Interview21. August 2019 Zurich Film Festival
Regisseurin Lisa Brühlmann im Interview: "«Blue My Mind» kam zur richtigen Zeit"
Regisseurin Lisa Brühlmann hat einst als Moderatorin am Zurich Film Festival gearbeitet und dann mit ihrem Debütfilm «Blue My Mind» das Goldene Auge gewonnen. Nun ist sie für ihre Regiearbeit bei der US-Serie «Killing Eve» für einen Emmy nominiert – und würde einen Umzug nach Los Angeles nicht ausschliessen.
Interview von Christian Jungen. Erstveröffentlichung war der 8. August 2019 auf zff.com.
Lisa Brühlmann, Sie sind für eine Episode der Serie «Killing Eve» für einen Emmy, den bedeutendsten Fernsehpreis der Welt, nominiert. Wie haben Sie davon erfahren?
Sally Gentle, eine der Produzentinnen der Serie, rief mich an und sagte, sie habe gerade den Newsletter der Emmys erhalten und gesehen, dass ich nominiert sei – sie gratulierte mir herzlich.
Haben Sie auf diesen Moment hingefiebert?
Überhaupt nicht! Sally sagte mir zwar, dass ich vornominiert sei sprich auf der Shortlist stünde. Aber ich habe das dann völlig vergessen und wusste auch nicht genau, was das bedeutet.
Aber wie kommt man überhaupt zu einer Emmy-Nomination?
Die Produzenten entscheiden, mit welchen Episoden sie ins Rennen steigen und melden eine an. Im Fall von «Killing Eve» wurde meine Episode „Desperate Times“, die vierte der zweiten Staffel, und noch eine weitere eingereicht. Die Wahl geschieht dann durch die Mitglieder der in Los Angeles ansässigen Academy of Television Arts & Sciences.
Warum haben die Produzenten auf Ihre Episode gesetzt?
Weil sie diese am besten finden. Ich habe aber meine zweite Episode auch sehr gerne. Sie ist etwas ruhiger, aber emotionaler und sinnlicher. Aber in der vierten konnte ich mich austoben. Es ist einfach eine spezielle Episode, weil sie über die Stränge schlägt.
Um was geht es in «Killing Eve»?
Es geht um eine Psychopathin, eine Auftragsserienkillerin, die durch Europa reist und spektakuläre Morde verübt. Und eine MI6 Agentin die sie verfolgt und sich dann auch in sie verliebt. Die Serie dreht sich also um die Beziehung dieser Agentin und der Serienmörderin, die ihrer Geliebten immer wieder Botschaften hinterlässt.
Wie sind Sie zu diesem Auftrag gekommen?
Ich habe eine Agentin in London und sie fragte mich: Hast du Lust das zu machen? Die Produzenten der Serie hatten zuvor meinen Film «Blue My Mind» gesehen, der ihnen sehr gefiel. Ich habe dann mit ihnen gesprochen und wir fanden dann schliesslich: Komm, wir machen das zusammen.
Wie waren die Drehbedingungen?
Der Dreh im letzten Sommer war stressig, aber die Bedingungen waren nicht viel anders wie in der Schweiz. Was aber in England speziell ist: Nach 12 Stunden Drehzeit mit einer Stunde Mittagspause hören sie auf. Wenn man fünf Minuten überzieht, werden die Produzenten nervös und fragen: Was ist dein Plan? Es gibt einen hohen Druck, die Zeitvorgaben einzuhalten.
Und waren Sie auch in den Schnitt involviert?
Ja, in London war ich beim Schnitt auch dabei. Das war ein langes Engagement und ich hatte einen super Cutter, Dan Crinnion, der auch nominiert ist.
Müssen Sie jetzt in die USA fliegen, um vor der Emmy-Verleihung vom 23. September die Werbetrommel zu rühren?
Nein. Ich habe Anfragen von PR-Firmen bekommen, die eine Kampagne mit mir planen wollten. Aber meine Agenten haben mir davon abgeraten. Sie meinten, das koste zu viel Geld und die entscheidenden Leute würden mich schon kennen. Man kann das Ergebnis ohnehin nicht beeinflussen.
Lange haben Schweizer Filmschaffende gejammert, es sei verdammt schwierig, den Sprung ins Ausland zu schaffen. Bei Ihnen ging es sehr schnell.
Ich weiss, ich kenne auch viele Filmemacher in der Schweiz, die versuchten, in den USA Fuss zu fassen. Dass es bei mir so schnell ging, ergab sich aus einer Mischung verschiedener Faktoren: «Blue My Mind» kam zur richtigen Zeit – ein mutiger Film mit einem universellen Thema. Hätte ich ihn vor zehn Jahren realisiert, hätte ihn vielleicht niemand interessant gefunden. Und natürlich hat es auch damit zu tun, dass ich mein Handwerk beherrsche.
Was war Ihre jüngste Produktion?
Ich habe in Philadelphia eine Episode von «Servant» gedreht, der Serie von N. Night Shyamalan, der mit «The Sixth Sense» berühmt wurde. Die Serie wird bald veröffentlicht. Er hatte auch meinen Film «Blue My Mind» gesehen, ihn sehr gemocht und gefragt, ob ich mit ihm arbeiten wolle. Da konnte ich natürlich nicht nein sagen und es war sehr inspirierend, mit ihm zu arbeiten.
Haben Sie von Hollywood geträumt?
Ich habe eigentlich nicht explizit auf eine internationale Karriere abgezielt, aber jetzt, wo sie sich ergibt, finde ich sie schon sehr reizvoll.
Welche Rolle spielte das Zurich Film Festival in Ihrer Karriere?
Es hatte natürlich auch einen Impact: Am Anfang einer Karriere ist es wichtig, dass dein Film an Festivals läuft und einen Preis wie das Goldene Auge gewinnt. Die Kunde, dass ich 2017 am ZFF den Hauptpreis erhielt sowie später den Schweizer Filmpreis ist in die USA rübergeschwappt. Solche Preise wecken auf der anderen Seite des Atlantik Neugierde und führen dazu, dass sich die Produzenten deinen Film überhaupt einmal anschauen.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Premiere in Zürich?
Ich war sehr froh, dass ich den Leuten endlich meinen Film zeigen konnte, nachdem ich vier Jahre lang davon erzählte, woran ich arbeitete. Ich habe kurz vorher ein Baby bekommen und befand mich zwischen Wochenbett und Filmpremieren. Mein zwei Monate alter Sohn hat mich zum Glück sehr geerdet. Und natürlich fand ich es schön, als Stadtzürcherin, die im Kreis 3 aufgewachsen ist, mit meinem Film hier eine Premiere mit einem Schuss Glamour zu feiern.
Kannten Sie das ZFF schon?
Ja, als das erste Festival 2006 ausgetragen wurde, war ich gerade aus Berlin zurückgekehrt, wo ich studiert hatte. Ich fand es aufregend, dass es nun in Zürich auch ein Festival gibt und habe mich dann 2012 als Moderatorin beworben, so dass ich selber Filme wie «Transpapa» ansagen konnte. Toll war, dass ich dafür einen Festivalpass bekam und selber Filme schauen konnte. Ich habe damals schon gewusst, dass ich zum Film wollte.
Heute haben Sie keinen Zeit mehr für einen solchen Nebenjob?
Heute stehe ich an einem anderen Punkt und muss mich selber aufs Regieführen fokussieren.
Bald beginnt die 15. ZFF-Ausgabe, die letzte der Gründer Nadja Schildknecht und Karl Spoerri als operative Leiter.
Ich finde es super, was die beiden aufgebaut haben und finde es mega schade, dass sie aufhören. Karl habe ich ein wenig kennengelernt und finde es schön, dass er so zugänglich ist und man mit ihm diskutieren kann. Es gibt genug andere Festivaldirektoren, die unnahbar sind.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie Regisseurin werden wollen?
Als ich jung war, erschien Regisseurin als Beruf gar keine Option zu sein, diese Welt war zu weit weg. Ausserdem hat man immer nur vom Regisseur gesprochen. Als ich mit 15 vor der Berufswahl stand, lautete die Frage: Was braucht die Wirtschaft – vielleicht eine Krankenschwester? Aber eigentlich habe ich schon mit vier Jahren bei Metzenthin angefangen Theater zu spielen. Ich habe dann später selber Märchen umgeschrieben, neue Dialoge verfasst und jedem in meiner Klasse eine Rolle zugeordnet und mit ihnen geprobt. Ich habe also sehr früh Erfahrungen in Regie gesammelt, ohne Bewusstsein, dass ich mich gerade als Regisseurin betätigte. Später stiess ich als VJ zu Star-TV und machte dort viele Übersetzungen der Promo-Videos für Kinofilme. Bei «Snow White» durfte ich als VJ den Film begleiten und Regisseur Samir interviewen. Und allmählich begriff ich, dass die Filmwelt gar nicht mehr so weit weg ist.
Und dann beschlossen Sie, Regisseurin zu werden?
Ich habe dann zuerst die Schauspielschule angefangen und eine grössere Rolle mit 80 Drehtagen bei der Serie «Tag und Nacht» des Schweizer Fernsehens bekommen. Auf dem Set dachte ich: Eigentlich wäre ich jetzt lieber selber der Regisseur, als hier im Mini-Rock zu stehen. Ich hatte schon während der Schauspielschule angefangen Drehbuchkurse zu besuchen. Schliesslich wagte ich den Sprung an die ZHdK und studierte Regie.
Hatten Sie bei den Regisseurinnen Vorbilder?
Ja, Sofia Coppola, Julie Delpy und Andrea Arnold. Das sind Regisseurinnen, die tolle Filme machen.
Bald fliegen Sie wieder in die USA. Was tun Sie dort?
Ich drehe in Boston das Finale der zweiten Staffel von «Castle Rock», eine Serie nach Büchern von Stephen King. Da bin ich sechs Wochen engagiert, bin dann aber nicht auch noch beim Schnitt und bei der Vertonung dabei.
Wollen Sie nicht nach Los Angeles ziehen?
Meine Agenten machen keinen Druck, heutzutage spielt es keine Rolle mehr, wo man lebt und vielleicht ist es sogar für amerikanische Produzenten exotischer, eine Regisseurin zu engagieren, die in Europa lebt. Da mein Mann Dominik Locher auch schon ein Jahr in L.A. gelebt hat, würden wir vielleicht doch rübergehen, wenn es ein längeres Engagement für ein Projekt gäbe, das in Los Angeles gedreht wird. Wobei das Familienleben in der Schweiz schon sehr angenehm ist. Ich habe eigentlich keine Lust, die ganze Zeit im Auto zu verbringen und die Kinder von A nach B zu fahren.
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