Artikel28. Februar 2020

Mythos oder Wirklichkeit? 9 Fakten zum tatsachenbasierten Justizdrama «Just Mercy»

Mythos oder Wirklichkeit? 9 Fakten zum tatsachenbasierten Justizdrama «Just Mercy»

Jamie Foxx überzeugt zurzeit auf Grossleinwand als zu Unrecht verurteilter Sträfling Walter McMillian im auf wahren Ereignissen basierenden Justizdrama «Just Mercy». Wie viel von der Wirklichkeit tatsächlich im Film steckt, zeigen die nachfolgenden 9 Fakten.

Hinweis: Die folgenden Fakten verraten Plotdetails aus dem Film «Just Mercy».

Michael B. Jordan spielt in «Just Mercy» Bryan Stevenson, einen jungen Anwalt, den es nach seinem 1989 abgeschlossenen Harvard-Studium nach Alabama verschlägt, um sich zusammen mit der ortsansässigen Eva Ansley (Brie Larson) für all jene einzusetzen, die rechtliche Hilfe am dringendsten gebrauchen und sich diese oftmals nicht leisten können: Die verurteilten Häftlinge im Todestrakt.

Einer seiner Klienten ist der Afroamerikaner Walter McMillian (Jamie Foxx), der vom örtlichen Sheriff (Michael Harding) für den Mord an einer weissen Frau verurteilt wurde. Da der Sheriff schon seit einer Affäre McMillians mit einer weissen Frau hinter ihm her ist, vermutet der Anwalt rassistische Motive hinter der Verurteilung. Dies auch, da die einzige belastende Zeugenaussage vom Häftling Ralph Myers (Tim Blake Nelson) stammt, der im Gegenzug mit einer Straferleichterung davon kam.

1. Walter McMillian hatte wirklich eine Affäre mit einer weissen Frau.

Walter McMillian (links) und seine filmische Vertretung Jamie Foxx (rechts).
Walter McMillian (links) und seine filmische Vertretung Jamie Foxx (rechts). © 60 Minutes

Im Film ist der Grund für McMillians unhaltbare Anklage, dass er eine Affäre mit einer weissen Frau hatte. Auch im echten Leben war der neunfache Vater, der sich mit zwei Jobs über Wasser hielt, in seiner Gemeinde bekannt dafür, eine andauernde aussereheliche Affären mit einer weissen Frau namens Karen Kelly gehabt zu haben. Ebenfalls hat einer seiner Söhne eine weisse Frau geheiratet.

Der einzige Grund, warum ich hier bin, ist, dass ich mit einer weissen Frau rumgespielt habe und mein Sohn eine weisse Frau geheiratet hat.– McMillian in einem Gefängsnisinterview

Sowohl Walter McMillian wie auch sein früherer Anwalt J. L. Chestnut waren der Meinung, dass die Affäre mit Karen Kelly der Grund für die Verurteilung war, da er durch die Liaison mit ihr gegen die rassistischen und sexuellen Tabus der Kleinstadt Alabama verstiess.

2. Es gab diverse Zeugen, die die Unschuld von Walter McMillian beteuerten.

In «Just Mercy» bezeugen mehrere Familienmitglieder McMillians, am Morgen des Mordes Zeit mit ihm verbracht zu haben. Auch in der Wirklichkeit sah es nicht viel anders aus: Während Ronda Morrison am Morgen des 1. Novembers 1986 bei Jackson’s Cleaners erschossen wurde, veranstalteten Walter und Minnie McMillian ein Essen bei sich zu Hause, um neue Mitglieder für ihre Kirchgemeinde zu rekrutieren. Walter war an diesem Morgen von Dutzenden von Zeugen umgeben, die alle im Gericht für ihn aussagten – jedoch ohne Erfolg.

3. McMillian wurde schon vor seiner gerichtlichen Anhörung in den Todestrakt gesperrt.

McMillian (Jamie Foxx) und Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) in «Just Mercy» (2019).
McMillian (Jamie Foxx) und Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) in «Just Mercy» (2019). © IMDb

Walter Jamie Foxx alias Walter McMillian erzählt im Film, dass er bereits ein Jahr vor seinem Prozess in den Todestrakt gesperrt wurde, was den wahren Tatsachen entspricht: Schon kurz nach der Verhaftung von McMillian wurde dieser – ohne vorgängige Verurteilung – in die Todeszelle im Holman State Prison in Atmore, Alabama gebracht. Weiter verlegte der vorsitzende Richter seine Anhörung von Monroe County, wo 40 Prozent Afro-Amerikaner in der Jury sassen, nach Baldwin County, wo nur noch 13 Prozent der Jury-Mitglieder dunkelhäutig waren: Die Jury für Walters Anhörung war bis auf eine Person kaukasischer Abstammung.

Diese Jury befand McMillian am 17. August 1988 nach nur anderthalb Tagen für schuldig und einigte sich auf eine lebenslängliche Haftstrafe. Das Urteil wurde jedoch vom vorsitzenden Richter Robert E. Lee Key Jr. ausser Kraft gesetzt, er erhob die Höchststrafe: Verurteilung zum Tod.

4. Es gab keine Beweise, die McMillian mit dem Mord in Verbindung brachten.

Auf der Leinwand wie auch im echten Leben lagen weder physische Beweise vor, noch gab es ein Motiv, welches Walter McMillian mit dem Mord an der 18-Jährigen in Verbindung brachten. Die komplette Geschichte rund um die Schuld von McMillian war von der örtlichen Polizei erfunden worden – der Mordfall an Kelly wurde bis zum heutigen Zeitpunkt nicht aufgeklärt.

5. Es war nicht nur Ralph Myers Aussage die zum Urteil führte.

Ralph Myers (links) wird im Spiel von Tim Blake Nelson (rechts) gespielt.
Ralph Myers (links) wird im Spiel von Tim Blake Nelson (rechts) gespielt. © 60 Minutes, IMDb

Myers wird im Justizdrama als einziger Zeuge genannt, durch welchen McMillian schliesslich in Haft landete. Belegt sind jedoch noch drei weitere Zeugen, die etwas gesehen haben wollen. Die Schuldsprechung beruhte aber grösstenteils auf der Zeugenaussage von Ralph Myers. Dieser gab nach einer Woche des Verhörs an, am besagten Morgen des 1. Novembers 1986 zusammen mit McMillian in seinem Truck zur chemischen Reinigung gefahren zu sein, wo er mit eigenen Augen gesehen habe, wie Walter Ronda Morrison ermordet habe.

Er selbst bekannte sich als Verschwörer des Mordes schuldig, was ihm letztlich jedoch in einem anderen Fall zu einer Strafminderung verhalf. Ein weiterer Verbrecher sagte aus, McMillians tiefergelegten Truck am Tatort gesehen zu haben – gemäss Aussage eines Mechanikers wurde dieser jedoch erst sechs Monate nach der Tat tiefergelegt.

6. McMillian war nicht ganz so unschuldig, wie er dargestellt wird.

Walter McMillians war nie im Gefängnis und liess sich nichts zu Schulden kommen: Sein einziges Vergehen in «Just Mercy» war, dass er eine aussereheliche Affäre mit einer weissen Frau hatte. Im echten Leben war Walter McMillian bis zum Zeitpunkt des ihm angehängten Mordes zwar nie im Gefängnis, und das einzige Vergehen, das in seiner Akte festgehalten wurde, war ein Kneipenkampf, in den er verwickelt war.

Dennoch wird im Film nicht alles über McMillian preisgegeben: Neben der ausserehelichen Affäre mit Karen Kelly verbrachte Walter die Wochenenden in Nachtclubs und war als Marihuana-Händler im kleinen Stil tätig. Dennoch deutet keiner dieser Sachverhalte auf den Mord hin – der Film hat lediglich seiner Persönlichkeit einige Ecken und Kanten genommen.

7. Der Gefängniswärter durchlief tatsächlich einen Sinneswandel.

Der Sinneswandel fand nicht wie im Film statt, als Bryan Stevenson Walter McMillian im Todestrakt traf. Dennoch gab es ihn auch in Wirklichkeit: Umgestimmt wurde der hellhäutige Gefängniswärter, als er hörte, wie Stevenson dem Gericht über einen schrecklichen Missbrauch seines Klienten, einem ehemaligen Pflegekind, erzählte – ein Erlebnis, das der Wachmann als ehemaliges Pflegekind nachvollziehen konnte. Stevenson war zu dieser Zeit bei einem weiteren Klienten in einem anderen Gefängnis zu Besuch.

8. Die Figur von Brie Larson alias Eva Ansley wird im Film realitätsgetreu dargestellt.

Eva Ansley (links) wird im Film von Brie Larson (rechts) dargestellt.
Eva Ansley (links) wird im Film von Brie Larson (rechts) dargestellt. © eji

Das Drama stellt die Rolle von Eva Ansley, die sie bei der Unterstützung von Bryan Stevenson in McMillians Fall als auch ihre Rolle bei der Equal Justice Initiative, die sie 1989 zusammen mit Stevenson gründete, ziemlich genau dar: Bis heute arbeiten sie und Bryan eng zusammen. Obwohl Ansley keine Anwältin ist, hilft sie bei der Koordinierung der Rechtsberatung für Arme und arbeitet daran, Todeskandidaten und Anwälte zusammenzubringen.

9. Nicht nur die Tonbandaufnahmen widerlegten McMillians Schuld.

Während des Films wird McMillian aufgrund der revidierten Zeugenaussage Myers freigelassen. Auch dies geschah in der Realität so – jedoch kommen noch weitere Handlungen dazu: Bryan Stevenson legte die den bisherigen Anwälten von McMillian vorenthaltenen Beweise vor, die die Aussagen der Zeugen als Lüge enthüllten, und konnte so die Freilassung von McMillian nach sechs Jahren in Alabamas Todestrakt bewirken.

Drei der Zeugen widerriefen ihre Aussage, und Ralph Myers gestand – wie auch im Film so dargestellt –, dass er von Beamten gezwungen wurde, eine Falschaussage gegen McMillian zu machen. Er selbst hatte der Polizei bei seiner ersten Verhörung gesagt, dass er weder Kenntnisse von McMillians Beteiligung am Mord habe, noch ihn kenne, was alles auf einem Tonband aufgezeichnet wurde.

Die Aussagen der beiden Zeugen, die behaupteten, McMillians Low-Ride-Truck am Tatort gesehen zu haben, wurden diskreditiert, als Bryan Stevenson durch die Aussage eines Mechanikers beweisen konnte, dass der Truck erst sechs Monate nach dem Mord in einen Low-Rider umgewandelt wurde. Diese Informationen wurden dem Zuschauer in «Just Mercy» vorenthalten.

Und so ging es für die Beteiligten nach der Freilassung weiter:

Nach der Haftentlassung reichte McMillian eine Zivilklage gegen lokale und staatliche Beamte ein, die an den Mordermittlungen beteiligt waren und so zu dem ihm angetanen Unrecht führten: Die Klage gegen Sheriff Tom Tate wurde beim Obersten Gerichtshof angefochten und zu Tates Gunsten entschieden. Die Klagen gegen den Staatsanwalt Larry Ikner und den Ermittler des Alabama Bureau of Investigation wurden beigelegt.

Walter McMillian starb 2013 im Alter von 71 Jahren und erholte sich bis zu seinem Tod nicht von den Jahren im Todestrakt in Alabama.

Bryan Stevenson und Eva Ansley arbeiten noch heute zusammen im eji (Equal Justice Initiative) und setzen sich für die Gefangenen im Todestrakt ein. 2015 konnten sie so die Freilassung von Walter McMillians Zellennachbar Anthony Ray Hinton erwirken, der 30 Jahre unschuldig im Todestrakt sass.

Weitere Details erfahrt ihr im Beitrag von 60 Minutes zum Fall Walter McMillian.

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