinwandpaar.
Obwohl Kidman oft als Grace Kelly-Typ beschrieben wird, steht die Filmbiografie «Grace of Monaco», die 2014 das Filmfestival von Cannes eröffnet, unter keinem guten Stern. Der Film fokussiert sich auf eine Identitätskrise, die Grace Kelly nach der Hochzeit mit Prinz Rainier gehabt haben soll. Aber nicht nur die vehemente Kritik des monegassischen Fürstenhauses, sondern auch das schwache Drehbuch und die schwerfällige Regie von Oliver Dahan verurteilen den Film zum Scheitern.
Und schliesslich ist da Ryan Murphys Adaption des LGBTQ-Musicals «The Prom», mit Kidman in der Rolle der Broadway-Diva Angie Dickinson, die 2020 zwar von der Covid-Pandemie und vernichtenden Kritiken geschwächt wird, es aber auch ohne das Corona-Virus schwer gehabt hätte, ein Publikum zu finden.
Nicole Kidman, der Verkaufsschlager
Der Popularität von Nicole Kidman tun diese Flops aber keinen Abbruch. 2005 landet sie auf Rang 45 der Liste der 100 einflussreichsten Stars, aufgestellt vom Forbes Magazin. Ein Werbespot, den sie mit ihrem «Moulin Rouge» Regisseur Baz Luhrmann für das Parfum Chanel Nº 5 dreht, macht sie zur bestbezahlten Frau der Welt. Für den dreiminütigen Film bekommt sie angeblich 12 Millionen Franken.
Ihre Attraktivität als Werbefigur hält bis heute an. Um das Publikum nach der Corona Pandemie wieder in die Kinosäle zu locken, dreht sie 2021 den Werbefilm «We Make Movies Better» für die amerikanische AMC-Kinokette. Als Kidman, im grauen Poweranzug mit silbernen Nadelstreifen, über die Magie des Kinos zu schwärmen beginnt, widersetzt sich das Publikum den Warnungen des Immunologen und amerikanischen Präsidentenberaters Anthony Fauci und eilt wieder zurück in die Lichtspielhäuser. Der Spot ist heute so beliebt, dass er immer noch im Vorspann vieler Filme gezeigt und von eingefleischten Fans im Kinosaal mitgesprochen wird.
Eiskönigin mit Feuer im Bauch
Nicole Kidmans Karriere ist länger und vielseitiger als die der meisten Schauspielerinnen – von den Karrieren der über 50-Jährigen wollen wir gar nicht erst sprechen. Obwohl sie in den letzten Jahren gerne auf Eisköniginnen-Rollen reduziert wird, hat sich Nicole Kidman nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Produzentin mit ihrer Firma Blossom Films interessante Projekte, vor allem fürs Fernsehen und Streaming erarbeitet. Ihre Rolle als Celeste Wright in «Big Little Lies», eine Hausfrau und Mutter, die ein scheinbar perfektes Leben führt, aber Opfer von häuslicher Gewalt wird, lässt sie vor der Kamera eine Verletzlichkeit zeigen, die wir von ihr nicht oft sehen. «Ich bin davon überzeugt, dass du als Schauspieler dein Aussehen, deine Bewegungen und deine Sprache verändern musst, um eine Figur zu kreieren», erklärt sie in einem Interview mit BAFTA Guru. «Ich bin nicht gut darin, mich selbst zu spielen. Mich in jemand anderen zu verwandeln, gibt mir als Schauspielerin die grösste Befriedigung.»
Auf ihrer Suche nach interessanten Frauenschicksalen ist die Produzentin Nicole Kidman auf Janice Y.K. Lees Roman «The Expatriats» gestossen, der das Leben von reichen Ausländern in Hong Kong beleuchtet und die Missstände dieser Klassengesellschaft aufzeigt. Das Gefühl des Fremdseins ist der Schauspielerin gut bekannt. Nicht nur als Kind fühlte sie sich oft als Aussenseiterin. «Ich weiss nicht, ob ich je dachte, irgendwo dazuzugehören», meint Kidman im Gespräch mit dem Magazin Female First. «Ich bin schon immer etwas aus der Reihe getanzt.» Kidmans Produktionsfirma Blossom Films erwarb 2017 die Rechte und entwickelte die Miniserie «Expats» mit der chinesisch-amerikanischen Filmemacherin Lulu Wang («The Farewell») als Drehbuchautorin und Regisseurin.
«Expats» mit Nicole Kidman in der Hauptrolle ist ab dem 26. Januar auf Amazon Prime zu sehen.
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