Artikel27. September 2023

Fluch oder Segen? Künstliche Intelligenz im Film

Fluch oder Segen? Künstliche Intelligenz im Film
© 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Schreiben bald nur noch lernfähige Maschinen Drehbücher? Werden Darstellende in Zukunft durch digitale Kopien ersetzt? War das Thema KI bislang bloss in den Geschichten auf der grossen Leinwand präsent, geistert es spätestens seit Beginn des Autorenstreiks im Mai als Schreckgespenst durch die Filmindustrie selbst. In die Debatten hinein erscheint mit «The Creator» passenderweise ein Science-Fiction-Epos, das den Einfluss und den Einsatz von KI in eine actiongeladene Handlung packt. Für uns eine willkommene Gelegenheit, der Frage nachzugehen, wie das Phänomen der hochentwickelten Maschinen in den letzten Jahrzehnten filmisch aufbereitet wurde.

von Christopher Diekhaus

Maschinen im Vernichtungsmodus

Killermaschine in «Terminator 2 – Tag der Abrechnung» © IMDb

Roboter, Androiden und Cyborgs gehören zu den Konstanten des Science-Fiction-Genres und rufen seit dessen Anfängen eine Mischung aus Faszination und Furcht hervor. Maschinen, die die Welt erobern, den Menschen Untertan machen, ihn gar auszulöschen versuchen, wie es James Camerons «Terminator 2 – Tag der Abrechnung» (1991) (Netflix) so furios beschreibt, tauchen bis heute immer wieder auf. Interessant ist bei näherem Hinsehen allerdings die Bandbreite. Denn nur selten wenden sich Killer-KIs aus reiner Boshaftigkeit gegen ihre Schöpfer.

In «Westworld» (1973) (Apple TV+) ist es ein Fehler in der Programmierung, der Roboter in einem Freizeitpark plötzlich zu tödlichen Gefahren werden lässt. Der Animationsfilm «Die Mitchells gegen die Maschinen» (2021) (Netflix) wiederum handelt von einer künstlichen Intelligenz, die kurz vor der Ablösung steht. Aus Selbsterhaltungsgründen und schwer enttäuscht sagt sie daraufhin den Erdbewohnern den Kampf an. «Child’s Play» (2019) (Sky Show), eine Neuverfilmung des Kultstreifens «Chucky – Die Mörderpuppe» (1988), verlagert die Schuld für die Metzeleien eines Hightech-Spielzeugs gleich ganz auf die menschliche Seite. Von Rachegedanken getrieben, deaktiviert hier ein entlassener Arbeiter des Herstellers alle Sicherheitsprotokolle an einem Exemplar.

KI als Freundin in der Not

Die KI als Freundin in «M3GAN» © Universal Pictures Switzerland

Neben das Bild der Killermaschine tritt in der «Child’s Play» nicht unähnlichen Horrorsatire «M3GAN» (2023) (Sky Show) das der Lebenshelferin. Die titelgebende, KI-basierte, ständig neues Wissen aufsaugende Puppe wird zur besten Freundin, zur Stütze eines um seine verunglückten Eltern trauernden Mädchens. Das Problem an der Sache: Ihren Auftrag, die Kleine zu beschützen, geht die M3GAN genannte Begleiterin mit einem völlig überzogenen, bluttriefenden Eifer an.

KI-Wesen, die zu einem menschlichen Ersatz werden, kennt die Filmgeschichte freilich nicht nur als Amokläufer. Des Öfteren betreten auch Maschinen die Bühne, die Wärme ausstrahlen, wirklich helfen wollen, die Erde zu einem besseren Ort zu machen. Die Disney-Produktion «Baymax – Riesiges Robowabohu» (2014) etwa beschreibt die innige Beziehung zwischen einem Teenager und einem knuffig-tollpatschigen Gesundheitsassistenten, der einem Michelin-Männchen ähnlich sieht. In «I Am Mother» (2019) (Apple TV+) kümmert sich ein fürsorglicher Roboter nach dem Auslöschen allen Lebens in einer Wiederbesiedlungsanlage wie eine Mutter um ein Mädchen, das die Menschheit in eine neue Zukunft führen soll. Ihr Verhältnis ist komplex. Zwischendurch wird das KI-gestützte Wesen zu einer Bedrohung. Am Ende reicht die Maschine aber den Staffelstab an die Protagonistin weiter, die beweisen darf, dass sie eine neue moralischere, feinfühligere Welt erschaffen kann.

Beziehungen zu KI-Figuren machen auch vor der Liebe nicht halt. «Ich bin dein Mensch» (2021) (Filmingo) zum Beispiel erzählt auf ebenso witzige wie kluge Weise von einer Wissenschaftlerin, die im Rahmen einer Untersuchung mit einem humanoiden Roboter, dem für sie angeblich idealen Partner, zusammenleben soll. In der melancholisch-berührenden Scifi-Romanze «Her» (2013) (Apple TV+) können wir dem von Joaquin Phoenix herrlich grüblerisch verkörperten Protagonisten dabei zusehen, wie er sich mehr und mehr zu der Stimme seines neuen Betriebssystems hingezogen fühlt. An die Stelle menschlicher Nähe tritt hier eine technische Errungenschaft, die in der Originalversion mit der verführerischen Stimme Scarlett Johanssons spricht.

Wer bin ich, und was will ich?

Mensch oder Maschine in Blade Runner © IMDb

Viele Filme, die künstliche Intelligenz verhandeln, kreisen vor allem um eine Frage: Was, wenn wir uns von den Maschinen nicht mehr deutlich abheben, wenn auch Roboter ein Bewusstsein entwickeln, fühlen und in moralischen Kategorien denken können? Weicht die Grenze auf oder fällt sie gleich ganz weg, macht sich oft Unbehagen breit. In Ridley Scotts Science-Fiction-Meilenstein «Blade Runner» (1982) streben als billige Arbeitskräfte benutzte, nur über begrenzte Lebenszeit verfügende Androiden, die sogenannten Replikanten, nach mehr Freiheit und fordern diese von ihrem Schöpfer ein.

Das Recht auf persönliche Entfaltung und der Wunsch, aus der menschlichen Knechtschaft auszubrechen, bestimmen auch das faszinierende Kammerspiel «Ex Machina» (2014) (Apple TV+), einen der wohl aufregendsten und ambitioniertesten KI-Beiträge der letzten Jahre. Der im Zentrum stehende Programmierer soll im abgelegenen Anwesen seines exzentrischen Chefs eine ausgeklügelte Roboterfrau auf ihre Emotionen und Sehnsüchte hin testen. Mehr und mehr in ihren Bann gezogen, ihr geradezu verfallen, erkennt er zu seinem Unglück nicht, dass sie ihn für ihre eigenen Pläne einspannt. Am Ende steht ein fulminanter Emanzipationsakt, den man einerseits nachvollziehen kann, der andererseits aber auch ein leicht mulmiges Gefühl hinterlässt.

Eine optimistische Zukunftsvision in «The Creator» © 2023 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Sehr optimistisch blickt Gareth Edwards in «The Creator» (2023), dem Startpunkt unserer Reise, auf die moderne Technik. Gefahr und Zerstörung geht hier einzig und allein von uns, der angeblichen Krone der Schöpfung, aus. Sieht der Protagonist, ein traumatisierter Ex-Militär, die im Film auftauchende KI anfangs kritisch und hält sie für etwas Nichtlebendiges, lässt er sich im weiteren Verlauf eines Besseren belehren. Da sie die Menschheit vernichten könnte, soll er seine Begleiterin, ein hochentwickeltes Robotermädchen, eigentlich töten. Nach und nach entsteht jedoch ein Band zwischen den beiden, das den Soldaten von seiner ursprünglichen Mission abbringt. Alphie, so der Name des Wesens, sehnt sich bloss nach Freiheit für sich und ihre Artgenossen und hat keine Ambitionen, die Erde zu verwüsten. Ein deutlicher Kontrast zum neuen Agentenkracher «Mission: Impossible – Dead Reckoning – Teil Eins» (2023), in dem eine künstliche Intelligenz zur durchtriebenen, Falschnachrichten verbreitenden Antagonistin wird. Mal schauen, welche Vision der Realität letztlich am nächsten kommt!

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