Interview11. Februar 2021 Michelle Knoblauch
Ton ab: «Wenn der Ton feststeht, ist der Film geboren» – Interview mit Denis Séchaud
Häufig fesselt ein guter Film durch eine emotionale Geschichte, leidenschaftliche Schauspieler oder atemberaubende Kulissen. Doch die Rolle des Tons, der den Zuschauer immer wieder mit allen Sinnen ergreift, sollte keinesfalls unterschätzt werden. Wusstet ihr, dass einige Filme durch ihre unverwechselbaren Soundeffekte bekannt geworden sind?
Dieser Beitrag ist gesponsert von Schweizer Filmpreis 2021.
Denis Séchaud, Tonmeister für Sounddesign & Soundeditor, ist mitverantwortlich für die Entstehung der neuen Kategorie «Bester Ton» beim Schweizer Filmpreis 2021. Als Mitbegründer der Masé Studios ist er einer der prägenden Schweizer Tonspezialisten. In ihren Studios in Genf ist der Ton für den mehrfach ausgezeichneten Film «Ma vie de Courgette» entstanden, der sogar für den Oscar nominiert war. Im persönlichen Gespräch erklärt Denis Séchaud die Geheimnisse des guten Tons.
Wieso eigentlich unterschätzen wir den Ton, und denken zunächst ans Bild, wenn wir einen Film ansehen?
Bis vor einigen Jahren galt der Ton im Film tatsächlich noch als der arme Verwandte. Es war ein optischer Ton, in Mono, die Qualität war nicht besonders gut. Er war bloss da, um die Leute sprechen zu hören, um Musik zu haben, vielleicht ein bisschen Atmosphäre. Er war in seinen technischen und künstlerischen Möglichkeiten sehr eingeschränkt.
Der Ton war bloss da, um die Leute sprechen zu hören...
Als dann anfangs der 1980er-Jahre Dolby kam, war das ein Entwicklungsschub: Jetzt war das Publikum vom Ton umgeben, der Ton befand sich im selben Raum wie die Zuschauer. Erst ab dann hat sich die Filmindustrie tatsächlich mit der Qualität des Tones beschäftigt. Und seit der Entwicklung der Computer gibt es im Sound Design praktisch nichts, was nicht möglich ist. Heute ist man sich einig, der Ton als künstlerisches Ausdrucksmittel ist dem Bild oder der Montage ebenbürtig.
Was ist das denn genau, Sound Design?
Wir sind eine Art Tonarchitekten. Denn es geht nicht nur darum, ein akustisches Ambiente herzustellen oder einem Schauspieler eine wohlklingende Stimme zu verleihen. Wir entwickeln in aufwendigen Prozessen eine eigenständige Tonspur für jeden Film und orientieren uns zum Beispiel am Genre. Ist es ein Thriller, eine Komödie oder ein Horrorfilm? Wenn das Bild einen Friedhof im Winter zeigt, singen keine Vögel. Oder wenn doch, dann Krähen. Hier beginnt das Sound Design.
Wann kommt der Ton im Prozess des Filmemachens zum Bild?
Der Ton kann im Drehbuch festgelegt sein, wenn die Regie bereits eine Vorstellung hat, was sie hören will. Das kommt allerdings selten vor. Meistens kommt der Ton im Laufe der Bildmontage dazu, also dann, wenn der Rhythmus des Films festgelegt ist. Zum Beispiel kann man ein Klingeln an der Haustür leicht nachvertonen. Das heisst, nach dem Drehen einbauen. Es kann ja sein, dass das Bild gar keine Haustür zeigt. Die Tonspur stiftet nämlich auch erzählerische Logik.
Wenn der Ton feststeht, ist der Film geboren!
Auf dem Set ist der Tonmeister hauptsächlich damit beschäftigt sicherzustellen, dass die Tonqualität der Dialoge gut ist. Zusätzlich nimmt er einige atomsphärische Töne auf. Die eigentliche kreative Arbeit beginnt dann, wenn der Film montiert ist. Dann erhalten wir ihn, kümmern uns um den O-Ton und diskutieren in den Studios mit der Regie und dem Tonmeister die definitive Mischung.
Die Festlegung der Tonspur ist demnach der letzte Schliff am Film? Eine verantwortungsvolle Aufgabe also.
Das ist tatsächlich so! Wenn der Ton feststeht, ist der Film geboren! Das ist ein Moment von grosser Spannung: Schaffen wir es? Schaffen wir den Film so zu erzählen, wie wir wollten? Die Regie hat vielleicht beim Drehen nicht wirklich das gefunden, was sie gesucht hat. Durch den Ton und das Klangbild hat der Film eine letzte Chance, der Vorstellung der Regie doch noch zu genügen. Und vielleicht tatsächlich durch seine unverwechselbaren Soundeffekte bekannt zu werden
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