Kritik5. Juli 2024 Cineman Redaktion
Netflix-Kritik: «Der Imaginäre»: Auf den Spuren von Studio Ghibli
«Der Imaginäre», produziert von den Erben des Studio Ghibli, setzt unsere imaginären Freund:innen in den Mittelpunkt. Der japanische Animationsfilm wurde Anfang Juni am Annecy Festival präsentiert und findet nun seinen Weg zu Netflix. Wir verraten dir, was dich in der Welt der Fantasie erwartet.
von Laurine Chiarini; übersetzt aus dem Französischen
Nach genau 3 Monaten, 3 Wochen und 3 Tagen: Das ist der Moment, in dem der junge Rudger im Kopf seiner besten Freundin Amanda erschaffen wird – von da an sind die beiden unzertrennlich. Eines Tages taucht der unheimliche Bunting im Buchladen der Familie auf. Um zu überleben, ernährt er sich von den imaginären Freunden der Menschen. Bei dem verzweifelten Versuch, ihren Freund zu retten, wird Amanda verletzt und landet im Krankenhaus. Für Rudger beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, denn sein Überleben hängt von dem seiner Schöpferin ab.
Verbunden für immer und ewig – das ist der Schwur zwischen Rudger und Amanda. Der kleine Junge hat jedoch einen grossen Nachteil: Da er nur in Amandas Fantasie existiert, können die anderen Menschen ihn nicht sehen und glauben daher nicht an seine Existenz. Der Film ist eine schöne Gegenbewegung zu "sehen, um zu glauben" und zeigt, wie man stattdessen erst an etwas glauben muss, um es sehen zu können. Die imaginären Gefährt:innen leben in einer Bibliothek, umgeben von Leser:innen, aber für das menschliche Auge unsichtbar, und führen ihr eigenes Leben in Landschaften, die sich jeden Tag mit den Geschichten auf den Seiten der Bücher verändern.
Die Zeichnungen, die aus der Feder der Animator:innen von Studio Ponoc, dem kleinen Bruder von Studio Ghibli, stammen, werden Anime-Fans und Freund:innen des grossen Hayao Miyazaki mit Sicherheit begeistern. «Der Imaginäre» basiert auf A. F. Harrolds Kinderbuch «The Imaginary», das 2015 veröffentlicht wurde. Die Geschichte ist jedoch kein nostalgisches Plädoyer für eine Rückkehr in die Kindheit. Genau wie ihre menschlichen Erfinder:innen haben auch unsere imaginären Freund:innen ein Recht auf die Anerkennung ihrer eigenen Existenz, auf ihren Platz unter uns. Für ein Kind ist es völlig normal, sich mit imaginären Freund:innen zu unterhalten. Bei einem Erwachsenen hingegen besteht die Gefahr, dass sein Geisteszustand in Frage gestellt wird. Doch das muss nicht sein, sagt uns der Film. Jede Freundschaft ist wertvoll, sowohl unter den Lebenden als auch unter den Imaginierten.
3 von 5 ★
«Der Imaginäre» ist seit dem 5. Juli auf Netflix verfügbar.
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