Kritik18. Juni 2024 Cineman Redaktion
Netflix-Kritik: «Ultraman: Rising»: Kaijū, Science-Fiction und spritzige Animation
Riesige Monster zermanschen die Stadt? Zeit für eine Rückkehr von Ultraman! Der neuste Film rund um den japanischen Kaijū-Bekämpfer «Ultraman: Rising» wurde auf dem Animationsfestival in Annecy vorgestellt und ist seit kurzem auch auf Netflix verfügbar. Wir geben einen Überblick.
von Maxime Maynard; übersetzt aus dem Französischen
Auf Druck seines Vaters gibt Kenji Sato sein Leben in den USA auf und kehrt nach Japan zurück, um das Familiengeschäft weiterzuführen. Nun ist es an ihm, der neue Ultraman zu werden und die Bevölkerung vor den Kaijū zu schützen. Doch als selbstverliebtes Baseball-Wunderkind würde er lieber seinen Ruhm geniessen. Als er ein kleines Kaijū-Baby rettet, das ihn für seine Mutter hält, muss er erwachsen werden und sich um das Neugeborene kümmern. Doch die KDF, eine Miliz, setzt alles daran, das Baby in ihre Hände zu bekommen.
Hin- und hergerissen zwischen den Kulturen
1966 wurden in Japan zum ersten Mal die Abenteuer des Superhelden Ultraman im Fernsehen gezeigt. Die zweite Serie des Ultra-Franchise nach «Ultra Q», die im selben Jahr erschien, war ein durchschlagender Erfolg. Die Begeisterung hält bis heute an. Bei einem Schöpfer wie Eiji Tsuburaya ist das nicht verwunderlich. In seiner Heimat gilt er als der Vater des Tokusatsu-Genres, das sich aus dem Begriff tokushu satsuei zusammensetzt und Realfilme mit vielen Spezialeffekten bezeichnet.
Ultraman, der erste Vertreter einer als "Kyodai" bezeichneten Art von Helden, die zu kolossaler Grösse heranwachsen können, ist eine der Säulen der japanischen Kultur. In dieser neuen Adaption wird er jedoch mit westlichen Elementen kombiniert, die die amerikanische Koproduktion und Regie widerspiegeln. Seine Hauptfigur wird zu Kenji Sato, einem berühmten Baseballspieler. Er wurde in Japan geboren, bevor er mit seiner Mutter in die USA zog, und kehrt nun in sein Heimatland zurück, um das von seinem alternden Vater vernachlässigte Heldenkostüm zu tragen. Kenji ist egozentrisch und selbstverliebt und zeigt in Momenten der Verletzlichkeit ein gewisses Unbehagen, das mit seiner Position als ewiger Fremder zusammenhängt: nicht mehr wirklich japanisch, aber nie amerikanisch genug. Eine rührende Darstellung, die Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen wird, die das Gefühl, nirgends zu Hause zu sein, gut kennen.
Der süsseste aller Kaijū
Kaijū sind riesige, monströse Kreaturen, die durch die japanischen Städte ziehen und alles auf ihrem Weg zerstören. Als Verkörperung von Mächten, gegen die sich niemand wehren kann, sind diese Kreaturen eng mit der japanischen Kultur und dem Shintoismus verbunden. Der Shintoismus – wörtlich übersetzt "Weg der Götter" – ist die älteste Religion des Landes und verbindet sich mit vielen anderen Weltanschauungen, indem sie natürliche oder unkontrollierbare Phänomene durch mystische Inkarnationen erklärt. Godzilla, der unbestritten berühmteste aller Kaiju, stampfte mit diesem Hintergrund 1954 auf die Kinoleinwand und verkörperte mit seiner rohen Kraft die Atomschläge von Hroshima und Nagasaki, die noch frisch im kollektiven Gedächtnis verankert waren.
Wie Professor Sato, der Vater des Protagonisten in «Ultraman Rising», erklärt, sind die Kaijū weder gut noch böse und verdienen es ebenso zu leben wie die Menschen. Diese Ansicht teilen die Angestellten der KDF (Kaijū Defense Force), einer Miliz, die die Bevölkerung vor diesen Kreaturen schützen soll, nicht im Geringsten. Sie sind der Meinung, dass diese Monster ausgerottet werden müssen, und angesichts ihrer eindrucksvoll inszenierten Zerstörungskraft kann man zunächst nur zustimmen. Doch mit dem Erscheinen eines niedlichen Gigantron-Babys ändert sich alles. Sein rosafarbenes, knuddliges Aussehen wird selbst die Herzen die unsensibelsten Zuschauer:innen erweichen. Mit ihm verändert sich das Genre des Films und verschiebt sich von einem typischen Monster- und Superheldenfilm hin zu einer sensiblen Innenschau seines Protagonisten. Denn der selbstbezogene Kenji Sato muss lernen, sich um diese (riesige) kleine Kreatur zu kümmern. Und beim Anblick dieses niedlichen Blicks und seines herzzereissenden Gesichts können wir nicht anders, als uns diesem Ziel anzuschliessen.
Sehenswerte Animationen mit hoher Qualität
2018 eroberte «Spider-Man: A New Universe» mit viel Aufsehen die Kinoleinwände und entführte das Publikum in eine schillernde animierte Welt, in der verschiedene Techniken vermischt wurden, um den Zeichnungen der ursprünglichen Comics so nahe wie möglich zu kommen. Das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen und überzeugte auch die Oscar Acadmey, die den Film zum besten Animationsfilm des Jahres 2019 krönte. In der Folge griffen mehrere Filme die Idee auf und lieferten kunstvolle und einprägsame Illustrationen. «Ultraman: Rising» präsentiert seinerseits ein 3D-Animationserlebnis, das subtil mit 2D flirtet und an andere japanische Unterhaltungsmedien wie Manga und Anime erinnert.
Mit leuchtenden Farben ziehen die Bilder in ihren Bann und versetzen das Publikum mühelos in das Geschehen. Bei der Leitung des Projekts wurde Shannon Tindle, der zum ersten Mal Regie führte, von John Aoshima unterstützt. Und diese beiden amerikanischen Filmemacher kennen sich mit Animationen aus! Shannon Tindle wurde für seine Arbeit an der Serie «Pflegeheim für imaginäre Freunde» mit einem Emmy ausgezeichnet und war an der Entwicklung von «Kubo - Der tapfere Samurai» (2016) und der Netflix-Miniserie «Ollies Odyssee» beteiligt. John Aoshima seinerseits war an erfolgreichen Serien wie «DuckTales - Neues aus Entenhausen» aus dem Jahr 2017 oder dem genialen «Willkommen in Gravity Falls» beteiligt. Jede Menge Talent also, dass hier einen Film erschafft, den sich Animationsfans nicht entgehen lassen sollten.
3.5 von 5 ★
«Ultraman: Rising» ist seit dem 14. Juni auf Netflix verfügbar.
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