Kino ist etwas für die Sinne, aber zwei bleiben immer aussen vor – der Geruch und der Geschmack. Aber es gibt Filme, die können einen glauben lassen, sie schmecken zu können. Zum International Chefs Day machen wir einen kleinen Ausflug in die lukullische Welt des Films, die ausgesprochen vielseitig und abwechslungsreich ist, und das nicht nur in Hinblick auf die Gerichte, die hier von den ProtagonistInnen kredenzt werden.
von Peter Osteried
1. «The Menu» (2022)
Haute Cuisine und Cheeseburger
Worum geht’s? Ein Pärchen reist zu einer abgelegenen Insel, wo es ein exklusives Restaurant gibt, dessen Eigentümer ein aussergewöhnliches Menü für seine Gäste vorbereitet hat. Aber die Gaumenfreuden bleiben den Gästen bald im Hals stecken, denn der Chefkoch hat einige unangenehme Überraschungen geplant.
Warum ist der Film sehenswert? Ein Gefühl von Paranoia stellt sich schnell ein, es verdichtet sich im ersten Drittel, in dem der Film fast schon wie Arthaus-Kino anmutet, aber doch genug subtile Verweise auf sein eigentliches erzählerisches Ziel aufweist. Er ist im Kern ein Horrorfilm, einer, in dem es um den Tod vieler geht, die sich im Grunde nichts zuschulden kommen liessen. Aber «The Menu» ist weit mehr als das. Er ist auch ein Diskurs darüber, was Kunst ist, was sie sein soll, und wie sie auf den Künstler, aber auch den Rezipienten wirkt. Beide gehen eine fast schon unheilige Symbiose ein, bei der einer immer am längeren Hebel sitzt – nämlich dem, mit dem über die Qualität der Kunst geurteilt wird. Denn letzten Endes ist auch das Zubereiten eines feinen Mahls eine wahre Kunst.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Es gibt hier jede Menge exklusiver Speisen, aber bei was läuft einem das Wasser im Munde zusammen? Bei einem Cheeseburger. Aber gut, der sieht auch sehr viel besser aus, als das, was es in Fast-Food-Tempeln gibt.
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2. «Ratatouille» (2007)
Feinste Speisen zubereitet von einer begabten Pariser Ratte
Worum geht’s? Remy ist eine Ratte, aber anders als seine Kollegen hat er keine Lust darauf, den Unrat von der Strasse zu fressen. Nein, denn er ist ein Koch! Sogar ein sehr begnadeter, der seinen Traum wahr machen kann, als er eine ungewöhnliche Allianz mit einer Küchenhilfe in einem berühmten Restaurant eingeht.
Warum ist der Film sehenswert? «Ratatouille» ist ein zeitlos schöner Klassiker aus dem Haus Pixar und entstand zu einer Zeit, da die Firma wirklich auf der Höhe ihrer Kunst war. Das Studio warf einen Kracher nach dem anderen raus und setzte vieles auch fort. Das hebt «Ratatouille» von vielen anderen Pixar-Filmen ab. Dass ihm erlaubt wurde, für sich zu stehen. Dass nicht alles immer ad Infinitum fortgesetzt werden muss. Denn dieser Film ist praktisch perfekt, auch wenn er eine geradezu klassische Geschichte erzählt. Darüber, dass niemand seine Träume jemals aufgeben sollte.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Wenn ein Film schon wie ein Gericht heisst, dann sollte das auch im Film vorkommen. Ist auch so, aber das, was im Gusteau’s serviert wird, ist eine Confit Byaldi, eine Form von Ratatouille, die weit schöner aussieht als die traditionelle Form des Gerichts. Sie wurde für den Film gewählt, weil sie mehr für das Auge bietet.
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3. «Chocolat» (2000)
Schokolade, die verzaubert
Worum geht’s? Im Frankreich des Jahres 1959 geht es gesittet zu. Soll es zumindest. Aber dann eröffnet eine Frau zusammen mit ihrer Tochter einen Schokoladenladen in dem kleinen Dorf. Damit erschüttert sie die Grundfeste, denn die Schokolade als Sinnbild des Genusses in einer Zeit der Abstinenz, sorgt im Dorf für allerhand Aufruhr.
Warum ist der Film sehenswert? Lasse Hallströms Film ist natürlich nur vordergründig einer über eine Chocolaterie. Es geht vielmehr um das Aufbegehren gegen ein repressives System, um den Drang nach Freiheit und den Wunsch, ein selbstbestimmtes Leben zu führen – egal, was andere sagen. Juliette Binoche ist, wie so oft, in der Hauptrolle wunderbar. Ihr zur Seite steht Johnny Depp, der wie Binoches Figur von aussen in das Dorf eindringt und es mit seinem Freigeist umzukrempeln beginnt. Ein schöner und wichtiger Film, der heute so aktuell wie eh und je ist.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Schokolade in allen Sorten und Variationen. Der Vorteil, wenn man sie während des Films geniessen will: Aufwendiges Kochen ist nicht nötig, sondern nur eine vorherige Shopping-Tour. Der Gaumen wird es danken, die Fettpölsterchen eher nicht …
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4. «Brust oder Keule» (1976)
Der Kampf um die feine Küche
Worum geht’s? Charles Duchemin ist ein Gourmet und der Herausgeber eines berühmten Restaurantführers. Er zieht in den Kleinkrieg gegen einen Fast-Food-Unternehmer, weil er die französische Kunst des Kochens retten will. Bei einer Talkshow passieren dann zwei Dinge, die nicht sein sollten: Sein Sohn, der in seine Fussstapfen treten sollte, will ein Clown werden, und er hat seinen Geschmackssinn verloren.
Warum ist der Film sehenswert? Louis de Funès. Im Grunde muss gar nicht mehr gesagt werden. Der in Portugal geborene, aber in Frankreich gross gewordene Komiker ist eine humoristische Urgewalt. Wie er das Gesicht verdrehen kann, wie er sich aufregen kann, wie er immer wieder hochgeht – das ist einfach klasse und auch Jahrzehnte nach seinem Tod bringt er das Publikum zum Lachen. «Brust oder Keule» ist eines seiner absoluten Highlights.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Der Gourmet lässt sich ein Entrecôte à la Bordelaise servieren – jetzt müssen nur noch die Geschmacksknospen mitmachen.
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5. «Im Rausch der Sterne» (2015)
Ein Feelgood-Movie rund um die Sterneküche
Worum geht’s? Adam Jones ist ein erstklassiger Chefkoch, der sich die Karriere mit seinem Drogenmissbrauch und divahaften Verhalten torpediert hat. Jetzt kehrt er nach London zurück und will es noch einmal wissen. Er leitet die Küche eines Top-Restaurants und möchte es nutzen, um seinen dritten Michelin-Stern zu bekommen.
Warum ist der Film sehenswert? Der Film mutet an wie eine romantische Komödie, geht erfreulicherweise aber in eine andere Richtung. Ein klein wenig Romantik gibt es zwar, sie tritt aber deutlich in den Hintergrund. Dafür offenbart «Im Rausch der Sterne» einen authentisch anmutenden Blick in den Betrieb einer Sterne-Küche. Aber nicht nur das, auch die Zwistigkeiten und Rivalitäten mit der Konkurrenz werden hier nicht ausgespart. Das Ganze versteht sich als Feel-Good-Movie, so dass selbst die dramatischen Elemente – Adam wird von seinen ehemaligen Dealern gejagt, weil er ihnen noch Geld schuldet – im Vorbeigehen abgehandelt werden.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Es gibt reichlich Sterne-Essen zu sehen, ein Highlight ist der Dorset-Steinbutt mit Basilikum und Tomate. Um ihn aber geniessen zu können, wie hier im Film zu sehen, muss wohl wirklich das nächste Sterne-Restaurant aufgesucht werden.
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6. «Love Sarah» (2019)
Träume erfüllen mit einer eigenen Bäckerei
Worum geht’s? Schon immer wollte Sarah eine eigene Bäckerei eröffnen – zusammen mit ihrer besten Freundin Isabella. Als Sarah stirbt, ist ihrer Tochter Clarissa klar, dass sie jetzt handeln muss. Denn dieser Traum darf nicht sterben und so eröffnet sie die Bäckerei «Love Sarah» zusammen mit Isabella und ihrer Grossmutter.
Warum ist der Film sehenswert? «Love Sarah» ist einfach schönes Wohlfühlkino über drei Generationen von Frauen, die alle ihre eigenen Gründe haben, wieso sie diese Bäckerei eröffnen wollen. Darum spielt sich auch längst nicht alles nur in der Bäckerei ab, sondern auch ausserhalb, weil die drei Damen auch ein Leben abseits ihres Traums haben. Der Ausgangspunkt der Geschichte ist hochdramatisch, dann schwenkt der Film aber zu einer sehr entspannten Erzählweise über. Das ist so, als wäre ein alte Freund zu Besuch und würde erzählen, was er so in den letzten Jahren getrieben hat.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Da gibt es reichlich, aber die hübsch verzierten Cupcakes sehen einfach zum Anbeissen aus!
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7. «Love Steaks» (2013)
Eine Köchin angelt sich einen schüchternen Masseur
Worum geht’s? Clemens und Lara arbeiten beide in einem Luxushotel. Er als Masseur, sie als Köchin. Zwischen beiden funkt es, aber sie sind eben doch sehr unterschiedlich. So muss Lara allerlei Tricks anwenden, um ihn doch noch ins Bett zu kriegen. Daraus entsteht eine Beziehung, die aber unter keinem guten Stern steht.
Warum ist der Film sehenswert? Weil er einfach aussergewöhnlich ist. Ein deutscher Vertreter des Mumblecore mit improvisierten Dialogen, die eine aussergewöhnliche Realitätsnähe bieten. Überhaupt: Der Film ist ähnlich den Regeln von Dogma 95 gestaltet, wodurch sich eine besondere Wahrhaftigkeit ergibt. Film transzendiert so zu einem echten Abbild der Realität. Dabei ist «Love Steaks» witzig und aufregend zugleich – und ganz, ganz toll gespielt!
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Bei dem Titel, was könnte es da anderes als ein perfektes Steak sein?
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8. «Madame Mallory und der Duft von Curry» (2014)
Freundschaft statt Rivalität
Worum geht’s? Indische Auswanderer suchen nach einer neuen Heimat und landen in einem französischen Örtchen. Hassans Vater eröffnet ein Restaurant – und zwar direkt gegenüber dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant von Madame Mallory. Natürlich kommt es zur Rivalität, aber Madame Mallory erkennt in Hassan einen begnadeten Koch und beginnt, ihn zu protegieren.
Warum ist der Film sehenswert? Lasse Hallström weiss einfach, wie Essen eindrucksvoll in Szene gesetzt wird. Der Film lebt aber auch von der wunderbaren Helen Mirren und ist exzellent darin, das Drama mit reichlich Wohlfühlfaktor aufzuhübschen. Hinzu kommen traumhaft schöne Bilder, Essen, das herrlich aussieht, und eine verspielt-amüsante Erzählung, die einfach mitreisst. Kurz gesagt: Ein Film, der einfach Freude bereitet.
Und welche Leckerei essen wir jetzt? Ein Omelett, das mit Chilipulver, Buttermilch, ganz viel Koriander und einem Hauch von schwarzem Pfeffer zubereitet ist.
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