Interview30. März 2023 Maria Engler
Interview: Frauke Finsterwalder über «Sisi & Ich»: «Ich hätte ewig weitermachen können»
In «Sisi & Ich» erzählt die Regisseurin Frauke Finsterwalder die Geschichte der Kaiserin Sisi (Susanne Wolff) und der fiktiven Hofdame Irma (Sandra Hüller). Bereits kurz nachdem Irma die wundersamen Einstellungstests der Kaiserin bestanden hat und in ihren Dienst getreten ist, entwickelt sie tiefe Gefühle für sie. Gemeinsam gehen sie auf Reisen und durchleben die Höhen und Tiefen des adligen Lebens. Wir trafen die Frauke Finsterwalder im Rahmen der Berlinale, wo sie den Film, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Christian Kracht geschrieben hat, vorstellte.
1 - Es gibt im Moment mehrere Filme und Serien über das Thema Sisi. Warum haben Sie sich trotzdem für das Thema entschieden?
Frauke Finsterwalder: Die anderen Projekte gab es noch nicht, als ich mich für das Thema entschieden habe. Ich habe weder die Serien gesehen noch den anderen Film. Ich glaube aber, dass alles so unterschiedlich ist, dass es nebeneinander bestehen kann. Alle Filmschaffenden haben andere Themen, die sie behandeln. Sisi ist ein Aufhänger für diese Geschichten.
2 - Es gibt teilweise deutliche Unterschiede zwischen der historischen Sisi und Ihrer Version. Wie viel von der historischen Sisi steckt in Ihrem Film und welche fiktionalen Aspekte waren Ihnen besonders wichtig?
Frauke Finsterwalder: Noch bevor wir das Drehbuch geschrieben haben, gab es eine Pressemitteilung zu dem Film. Mir schrieben viele Historiker aus Österreich, ob sie mich beraten dürfen. Ich habe niemandem geantwortet und spätestens da beschlossen, das alles über Bord zu werfen und meine eigene Vision dieser Figur zu entwickeln.
Ich habe Sandra und Susanne verboten, ins Sisi-Museum zu gehen oder Biografien zu lesen. Sie sollten sich einfach am Drehbuch orientieren. Mir persönlich ging es so: Je mehr ich mich hinein vertieft habe, desto weniger mochte ich die historische Sisi. Ich wollte dann wirklich nur noch Susanne Wolff als Sisi sehen und die Figur, die sie verkörpert. Wie viel das mit der Historie zu tun hat, muss jeder für sich entscheiden. «Sisi & Ich» ist nicht der Versuch einer historischen Abbildung.
3 - Wie sah die Arbeit am Drehbuch aus? Haben Sie zusammen daran geschrieben, gleichzeitig, oder in verschiedenen Etappen?
Frauke Finsterwalder: Ich hatte die Idee zu diesem Projekt und habe kurz gedacht, dass ich vielleicht auch mal was ohne meinen Mann Christian machen muss. Ich hatte also eigentlich vor, mit jemand anderem zu schreiben. Das habe ich versucht und gemerkt, dass ich dabei an meine Grenzen komme. Ich bin nicht so frei mit anderen Autoren wie ich das mit meinem Partner bin. Wir können uns alles sagen und haben die Grundlage, dass wir uns schätzen, lieben und gut kennen.
Ich habe erst die ganze Outline der Geschichte alleine geschrieben und dann kam Christian dazu. Ich bin eher visuell, ich bin Regisseurin und ich überlege mir Bilder und Abfolgen. Christian ist sehr präzise im Wort und sehr gut bei Dialogen. Unsere Arbeit ist wie Ping-Pong: Einer liegt und redet, der andere schreibt und dann wechseln wir uns ab. Fast wie ein therapeutischer Vorgang (lacht).
4 - Diese Arbeit merkt man dem Film an. Anders als bei anderen Filmen mit historischem Hintergrund, sind die Dialoge sehr einfach und klar, manchmal fast alltäglich. Warum haben Sie sich für diese Form der Sprache entschieden?
Frauke Finsterwalder: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ich finde es manchmal schwierig, wenn SchauspielerInnen in Filmen historisch sprechen, weil das Steine in den Weg legt und die Freiheit, mit der man spielt und inszeniert, einschränkt. Ausserdem kennen wir historisch nur schriftliche Überlieferungen von Sprache, wir haben ja keine Tonaufnahmen, keinen Film.
5 - Der Film ist auch sonst wenig historisch mit den modernen Kostümen und der zeitgenössischen Musik. Was waren dabei Ihre Gedanken?
Frauke Finsterwalder: Der Film ist vielleicht nicht klassisch, auf der anderen Seite hat er etwas irrsinnig Nostalgisches. Wir haben auf 16mm gedreht und bei den Kostümen haben wir uns stark an den 1960er- und 70-Jahren orientiert. Ich bin grosser Visconti-Fan. Zwar nicht unbedingt seiner Person (lacht), aber dass die Frauenfiguren aus diesen Filmen unglaublich stark sind, toll aussehen und emanzipiert sind, hat mich inspiriert. Ich habe mich also an einer Zeit orientiert, die ich selber mag.
Ich komme aus einem Background, wo Popmusik eine grosse Rolle spielt. Ich fange bei Filmen eigentlich immer mit Songs an. Ich höre Songs und sehe Szenen vor mir, sehe wie Leute sitzen, sehe Bilder oder Charaktere. Früher habe ich SchauspielerInnen am Set Songs vorgespielt, bevor wir eine Szene gedreht haben oder selber am Set Musik gehört. Dieses Mal wollte ich sie in den Film hineinschreiben.
Auch das 16mm – das ist die raue Variante des Filmmaterials, nicht das, was man normalerweise mit einem Film über eine Herrscherin verbindet. Das hat den Film sehr haptisch gemacht. Das war mir wichtig, denn es geht hier ja auch um viele haptische Dinge – im guten wie im schlechten Sinne (lacht). Das passt einfach zu der Geschichte, die wir erzählen wollten.
6 - Was war zuerst da: die Songs oder die Szenen? Oder wechselt sich das ab?
Frauke Finsterwalder: Das ist immer unterschiedlich. In diesem Fall habe ich «Wandering Star» von Portishead im Radio gehört und sofort an Irma und die Geschichte von Irma und Sisi gedacht. Durch den Song kamen die Bilder vom Anfang, wie alles aussehen muss in der Burg und wie Mutter und Tochter da hineinlaufen. Nicos Song «Afraid» hat mich total an Sisi erinnert. Das Gleiche gilt für Dory Previn, deren Stück «The Lady with the Braid» Sandra Hüller dann auch mitsingt. Previns Leben erinnert mich sehr an die Geschichte im Film.
Mir war wichtig, dass im Film nur Frauenstimmen zu hören sind. Leider ist es mir nicht gelungen, ausschliesslich Songs von Komponistinnen zu finden. Es sind auch Frauen dabei, die von Männern geschriebene Stücke singen. Wenn man sich damit beschäftigt, merkt man, dass es gar nicht so viele Frauen wie Männer in der Musikindustrie gibt, die nicht nur singen, sondern auch komponieren.
7 - Sie sagten ja bereits, dass es Ihnen wichtig war, Stimmen von Frauen zu hören und vielschichtige Frauenfiguren in Ihrem Film zu haben. Der Film beleuchtet Themen wie Unabhängigkeit, Ehe und den Kampf gegen äussere Zwänge. Ist «Sisi & Ich» ein feministischer Film?
Frauke Finsterwalder: Ich tue mich mit dem Wort sehr schwer. In der ersten Pressemitteilung stand, dass dies ein feministischer Film wird. Ich bereue das ein bisschen, denn ich finde, der Begriff ist wie ein Totschlagargument. Für mich ist das Feministische, dass ich als Frau einen Film mit einem relativ grossen Budget machen durfte und dass man mir als Filmemacherin das zugetraut hat.
Zudem ist es ein Film über eine Frauenfreundschaft und ihre Beziehung. Es ist ein Film über unabhängige Frauen. Was ich an der Sisi in diesen Jahren ihres Lebens besonders spannend fand, ist, dass sie eigentlich überhaupt nicht mehr am Hof war, dass sie einfach herumgereist ist und dass sie keinen Kontakt zu ihren Kindern hatte. Ich wollte von einer Frau erzählen, der das alles egal ist. Das war auch eine Diskussion am Set. Katharina Wöppermann, unsere Ausstatterin, wollte in der Villa Fotos von den Kindern Sisis aufbauen (lacht) – und ich: «Die hat keine Bilder von ihrer Familie. Das ist ihr total egal. Ich will kein bürgerliches Wohnzimmer!»
Das ist etwas, das mich als Frau beschäftigt. Ich bin auch Mutter, ich war für den Film jahrelang nicht zu Hause. Das ist für ein Kind ziemlich extrem. Da gibt es auch Vorwürfe von aussen. Mich hat persönlich interessiert, was passiert, wenn man diese Konventionen abwirft. Was passiert, wenn man sagt: «Die Regeln sind Sisi egal, die Kinder sind egal, der Mann ist eigentlich nur dazu da, dass man vorbeischaut, damit er einem die Absolution erteilt, weiter herumzureisen»?
8 - Wie war das eigentlich, nach 10 Jahren Spielfilmpause einen grossen Film zu machen mit all den Reisen und der grossen Crew? Ist Ihnen das leicht gefallen?
Frauke Finsterwalder: Ich fand es ganz toll. Das liegt auch daran, dass ich immer viel mit Freunden arbeite. Ich bin da wirklich sehr empfindlich. Ich schaue mir alle Leute, die am Set sind, vorher an. Das ist ein riesiger zeitlicher Aufwand, aber es ist mir wichtig, dass es Menschen sind, die ich mag und die ich gerne um mich habe. Der Film hat irrsinnig viel Spass gemacht, ich war nicht einmal müde am Ende des Films – ich hätte ewig weitermachen können (lacht).
9 - Auf das nächste Projekt müssen wir jetzt aber nicht so lange warten?
Frauke Finsterwalder: Nein, auf keinen Fall. Das geht jetzt schnell.
Serie oder Kino?
Frauke Finsterwalder: Kino! Ich mag einfach die grosse Leinwand. Es ist besonderer, da es so viele Streaming-Angebote gibt. Ich möchte immer Kino machen, am liebsten immer auf 16mm! (lacht).
Weitere Informationen zu «Sisi & Ich»
Seit dem 30. März im Kino zu sehen.
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