Interview13. Dezember 2018 Irina Blum
Komponist Tom Holkenborg über «Mortal Engines», Hans Zimmer und die perfekte Filmmusik
Vor 15 Jahren ist der Holländer Tom Holkenborg für die Karriere nach L.A. gezogen, heute komponiert er Filmmusik für Grössen wie James Cameron oder Peter Jackson – aktuell zum Beispiel für den Fantasy-Blockbuster «Mortal Engines: Krieg der Städte». Im Interview spricht er über seine Inspiration, was ihn antreibt, und wieso er mit Hans Zimmer beinahe verheiratet ist.
Fragen von Theo Métais
Tom, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für Cineman. Sie kommen aus den Niederlanden, Ihre Karriere hat in der New Wave-, Metal- und Elektrozszene begonnen. Wie ist es, sich heute künstlerisch als Komponist für George Miller, Peter Jackson oder James Cameron ausdrücken zu können?
Tom Holkenborg: Das ist ein ziemlicher Schritt, ja. Meine Karriere als Elektromusiker dauerte von Mitte der 80er-Jahre bis beinahe 2012. In den späten 90er-Jahren habe ich «Blade» gesehen mit Wesley Snipes und war so erstaunt, wie gut die Musik in diesem Film funktioniert und was sie mit mir gemacht hat.
Von diesem Punkt an wollte ich es unbedingt als Filmkomponist schaffen. Ich bin 2003 nach Los Angeles gezogen, um näher an der Branche zu sein. Ich habe anderen Komponisten assistiert, Dinge ausprobiert und Low-Budget-Filme gemacht. Ich habe absolut nicht damit gerechnet, dass ich 15 Jahre später mit Leuten wie James Cameron würde zusammenarbeiten können – das ist ziemlich irre.
Mit Leuten wie James Cameron zu arbeiten, ist schon ziemlich irre.
Und wie bekommt man einen Job wie den in «Mortal Engines: Krieg der Städte»?
Tom Holkenborg: Mein Agent hat mich kontaktiert und gemeint, er hätte ein wirklich gutes Drehbuch, das bereit wäre zum Lesen. Ich war so begeistert vom Projekt, dass ich ihn bat, mich mit den Filmemachern in Verbindung zu setzen. Ich sprach zuerst mit dem Produzenten und habe ihn davon zu überzeugen versucht, dass ich wirklich gerne den Soundtrack für «Mortal Engines: Krieg der Städte» machen würde. Er hat dann einen Skype-Call mit Peter Jackson, Fran Walsh [Drehbuchautorin und Ehefrau von Peter Jackson, Anm. d. Red.] und Christian Rivers [Der Regisseur, Anm. d. Red.] organisiert.
Daraufhin wurde ich dann zu einem richtigen Treffen mit dem gesamten Kreativteam in Wellington eingeladen, mit gutem Wein und allem drum und dran, bei dem wir den Film erneut angeschaut haben und bis spät in die Nacht hinein über den Film und was musikalisch möglich wäre gesprochen haben. So bekam ich den Job.
Wenn man sich den Score anhört – speziell «London Suite» – dann ist da etwas Apokalyptisches, etwas sehr Düsteres und Dramatisches: Orchesterkompositionen gemischt mit schweren Märschen. Was war die grösste Herausforderung dabei?
Tom Holkenborg: Die grösste Herausforderung war es, zwei Dinge zu verbinden: Zum einen, diese verrückte futuristische Welt mit ihrer Umgebung musikalisch einzufangen – die Städte auf Rädern, die Angriffe, die Schutzmauern. Und zur gleichen Zeit ist da auch die Geschichte dieses kleinen Mädchens, dem wir während dem Film folgen und mit dem wir mitfühlen müssen. Ich musste mit der Musik daher immer von bombastisch und gross zu klein und intim wechseln können. Das war echt eine Challenge, dieser ständige Wechsel.
Ich strebe einen Mix aus Tradition und Moderne an.
Peter Jackson hat über Ihre Arbeit an «Mortal Engines: Krieg der Städte» gesagt, es sei wohl Ihre beste Leistung bisher und Conrad Pope spricht über einen «neuen und modernen Ansatz». Woraus ziehen Sie Ihre Inspiration?
Tom Holkenborg: Ich würde mich als "Vollkontakt-Komponisten" bezeichnen. Ich sage das, weil ich gerne Instrumente spiele. Ich sitze gerade zu Hause auf dem Sofa und habe eine Viola, eine Geige, eine Gitarre, ein Drum-Kit und ein Aufnahmegerät vor mir. Ich habe immer Instrumente um mich herum in meinem Studio und ich liebe es, sie zu spielen. Meine Inspiration kommt deshalb immer direkt vom Spielen und Ausprobieren. Mein Ziel für meine Karriere in Hollywood ist es, einen guten Mix zu finden aus diesem modernen Sounddesign und Elementen, die klassische Hollywood-Filme aus den 40er-, 50er- und 60er-Jahren so aufregend gemacht haben.
Wir müssen dorthin zurück, zu Leuten wie Bernard Herrmann oder Max Steiner, der die Musik für den allerersten «King Kong» komponiert hat. Diese Kombination aus Tradition und Moderne strebe ich an, und in «Mortal Engines: Krieg der Städte» kommen diese beiden Elemente in einer sehr natürlichen Form zusammen.
Was ist für Sie der beste Teil am Komponieren?
Tom Holkenborg: Es gibt viele Momente: Zum Beispiel, wenn zum ersten Mal eine Melodie zusammenkommt und man ein bestimmtes Glückgsgefühl verspürt. Dann kommt ein beängstigender Teil – wenn du die Melodie zum ersten Mal dem Regisseur vorspielst. Da verspürst du Adrenalin, eine andere Art dieses Glücksgefühls. Wenn dann deine Melodie von einem ganzen Orchester von 80 oder 90 Personen gespielt wird, ist das nochmals ein ganz anderes Erlebnis. Kompositionen von einem Orchester gespielt, das ist immer unglaublich, aber wenn es dann sogar Musik ist, die du geschrieben hast – das ist überwältigend.
Dann natürlich, wenn der Film seine Premiere feiert und du das Endergebnis zum ersten Mal siehst und hörst. Und schliesslich habe ich einen Youtube-Kanal namens Studio Time, wo ich viele Tutorials mache und zum Teil auch Melodien aus Filmen von Grund auf erkläre, zum Beispiel für jüngere Komponisten. Das Feedback dort ist so wertvoll für mich – das gibt mir noch das letzte Glücksgefühl, wenn ich einen Film abgeschlossen habe.
Es braucht wohl einen Deutschen und einen Holländer, um diese Musik zu machen.
Sie hatten für «Batman v. Superman: Dawn of Justice» die Gelegenheit, mit Hans Zimmer zusammenzuarbeiten. Wie war das?
Tom Holkenborg: Wie sind seit 2008 oder 2009 befreundet, wir haben uns also zuerst privat kennengelernt. Dann haben wir für einige seiner Filme zusammengearbeitet, und meine Rolle in diesen Kooperationen wurde immer grösser. Eines Tages habe ich sein Studio – es heisst Remote Control – in Santa Monica verlassen und mein eigenes Studio aufgemacht, worauf ich dann Filme wie «Mad Max: Fury Road» oder «Deadpool» gemacht habe.
Irgendwann hat mich Hans dann angerufen und gefragt, ob wir «Batman v. Superman: Dawn of Justice» zusammen machen sollten. Weil wir befreundet sind und immer nur zu zweit im Studio, stacheln wir uns gegenseitig mit Ideen an. Es braucht wohl einen Deutschen und einen Holländer, um diese Musik zu machen – es ist eine glückliche Ehe (lacht).
«Mortal Engines: Krieg der Städte» läuft ab dem 13. Dezember in den Deutschschweizer Kinos.
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