Kritik1. Februar 2019 Noëlle Tschudi
Netflix-Kritik «Die Kunst des toten Mannes»: Satire trifft auf blutige Horror-Elemente
«Roman J. Israel, Esq.»-Regisseur Dan Gilroy lässt sein neuestes Werk in der Kunst-Szene von Los Angeles spielen und liefert mit «Die Kunst des toten Mannes» nicht nur seine erste Netflix-Produktion, sondern auch ein Genre-Experiment mit einem überraschenden Umschwung ins Schaurige ab.
Netflix-Kritik von Christopher Diekhaus
„Kein Tod, keine Kunst“ – rückblickend wirkt das Tattoo, das die knallharte Galeristin Rhodora Haze (Rene Russo) auf ihrem Unterarm trägt, wie ein böses Omen. Als ihre Mitarbeiterin Josephina (Zawe Ashton) durch Zufall über die Leiche eines Nachbarn stolpert, stößt sie in dessen Wohnung auf zahlreiche von ihm selbst gemalte Bilder mit einer geheimnisvoll-abgründigen Aura. Die junge Frau nimmt die Werke, die auf Wunsch des Verstorbenen eigentlich vernichtet werden sollen, an sich und lässt sich nur wenig später als Entdeckerin eines ungehobenen Schatzes feiern.
Dan Gilroy trommelt für seine Netflix-Arbeit «Die Kunst des toten Mannes» mit Jake Gyllenhaal und Rene Russo erneut die beiden Stars aus seinem fiebrigen Thriller «Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis» zusammen und setzt dem Zuschauer eine sarkastische, auf eigenwillige Weise unterhaltsame Schauergeschichte vor.
Die Kunstwelt von Los Angeles steht Kopf, und gemeinsam mit ihrer Chefin will Josephina den Fund veredeln. Großes Interesse für die seltsam faszinierenden Gemälde zeigen auch ihr Liebhaber, der spitzzüngige Profi-Kritiker Morf Vandewalt (Jake Gyllenhaal), Rhodoras Konkurrent Jon Dondon (Tom Sturridge) und die für reiche Kunden tätige Kunstberaterin Gretchen (Toni Collette). Jeder möchte sich ein Stück vom Kuchen sichern. Doch niemand ahnt, dass die – wahrlich schaurig aussehenden – Bilder ein tödliches Eigenleben führen.
Gilroys beissende Kritik galt in der satirisch aufgeladenen Soziopathen-Studie «Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis» dem alltäglichen Voyeurismus, der Sensationsgier der Medien und einer pervertierten Form des amerikanischen Aufsteigertraums. Eine ätzende, ironische Haltung zieht sich auch durch seine erste Netflix-Produktion, wobei sich die Attacke dieses Mal gegen die Oberflächlichkeit und die kommerzielle Ausbeutung innerhalb des Kunstbetriebs richtet. Von den ersten Szenen an entführt uns der Film in ein elitäres Umfeld, in dem sich Opportunisten, Speichellecker, arrogante Snobs und eiskalte Kapitalisten tummeln. Handlungsorte sind schicke, luxuriös ausgestattete Galerien, Büros, Ateliers und Privatdomizile, die Kameramann Robert Elswit in hellen, gestochen klaren, fast ein wenig surreal wirkenden Bildern einfängt.
Vorwerfen kann man dem Regisseur ohne Frage, dass er sich für seinen zynischen Rundumschlag ein denkbar leichtes Ziel aussucht und in seinen Pointen oft nicht über die Banalität der kritisch aufgespiessten Welt hinauskommt. Manche Spitzen – etwa ein bluttriefendes Mordopfer, das Museumsbesucher als Teil einer Installation begreifen – sind in ihrer Einfachheit aber dennoch herrlich amüsant.
Einen eigenwilligen Unterhaltungswert entwickelt «Die Kunst des toten Mannes» nicht nur wegen der beinahe durchweg lustvoll expressiv aufspielenden Darsteller, unter denen Gyllenhaal als affektierter, alles und jeden beurteilender Kritiker und Russo als diabolische, knallharte Geschäftsfrau hervorstechen. Spannend und durchaus überraschend ist auch der Horror-Dreh, den die recht simpel gestrickte Geschichte bereits im ersten Drittel nimmt. Ein mörderischer Fluch. Haustiere, die urplötzlich ins Bild springen. Ein Toter mit einer unheimlichen Vorgeschichte. Gruselige Puppen, flackernde Lichter, Ausflüge in den knalligen Splatter-Bereich und eine regelmässig bedrohlich anschwellende Tonspur. Gilroy zieht alle möglichen Gruselregister und schafft es trotz beherzter Griffe in die Klischeekiste und seiner nicht gerade sympathischen Figuren, die Aufmerksamkeit des Genre-Experimenten zugeneigten Betrachters zu gewinnen.
3.5 von 5 ★
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