Kritik10. Oktober 2024

Netflix-Kritik: «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft»: Die modernste Lara Croft aller Zeiten?

Netflix-Kritik: «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft»: Die modernste Lara Croft aller Zeiten?
© 2024 Netflix, Inc.

1996 erschien das erste «Tomb Raider»-Spiel, dem weitere 18 Games und 3 Verfilmungen folgten. Jetzt steht die erste animierte Adaption im Serienformat an. Mit «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft» begibt sich Netflix in den Konkurrenzkampf, denn auch Amazon plant eine eigene Serie. Doch was kann man von der Abenteurerin im Jahr 2024 genau erwarten? Wir haben für dich reingeschaut!

von Michael Gasch

Lara Croft findet bei einer abenteuerlichen Expedition mit ihrem Onkel ein sagenumwobenes, mystisches Artefakt. Nachdem dieser nicht viel später umkommt, fällt Lara in ein tiefes Loch aus Verzweiflung. Drei Jahre später wird sie von der Vergangenheit und eben jenem Artefakt eingeholt. Es ist der Anfang eines noch viel grösseren Unterfangens, bei dem die ganze Welt auf dem Spiel steht. Mit ihren Freunden Jonah und Zip stellt sie sich einem mysteriösen Unbekannten entgegen und setzt alles daran, grösseres Unheil zu verhindern.

Lara Croft ist heute mehr als eine ikonische Videospielheldin – sie ist ein popkulturelles Phänomen. Seit ihrem Debüt 1996 als eine der ersten weiblichen Hauptfiguren in einem Action-Adventure-Spiel gilt sie als revolutionär in der Gaming-Welt. Ihre Darstellung als starke und unabhängige Archäologin, die uralte Geheimnisse entdeckt und es mit gefährlichen Gegner:innen aufnimmt, brach mit traditionellen Geschlechterrollen und sie wurde zum weiblichen Pendant des ikonischen männlichen Abenteurers Indiana Jones. Bis heute steht Lara Croft nicht nur für körperliche Stärke und Geschick, sondern auch für kulturelle Begeisterung und Mut, was sie sowohl in Spielen als auch in Filmen zu einer faszinierenden Figur macht.

Szene aus «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft» © 2024 Netflix, Inc.

Lara Croft, zumindest in ihrer ursprünglichen Darstellung, steht bis heute aber auch in der Kritik. Unrealistische Proportionen werden oft als Anzeichen für überzogene Schönheitsideale angeführt und nicht selten teilen sich Barbie und Lara hier den ersten Platz. Das schwächt das Bild der sonst eindrucksvollen und starken Figur. Die ersten beiden Filme mit Angelina Jolie standen vor ähnlichen Herausforderungen, wenn es darum ging, die Abenteurerin ambivalent darzustellen. Trotz des individuellen Erfolgs der Filme blieb doch eine gewisse klischeehafte Überzeichnung an Lara Croft 1.0 haften.

2013 folgte in den Videospielen dann ein “Makeover” – so die Worte der wissenschaftlichen Publikation «The New Lara Phenomenon: A Postfeminist Analysis of Rise of the Tomb Raider», eine Zeit, in der sich Spieler:innen und Entwickler:innen zunehmend der Sexismusproblematik in der Videospielindustrie bewusst wurden. Das oberflächliche und “hyperfeminine” Erscheinungsbild wurde zu grossen Teilen abgeschafft. Stattdessen zeichneten die Spiele, wie auch das Kino-Reboot (2018) mit Alicia Vikander, eine jüngere und athletischere Lara, «ohne die aktuellen Ideale weiblicher Athletik zu überschreiten». Die Entwicklung der Figur lässt sich demnach wie folgt zusammenfassen: Weg vom Hypersexualisierten, hin zum Hyperrealismus. Neue Technologien wie Motion-Capture, die Gesichtsemotionen und Bewegungen von Schauspieler:innen einfangen, betonen dies gleichermassen im Kino und in den Videospielen. Mit mehr Authentizität und dramatischer Katharsis als nur zwei Beispiele für Komplexität ergab sich eine gelungene Lara Croft 2.0.

Szene aus «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft» © 2024 Netflix, Inc.

Nun, elf Jahre später, geht es mit «Tomb Raider: The Legend of Lara Croft» in die nächste Runde. Orientiert wird sich erneut an der Videospielreihe und der jungen Lara, die einen leicht neuen Anstrich verpasst bekommt. Von ihrem Geschick und der Abenteuerlust hat sie nichts eingebüsst, Sturheit und Leichtsinnigkeit sind hingegen etwas überrepräsentiert. Auch das Thema Vergangenheitsbewältigung, welches sonst nur Thema am Rande war, wird fokussiert. Statt den alten Problemen in der Darstellung gibt es nun andere, wie es auch schon im Reboot-Film der Fall war. Zu perfekt erscheint die taffe Frau nun, wenn sie sämtliche Sprachen spricht, antike Schriftzeichen in- und auswendig weiss, wie eine Profifahrerin Fahrzeuge aller Art lenkt und dazu noch eine spitzenmässige Archäologin/Ermittlerin abgibt. Komplizierte Rätsel werden innerhalb von Sekunden gelöst und das alles in doch recht jungen Jahren. Von den Gefahren ganz zu schweigen: Alligatorbiss wie Fallschäden haben ihr fast kaum etwas an. “Modern” sähe wohl anders aus, vielmehr begreift sich die Animationsserie als verspielt und gibt sich als konventionell dramatisch.

Durch Urwälder, Grabmäler, chinesische Berge, Unterwasserhöhlen bis hin zu Götterwelten und metaphysischem Raum zieht sich die ausufernde Geschichte und zeigt sich hyperkreativ. Übernatürliche Elemente, die schon seit dem ersten Videospiel mal mehr, mal weniger immer dazu gehörten, sind ebenso überrepräsentiert. Hier wird demnach keine Nostalgie zelebriert und wenn dann nur in den seltensten Fällen. Für Fans, die seit der ersten Stunde dabei sind, könnte das etwas weniger zufriedenstellend sein. Die Netflix-Serie lässt sich demnach wie folgt zusammenfassen: Weg vom Hyperrealismus, hin zur Fantasy. In der Gesamtheit mag das nicht sonderlich modern sein, sondern einfach etwas Neues für das Franchise. Besonders Fans von Adventure und Animation (Beispiel: «Avatar: Der Herr der Elemente») sowie fiktionalen Welten, die in den Bann ziehen, sollten sich die Netflix-Serie nicht entgehen lassen.

3 von 5 ★

«Tomb Raider: The Legend of Lara Croft» ist seit dem 10. Oktober auf Netflix verfügbar.

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