Interview22. August 2018 Irina Blum
Spike Lee über «BlacKkKlansman»: "Ein Hollywood-Konzept aus 6 Wörtern"
Schwarzer Mann infiltriert Ku-Klux-Klan. 6 Wörter, 1 Satz, eine unglaubliche aber wahre Geschichte bilden das Fundament für Spike Lees neuestes Werk, das sowohl bei den Kritikern als auch beim Publikum – kürzlich zum Beispiel in Locarno – äusserst gut ankommt. Entsprechend gut gelaunt spricht der Regisseur im Interview über seinen Umgang mit Kritik, Trump und die Grenzen von Kunst.
Spike Lee: Los geht’s!
Ein grossartiger Film, der auch wirklich gute Kritiken bekommen hat. Einige sagen, Spike Lee sei zurück, obwohl Sie natürlich sagen werden, Sie seien nie weg gewesen…
Spike Lee: Unsinn! Wo bin ich hingegangen?
Wie wichtig ist Ihnen, was die Kritiker sagen oder was die Leute von einem Spike-Lee-Film erwarten?
Danke für eine grossartige erste Frage. Die Leute drücken einem Künstler gerne einen Stempel auf, wie er zu sein hat und was er tun sollte, seien das Schriftsteller oder Musiker. Meine Eltern haben mich gelehrt, dass dir niemand diktieren sollte, wie oder wer du zu sein hast. Man sollte sich nicht zu viele Sorgen machen, die Leute schreiben sowieso, was sie wollen. Als Künstler ist das dein Job.
Die Leute haben eine gewisse Vorstellung davon, was du tun solltest und was nicht, welches Genre du abdecken solltest. Wenn du auf dich fokussiert bist, lässt du das nicht an dich heran. Das habe ich mit dem Älterwerden gelernt, ich bin nun 61. Bleib fokussiert und lass das nicht in deinen Kopf, lass dich nicht ablenken von dem, was du tun solltest: Kunst zu machen. Sind wir jetzt fertig? (Lacht).
In «BlacKkKlansman» erzählen Sie die wahre Geschichte eines Schwarzen, der sich in den 70er-Jahren in den Ku-Klux-Klan eingeschlichen hat. Wie sind Sie zu dieser Geschichte gekommen?
Spike Lee: Jordan Peele hat mich angerufen, mich gefragt, wie es mir geht und mir gesagt, dass er etwas habe, woran ich womöglich interessiert sein könnte. Ein Hollywood-Konzept, bestehend aus 6 Wörtern: Schwarzer Mann infiltriert Ku-Klux-Klan. 6 Wörter, konnte das stimmen?
Er sagte, dass es wahr sei – es handle sich um Ron Stallworth, er habe ein Buch geschrieben, Jordan habe das Buch gekauft, Stallworth habe sie [die Blumhouse-Production, Anm. d. Red.] zu Partnern gemacht. Sie hätten auch ein Drehbuch, ob ich mal einen Blick darauf werfen könnte. Das ist der Beginn von «BlacKkKlansman».
Und was war Ihr erster Eindruck, als Sie das Drehbuch gelesen haben? Die Geschichte ist ja wirklich unglaublich.
Spike Lee: Um ehrlich zu sein will ich nichts Schlechtes über die Erstautoren des Drehbuchs sagen, aber es gibt einen Grund, wieso Jordan mich angerufen hat (lacht). Ich habe es noch ein wenig umgeschrieben.
Der amerikanische Präsident hat nach den Unruhen in Charlottesville die Rassisten öffentlich verteidigt. Hat er damit den Verlauf der Geschichte zum Schlechteren verändert?
Spike Lee: Ich glaube, dass das einer der geschichtsträchtigsten Momente der amerikanischen Geschichte war. Egal in welchem Land, in Zeiten von Krisen schauen die Leute zu ihrem Staatsmann hoch und hören sich an, was er zu sagen hat. Der amerikanische Präsident hat von Liebe statt Hass geredet und weder den Ku-Klux-Klan, noch Neo-Nazis, noch die extrem Rechten zur Verantwortung gezogen.
Drei Tage später hat er seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen versucht. Was immer er gesagt hat – ich sage seinen Namen bewusst nicht, ich nenne ihn einfach den orangen Agenten – was er das erste Mal gesagt hat, war in seinem Herzen. Diesen Clip zeigen wir im Film.
Sätze im Film von David Duke wie „Let’s make America great again“ wirken sehr plakativ. Die Parallelen zu heute kommen aber wohl nicht von ungefähr?
Spike Lee: Das ist es, was wir versucht haben: Obwohl der Film in den 70er-Jahren spielt, haben wir kleine Hinweise platziert, die einem auffallen. „America First“ ist nicht neu; das war der Slogan des Klans in den 20er-Jahren gegen Immigranten. Diese Hass-Geschiche ist nicht neu. Sie wollen einfach clever sein und verpacken sie neu, aber es ist immer noch Hass. Der amerikanische Präsident lügt, wenn er verneint, dass er David Duke kenne. Diese Leute kennen kein Schamgefühl, sie reihen einfach Lüge an Lüge.
Wie war Ron Stallworth am Filmprojekt beteiligt?
Spike Lee: Er kam nie ans Set, aber Ron Stallworth war während der Vorbereitungen da, als wir das Drehbuch umschrieben. Ein grossartiger Mann. Ein amerikanischer Held. Er hat die meiste Zeit mit John David Washington [Ron Stallworth im Film] verbracht, sie hatten eine spezielle Verbindung.
Es wäre blöd, «Die Abenteuer des Huckleberry Finn» von Mark Twain zu boykottieren wegen dem Wort „Nigger“, das darin vorkommt.
Wie kann es sein, dass Filme wie «Birth of a Nation» (welcher auch in BlacKkKlansman gezeigt wird) immer noch geschaut und als Meisterwerk angesehen werden?
Spike Lee: Das ist so eine Sache. Manche Leute halten zum Beispiel auch «Triumph des Willens» für ein Meisterwerk. Ist es auch! Ganz ehrlich: Während meines ersten Jahres an der Filmschule schauten wir «Birth of a Nation». Wir lernten, dass D.W. Griffith der Vater des Kinos ist und das Einmaleins des Filmemachens erfunden hat. Das ist doch toll! Mein Problem war einzig, dass unser Professor die sozialen und politischen Implikationen des Films ausgeklammert hat. Der Klan existierte praktisch nicht mehr, dieser Film ist verantwortlich für dessen Wiedergeburt.
«Triumph des Willens» ist ein weiteres Beispiel, ein toller Film, gutes Handwerk. Oder einer meiner liebsten Regisseure, Bertolucci, mit «Der letzte Tango in Paris», in den Hauptrollen Maria Schneider und Marlon Brando; Kevin Spacey, ein guter Schauspieler – da ist die Frage, ob man die Trennung machen kann zwischen der Kunst und dem Künstler dahinter. Das ist eine subjektive Entscheidung.
Ich würde nie sagen, dass man «Birth of a Nation» nicht mehr zeigen soll, aber man soll offen dazu stehen, was wirklich passiert ist damals. Es wäre blöd, «Die Abenteuer des Huckleberry Finn» von Mark Twain zu boykottieren wegen dem Wort „Nigger“, das darin vorkommt. Oder «To Kill A Mockingbird» von Harper Lee wegen unangebrachten Wörtern. Man muss aber darüber diskutieren und die Dinge in den Kontext setzen!
In «BlacKkKlansman» steckt auch eine Menge Humor. Lassen sich solch harte Themen wie Rassismus besser mit Humor erzählen?
Spike Lee: Meinen Studenten an der New York University erzähle ich an ihrem allerersten Tag ihres Studiums jeweils, dass es nicht den einen Weg gibt, wie man es zu machen hat. Man kann Rassismus ohne Humor ansprechen. Die Prämisse in «BlacKkKlansman» ist aber so absurd, dass sie den Humor fast einlädt.
Es hat von Anfang an gepasst, ein schwarzer Mann infiltriert den Ku-Klux-Klan – Absurdität und Humor waren schon da. Es war nicht so, dass wir gesagt haben „dieser Film ist so tiefgehend und ernst, wir müssen die Leute noch irgendwie zum Lachen bringen“ (lacht).
«BlacKkKlansman» läuft ab dem 23. August in den Deutschschweizer Kinos. _
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