Kritik4. Januar 2022 Nicole Janssen
Netflix-Kritik «Don’t Look Up»: Kapitalismus an die Macht – Absurd oder Real?
«Don’t Look Up» ist kein klassischer Katastrophenfilm. Der Film ist bestückt mit Charakteren, die sich in Sache Absurdität kaum übertreffen könnten. Adam McKays 143 Minuten lange Mediensatire ist kritisch, pessimistisch, laut und treffend. Definitiv kein Popcorn-Kino, sondern ein Film, der tief berührt und zum nachdenken anregen soll.
Filmkritik von Nicole Janssen
Die Studentin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) entdeckt einen Kometen in der Umlaufbahn. Sie informiert unverzüglich ihren Professor, den Astronom Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio). Nach gemeinsamen Berechnungen ist es klar, der Komet wird in 6 Monaten auf der Erde einschlagen. Dank des hochrangigen Beamten des Weissen Hauses, Dr. Oglethorpes (Rob Morgan) werden sie nach Washington eingeflogen, um Orlean, die Präsidentin der Vereinigten Staaten (Meryl Streep) über die Faktizität aufzuklären. Zum Erstaunen der Forschenden (und auch der Zuschauer), interessiert es weder die Präsidentin, noch ihren schleimigen Stabschef und Sohn Jason (Jonah Hill) oder sonst jemanden.
Wie würde man selbst in so einer Aussichtslosigkeit reagieren?
Sogar Kates Freund, ein renommierter Journalist, stellt sich gegen sie nach einem verzweifelten Versuch der Gruppe, die Öffentlichkeit durch einen Auftritt in der Morningshow «The Daily Rep» über die bevorstehenden Ereignisse zu informieren. Alles andere als gediegen kämpfen die Studentin und ihr Professor um jedes Fünkchen Aufmerksamkeit, um den Planeten zu retten. Diese Versuche wirken zunächst absurd: Die Verzweiflung, Trauer und Wut in ihrer Hilflosigkeit wird von Mal zu Mal extremer – wer mag es ihnen verübeln? Wie würde man selbst in so einer Aussichtslosigkeit reagieren? Zu allem Übel kommt dann Geldgier mit ins Spiel – Mark Rylance inszeniert einen Steve-Jobs-ähnlichen Geschäftsmann mit seinem billionenschweren Unternehmen «Bash». Dieser schliesst sich mit der Präsidentin zusammen, um aus dem Kometen seltene und wertvolle Rohstoffe zu gewinnen.
Auch die Spaltung derer, die schnell handeln wollen und den Leugnern, sowie dem Anzweifeln wissenschaftlicher Erkenntnisse, sollte uns mehr als bekannt erscheinen.
Adam McKays (Autor und Regisseur von «The Big Short») 143 Minuten lange Mediensatire ist vieles: Neben einigen sehr guten Szenen, aber oft allzu stereotypisch und vor allem pessimistisch. Erschreckend ist der Umgang der Politik mit dem nahenden Weltende. Auch wenn der Film noch vor der Coronapandemie fertiggestellt wurde, weist er simultane Verhaltensweisen hinsichtlich dem Umgang mit Corona oder der Strategie gegen den Klimawandel auf. Auch die Spaltung derer, die schnell handeln wollen, und den Leugnern sowie dem Anzweifeln wissenschaftlicher Erkenntnisse sollte uns mehr als bekannt erscheinen.
Die Ironie geht jedoch weiter: Der Film wirbt mit umwerfender Starbesetzung und man könnte durchaus enttäuscht von der Story sein, jedoch zielt er nicht darauf ab. So wie Kate und Randall weniger Relevanz neben der medial begleiteten Trennung von Sängerin Riley Bina (Ariana Grande) erleben, wird auch vom Zuschauer die Besetzung über den Mahnruf des Films gestellt – eine Parallele zur Realität.
Eine solide Story, bestückt mit Charakteren, die sich in Sache Absurdität kaum übertreffen könnten, und der grossen Frage, welches Ende wir wählen würden: Wollen wir aktiv werden, weniger auf Kapitalismus setzen und mehr auf das Überleben der Menschheit und des Planeten? Und was sind wir bereit, dafür zu tun?
4 von 5 ★
«Don’t Look Up» ist ab sofort auf Netflix verfügbar.
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