Kritik14. Oktober 2019 Irina Blum
Netflix-Kritik: Die zweite Staffel von «Plan Coeur» verzettelt sich mit der Amour Fou
«Dark» aus Deutschland, «Sex Education» aus England: Das Potential von europäischen Produktionen hat Netflix in der Vergangenheit eindrücklich bewiesen. Dass «Plan Coeur» definitiv nicht zu dieser Riege zählt, manifestiert sich spätestens mit der zweiten Staffel zur ersten französischen Sitcom des Streaming-Dienstes, die sich in den Irrungen und Wirrungen der Liebe verzettelt.
Die folgende Kritik enthält Spoiler zur ersten Staffel von «Plan Coeur».
Nachdem Elsa (Zita Hanrot) am Ende der ersten Staffel von ihren zwei besten Freundinnen Charlotte (Sabrina Ouazani) und Emilie (Joséphine Draï) Abstand genommen hat, weil diese sie nach einer tragischen Trennung von ihrer grossen Liebe mit dem Callboy Julio (Marc Ruchmann) verkuppeln wollten, flüchtet Elsa offiziell für vier Monate nach Buenos Aires, unterfüttert mit sparsam veröffentlichten Instagram-Posts, in welchen sie angeblich die Hotspots der argentinischen Hauptstadt abklappert.
Insgeheim jedoch hat sie es sich in ihrer Pariser Wohnung an der "rue de Buenos Aires" gemütlich eingerichtet und die Zeit mit Julio genossen, der für seine neue Freundin seinen unkonventionellen Job an den Nagel gehängt hat und seither versucht, im Musikbusiness Fuss zu fassen.
Nun ist ihre selbstauferlegte Auszeit von der Clique vorbei, und Elsa sieht ihre neue Anstellung bei einer Stiftung als Anlass, mit ihren Freundinnen Kontakt aufzunehmen. Während sie jedoch Charlotte und Emilie ihre Beziehung zu Julio sowie die Tatsache, dass sie nie einen Fuss auf argentinischen Boden gesetzt hat, verschweigt, beteuert sie Julio, dass sie jeglichen Kontakt zu den beiden abgebrochen hat.
Froh, ihre beste Freundin zurück zu haben, kommen die beruflich unerfolgreiche Charlotte und die mit ihrem Baby gelangweilte Emilie auf die Idee, Elsa wieder mit ihrem Ex Max (Guillaume Labbé) zu verkuppeln, der die ganzen Ereignisse in Staffel 1 überhaupt ins Rollen gebracht hat. Natürlich geht das – wir befinden uns hier in der Realität einer Sitcom – nicht lange gut, schon bald verstreitet sich Elsa sowohl mit ihren Freundinnen als auch Julio, der sich gegenüber ihrer Pariser Clique schlicht benachteiligt fühlt.
Es scheint fast, als hätten sich die Macher Chris Lang und Noémie Saglio ans Motto "Am Ende wird alles gut – wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende" gehaftet. Während die erste Staffel mit einer relativ simplen Prämisse gearbeitet hat, verstrickt sich Elsa in der zweiten Staffel, die wohl das Konzept der ersten kopieren wollte, jedoch deutlich weniger spontan daherkommt, ständig in neue Lügenkonstrukte und rennt von einem Problem zum nächsten, es tun sich neue Nebengeschichten – Ehekrisen, Jobaufträge, neu aufgewärmte Liebesgeschichten – auf, die jedoch allesamt nur oberflächlich angerissen werden.
Schlimmer noch als das ganze Hickhack im Drehbuch ist jedoch, dass die Motivation der Figuren nicht wirklich nachvollziehbar wird: In der einen Minute ist Elsa Feuer und Flamme, in der nächsten gibt sie sich seltsam distanziert, mal ist die grosse Versöhnung angesagt, schon kommt wieder die nächste Intrige – und kein Mensch weiss, wieso. So verschenkt «Plan Coeur» auch viel, was den für eine Sitcom so essentiellen Humor der Serie angeht: Weil gewisse Szenen ziemlich abstrus wirken, zünden eine Menge Gags nicht so, wie sie das vielleicht hätten tun können.
Gewisse Schönheitsfehler konnte man – auch dank dem Cast, der der Serie einen sympathischen Stempel aufgedrückt hat – der letzten Staffel noch locker verzeihen, in den neuen Folgen ist das Ganze aber etwas zu viel des Guten. Das ist schade, hätte man doch mit der gut aufgelegten Besetzung und Paris als Hauptstadt ordentlich Potential gehabt, der Generation Y mit dem Witz und Charme aus der ersten Staffel auf den Puls zu fühlen.
2.5 von 5 ★
Die zweite Staffel von «Plan Coeur» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.
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