Kritik20. Juni 2023 Cineman Redaktion
Netflix-Kritik «Black Mirror»: Eine Tour durch Staffel 6
Die Serie «Black Mirror» kehrt für eine sechste Staffel zu Netflix zurück und bietet die Gelegenheit, sich in den erschreckenden Dystopien und verdrehten Happy-Ends dieser Anthologie-Serie zu verlieren. In unserer Kritik haben wir alle Folgen der 6. Staffel unter die Lupe genommen.
von Kilian Junker
«Black Mirror», eines der besten Pferde im Netflix-Stall, geht in die sechste Runde. Die Serie wurde von Charlie Brooker für das britische Fernsehen entwickelt und ging 2016 in die Hände des amerikanischen Streaming-Giganten über. Obwohl der ursprüngliche Schöpfer immer noch das Ruder über die Anthologie-Serie in der Hand hält, die die Schrecken unserer ultravernetzten Gesellschaft erforscht, liess die Begeisterung von Kritik und Publikum von Staffel zu Staffel nach. Wie sieht es nun mit den fünf Episoden der sechsten Staffel aus? Wir haben alle Antworten für dich, garantiert spoilerfrei!
Episode 1: «Joan is Awful»
Joan lebt ihr banales Leben, hin- und hergerissen zwischen zahlreichen Sorgen: die Versuchung eines Seitensprungs, ein komplizierter Job, ein Eheleben, das in die Brüche geht... Als Joan nach einem anstrengenden Tag auf die Couch sinkt, ahnt sie nicht, dass sie gleich eine Serie über ihr eigenes Leben auf ihrem Lieblingsstreamingdienst sehen wird...
Der erste Teil der Episode ist eine zähe Angelegenheit, die zwar von ihrer hervorragenden Prämisse profitiert, aber zwischen einer kaum vorhandenen Inszenierung und einer unverdaulichen Redundanz zusammenbricht. Schlimmer noch, die Episode schildert die Strategie eines Dienstes namens Streamberry (eine fiktionale Kopie von Netflix) mit einem fast ekelerregenden Zynismus von innen heraus: eine Streaming-Giga-Struktur, die das Leben ihrer User aussaugt, um ultrapersonalisierte Inhalte zu erstellen. Spannende Idee, lauwarme Selbstkritik, misslungene Umsetzung. Schade...
Episode 2: «Loch Henry»
Die zweite Episode handelt wie die erste vom Netflix-Alias Streamberry. Ein Paar, das in seine Heimat zurückkehrt, beschliesst, einen True-Crime-Dokumentarfilm über einen Mörder aus der Region zu drehen. Zu ihrem Unglück werden sie dabei in einen Abgrund des Schreckens gestürzt.
«Loch Henry» ist eine zweigeteilte Episode, die gleichzeitig auf die Anziehungskraft der zahlreichen Dokumentationen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, hinweist und ein Abbild dieser Sendungen erstellen will. Der Unterschied besteht darin, dass das Interesse an True Crime hier durch den fiktionalen Charakter von «Loch Henry» verwässert wird. Die Folge ist jedoch visuell einprägsamer als «Joan is Awful.»
Episode 3: «Beyond the Sea»
Zwei Raumfahrer können sich von ihrer Station aus auf der Erde mit äusserst realistischen Roboter-Avataren verbinden, um Tausende von Kilometern entfernt ein fast normales Familienleben zu geniessen. Als einer der beiden in Versuchung gerät, den Avatar des anderen zu testen, eskaliert die Situation.
Die Science-Fiction-Episode «Beyond the Sea» erzeugt eine stimmige Atmosphäre, die trotz einiger Längen (mit 1 Stunde und 20 Minuten ist es die längste Episode der Staffel) zu einer gelungenen Erzählung führt. Man wird weder von der recht konventionellen Erzählweise noch von dem relativ harmlosen Drehbuch vom Hocker gerissen, aber es macht trotzdem Spass, Aaron Paul (an der Seite von Josh Harnett) nach seinem Erfolg in «Breaking Bad» wiederzusehen.
Episode 4: «Mazey Day»
Eine Paparazzo-Fotografin steigt wieder ins Geschäft ein, als ein Rekordangebot auftaucht: 30.000 Dollar für ein Foto einer Schauspielerin, die nach einer Fahrerflucht mit anschliessendem Mord verschwunden ist. Die Fotografin ist dem Starlet auf den Fersen, muss aber bald eine herbe Enttäuschung hinnehmen...
«Mazey Day» ist das kürzeste Segment der sechsten Staffel und ein reines Horrorspektakel. Wir können an dieser Stelle nicht auf das Thema eingehen, ohne zu spoilern, aber die Geschichte erfindet das Genre, in dem sie angesiedelt ist, nicht neu. Die Episode ist banal und manchmal etwas zu zaghaft mit ihren Gore-Effekten und fällt innerhalb der Staffel aus der Reihe. Vielleicht wäre die Folge in der Anthologie «Guillermo del Toro's Cabinet of Curiosities», die vor einigen Monaten erschienen ist, besser aufgehoben gewesen?
Episode 5: «Demon 79»
In dieser letzten Folge begleiten wir Nida, eine Schuhverkäuferin, die sich bei ihrer Arbeit schrecklich langweilt. Schlimmer noch, ihr Alltag wird bald durch den zunehmenden Rassismus in ihrer kleinen englischen Stadt erschüttert, was sie noch mehr in ihrer Einsamkeit gefangen hält. Doch als sie im Keller ihres Ladens eine seltsame Rune entdeckt, kommt sie in Kontakt mit einem bösartigen Dämon, der drei Menschenopfer von ihr verlangt.
«Demon 79» knackt ebenfalls die 60-Minuten-Marke und ist zweifellos die temporeichste Episode, vor allem dank ihrer Seventies-Playlist. Die Folge ist voll von schwarzem Humor und besticht durch ihre nächtliche Atmosphäre, ihr körniges Bild und ihre überraschenden Brüche im Tonfall. Die Episode wird von einem perfekten Schauspielerduo präsentiert und bildet den Höhepunkt der sechsten Staffel.
Alles in allem ist die neueste Ausgabe von «Black Mirror» nicht in der Lage, den Abwärtstrend zu stoppen, den die Serie seit der vierten Staffel eingeschlagen hat. Die Staffel enthält zwar einige wirklich spannende Entdeckungen, aber es scheint, als würde ihre DNA als Serie mit Blick in die Zukunft immer mehr durch banale Geschichten ohne wirkliche Linie verwässert werden. Ist es an der Zeit, dass Charlie Brooker (der für jede Episode als Drehbuchautor fungiert) das Ruder aus der Hand gibt und sich, wie die letzten beiden Episoden dieser Staffel andeuten, in Richtung einer reinen Horror-Anthologie bewegt?
Verfügbar auf Netflix
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