Kritik1. September 2020 Irina Blum
Serientipp «Mrs. America»: Cate Blanchett auf Kreuzzug gegen die Gleichberechtigung
Cate Blanchett brilliert in «Mrs. America» als ultra-konservative Hausfrau, die in den USA zu Beginn der 70er-Jahre fast im Alleingang die Gleichberechtigung der Frauen verhindert.
Serienkritik von Gaby Tscharner
Phyllis Schlafly (Cate Blanchett) ist eine konservative Hausfrau mit Ambitionen. Die Ehefrau des Anwalts Fred Shlafly (John Slattery) und Mutter von sechs Kindern will politische Beraterin werden. Um ihr Ziel zu erreichen, paradiert sie wie an einer Misswahl im Badeanzug durch eine politische Veranstaltung.
Natürlich muss sie sich dabei einen Klaps auf den Hintern oder einen schlüpfrigen Witz gefallen lassen, aber Schlafly steckt dies mit links ein. Schliesslich verkauft sie sich als “die perfekte Ehefrau und Mutter”, die Männer nicht bedroht und die deshalb von ihnen unterstützt werden kann. Als sie zu einem Meeting mit Präsident Nixon eigeladen wird, wird sie jedoch gebeten, das Protokoll zu führen, als wäre sie die Sekretärin.
Schlafly begreift, dass Männer ihr nur dann zuhören, wenn sie sogenannte “Frauenthemen” anspricht und ihnen damit die Feministinnen vom Leib hält. Also sagt sie dem Equal Rights Amendment ERA den Kampf an: Der Verfassungszusatz, der den Frauen in den USA die gleichen Rechte wie den Männern einräumen soll, wird von beiden politischen Seiten und sogar vom republikanischen Präsidenten Richard Nixon unterstützt.
Ihr Argument ist, dass der einzig richtige Platz einer Frau ihr zu Hause sei. In ihrem Kreuzzug gegen die Gleichberechtigung trifft sie auf Schlüsselfiguren der Frauenbewegung wie Gloria Steinem (Rose Byrne), die Autorin des Buches “Der Weiblichkeitswahn”, Betty Friedan (Tracey Ullman) oder Shirley Chisholm (Uzo Aduba), die erste schwarze Präsidentschaftskandidatin der USA.
Die Mini-Serie ist dann am besten, wenn sie die Nuancen aufdeckt, mit denen unsere Gesellschaft noch heute kämpft.
«Mrs. America» beleuchtet ein Kapitel in der Geschichte, das heute noch genauso aktuell ist wie zu Beginn der 70er-Jahre. Die #MeToo, Time’s Up oder Black Lives Matter Bewegungen kämpfen um die Gleichstellung der Menschen. Eine Gesellschaft, in der Frauen nur 81.6 Cents für die gleiche Arbeit verdienen, für die ein Mann einen Dollar kriegt, braucht die Ratifizierung des ERA nötiger denn je.
Die Miniserie ist denn auch am besten, wenn sie die Nuancen aufdeckt, mit denen unsere Gesellschaft noch heute kämpft. Die Feministinnen der 70er-Jahre sind sich zwar einig, dass Schlafly und ihre Legionen von Hausfrauen der Feind sind. Aber Themen wie weisses Privileg haben sich schon damals eingeschlichen. Die Präsidentschaftskandidatur der schwarzen Demokratin Shirley Chisholm wird von Gloria Steinem nie wirklich ernst genommen, und die ältere Generation der Emanzen will sich in ihrem Anspruch auf Gleichstellung von den Lesben distanzieren.
Feminismus ist ein Luxus, den sich offenbar nur heterosexuelle weisse Frauen leisten können. Schlaflys “Stop ERA” Gruppe zeigt sich in Sachen Doppelmoral aber auch nicht besser. Sie verkommt zu einer bitteren Gruppe von Mean Girls, die in ihrem Wahn, über den Feminismus triumphieren zu wollen, sogar Mitglieder des Ku-Klux-Klans in ihrer Mitte akzeptiert.
«Mrs. America» ist mehr als nur eine Geschichtsstunde. Die Serie ist eine Feier einiger der talentiertesten Frauen Hollywoods, vor und hinter der Kamera. Geschrieben von Dahvi Waller («Mad Men», «Desperate Housewives») und unter der Regie von Koryphäen wie Amma Asante («A United Kingdom», «Belle») oder Anna Boden («Captain Marvel») und mit Stars wie Cate Blanchett, Margo Martindale oder Sarah Paulson wird diese Miniserie zu einer Art Meisterklasse des Filmemachens.
Blanchetts Schlafly erinnert an die soeben zurückgetretene Trump-Beraterin Kellyanne Conway. Sie ist laut, rücksichtslos – und sie hat keine Skrupel, im Namen ihrer Kampagne gegen die ERA auch Fehlinformationen zu verbreiten. Wenn ihr Mangel an Fakten aufgedeckt wird, spricht sie einfach mehr und schneller und hofft, damit von ihren Unzulänglichkeiten abzulenken. Dank Blachetts nuancierter Darstellung empfinden wir aber auch Sympathie für Phyllis, zum Beispiel wenn sie mit der Homosexualität ihres Sohnes ringt. Eine Tatsache, die nicht nur ihre Kampagne scheitern lassen könnte, sondern für ihren Sohn zu einem Leben voller Diskriminierung führen wird.
Die Serie ist eine Feier einiger der talentiertesten Frauen Hollywoods.
Sarah Paulsons Alice ist die einzige fiktive Figur der Miniserie, und darin liegt ihre Schwäche. Als Identifikationsfigur für die Zuschauer konzipiert, ist Alice zu Beginn eine von Schlaflys engsten Vertrauten, die aber mit der zunehmenden Scheinheiligkeit ihrer Freundin nicht mehr leben kann. Als Delegierte an der National Women’s Conference 1977 hat Alice eine Offenbarung. Während sie von ihren republikanischen Freundinnen für ein verpatztes Fernsehinterview niedergemacht wird, findet sie Trost und Verständnis in ihrer demokratischen Zimmergenossin und realisiert, dass Frauen wie Gloria Steinem einen respektvolleren Führungsstil haben als Phyllis Schlafly. Ein Versuch der Filmemacher, Hoffnung in die Geschichte einzubringen. Leider fühlt sich das etwas forciert an.
«Mrs. America» ist trotzdem sehenswert und es wäre schade, wenn sich die Zuschauer vom politischen Inhalt und den vielen fremden Namen zurückschrecken liessen. Schliesslich können wir alles Unbekannte im Handumdrehen googlen. Wie das Sprichwort doch sagt, "Wer sich seiner Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.”
Beweis dafür ist die New Yorker Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die kürzlich ihrem Kollegen Ted Yoho die Leviten lesen musste, als dieser sie auf der Treppe des Kapitols als eine “fucking Bitch” beschimpft hat. Der Einfluss von Phyllis Schlafly, die posthum ihr Buch “The Conservative Case for Trump” (Das konservative Argument für Trump) veröffentlicht hat, ist weit über ihren Todestag im Jahre 2006 hinaus zu spüren. Ihre Aktionen haben dazu beigetragen, dass die Ratifizierung des Equal Rights Amendment bis heute verhindert wurde. Und Trump hat sich dafür bei ihr bedankt, indem er an ihrer Beerdigung eine Laudatio hielt.
4 von 5 ★
«Mrs. America» ist ab dem 3. September auf Sky Show verfügbar.
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