Kritik13. Dezember 2019 Noëlle Tschudi
Netflix-Kritik «6 Underground»: Hochtouriger Actionparcours mit Ryan Reynolds
Michael Bay lässt es mal wieder krachen. Für Netflix tobt sich der Kopf hinter dem «Transformers»-Franchise nach Belieben aus und schickt eine bunt zusammengewürfelte Retter-Truppe in ein bewusst überkandideltes Selbstjustiz-Abenteuer.
Kritik von Christopher Diekhaus
Dass sich Bay in schweißtreibenden Verfolgungs- und Kampfsequenzen am wohlsten fühlt, merkt man dem Auftakt seiner neuen Regiearbeit deutlich an. Bei einer nicht enden wollenden halsbrecherischen Hetzjagd durch Florenz lässt er dem Zuschauer fast keine Luft zum Atmen. Das schnell geschnittene Wechselspiel aus Überblicksbildern, Hypernahaufnahmen und Zeitlupen greift die Sinne direkt an, ist aber – so kennt man Bay – etwas zu krampfhaft um Coolness bemüht.
«6 Underground» will nichts anderes als Fast-Food-Entertainment sein, hätte dennoch zumindest einen Hauch Substanz vertragen können.
Auf der Flucht vor unzähligen fiesen Handlangern befinden sich ein geheimnisvoller Tech-Milliardär (Ryan Reynolds), der sich bloß One nennt, und seine ebenfalls mit Nummern bedachten Mitstreiter (unter anderem Mélanie Laurent und Manuel Garcia-Rulfo), die ihn im Kampf gegen das Böse in der Welt unterstützen. Um ihre gefährlichen Missionen bestmöglich durchführen zu können, haben die Vigilanten ihren Tod vorgetäuscht.
Als Geister, so betont es ihr Anführer, wollen sie nun effektiv aus dem Verborgenen zuschlagen. Ins Visier nimmt die aus unterschiedlichen Erdteilen stammende Söldnertruppe den grausamen Diktator (Lior Raz) des fiktiven Landes Turgistan, dessen Angewohnheit, die eigene Bevölkerung mit Giftgas zu bombardieren, allerdings verdächtig an den syrischen Autokraten Assad erinnert.
In den meisten Fällen ist das Recyceln des zynisch-augenzwinkernden «Deadpool»-Humors ermüdend.
«6 Underground» will nichts anderes als Fast-Food-Entertainment sein, hätte dennoch zumindest einen Hauch Substanz vertragen können. Die Drehbuchautoren Rhett Reese und Paul Wernick, die Hauptdarsteller Ryan Reynolds bereits die beiden Abenteuer des Marvel-Antihelden Deadpool auf den Leib schrieben, schicken den in Kanada geborenen Hollywood-Star hier durch eine ebenso dämliche wie löchrige Handlung mit betont ironischem Anstrich. Ab und an kann man über einen der anspielungswütigen Sprüche lachen. In den meisten Fällen ist das Recyceln des zynisch-augenzwinkernden «Deadpool»-Humors aber einfach nur ermüdend.
Fans abgedrehter Action-Einlagen bekommen sicher einiges geboten. Hinter den schicken Oberflächenreizen scheinen allerdings viele fragwürdige Elemente durch. Staatliches Handeln wird in «6 Underground» mit Verachtung überzogen. Selbstjustiz preist der Film als sinnvollen Ausweg an. Die psychopathischen Züge der Hauptfiguren, die auf ihren Schießtouren zahlreiche Kollateralschäden in Kauf nehmen, werden weggelacht. Und das reale Flüchtlingsleid im Nahen und Mittleren Osten dient lediglich als billige Staffage, um das brachiale Vorgehen von One und seiner Crew zu rechtfertigen.
Für ein Stirnrunzeln sorgt auch die Inkonsequenz bei der Vorstellung der Protagonisten. Während einige wenigstens einen Fetzen an Backstory erhalten, bleiben bei anderen die Hintergründe gänzlich nebulös. Da der comichaft überzeichnete Adrenalinstreifen als Startschuss für eine neue Actionreihe dienen könnte, mag dies vielleicht beabsichtigt sein. Unbeholfen wirkt es trotzdem.
2 von 5 ★
«6 Underground» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.
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