Kritik11. September 2024

Venedig 2024: «Joker: Folie à Deux»: Musikalische Fantasie im Gefängnis

Venedig 2024: «Joker: Folie à Deux»: Musikalische Fantasie im Gefängnis
© Warner Brothers Switzerland

In der von Todd Phillips inszenierten Fortsetzung seines riesigen Erfolgs «Joker» lernt Arthur Fleck die Liebe kennen, bevor sein Mordprozess beginnt.

«Joker: Folie à Deux»: Musikalische Fantasie im Gefängnis

Todd Phillips | 138 min.

Ein Text von Marine Guillain, übersetzt aus dem Französischen

Es war einer der am meisten erwarteten Filme des 81. Filmfestivals von Venedig. Bevor er am 3. Oktober in die Deutschschweizer Kinos kommt, wurde «Joker: Folie à Deux» zunächst auf dem Lido vorgestellt – fünf Jahre nach dem grossen Erfolg des ersten Teils (1 Milliarde Dollar Einspielergebnis und zwei Oscars), der hier den Goldenen Löwen, die höchste Auszeichnung, gewonnen hatte.

Am Ende des ersten Films wurde der Joker (Joaquin Phoenix) alias Arthur Fleck von den Behörden wegen des Mordes an fünf Menschen verhaftet. «Joker: Folie à Deux» spielt zwei Jahre nach diesen Taten. Arthur Fleck wird in die Nervenheilanstalt von Arkham eingewiesen. Kurz vor seinem Prozess versuchen Psycholog:innen und Anwält:innen, die gespaltene Persönlichkeit des Helden zu beweisen, was seine Strafe mildern könnte. Arthur hingegen scheint sich um nichts mehr zu kümmern und nimmt sein Schicksal widerspruchslos hin. Doch als er Lee (Lady Gaga) kennenlernt und sich auf den ersten Blick in sie verliebt, eröffnen sich neue Perspektiven...

Nach dem überwältigenden ersten Teil war es einerseits sehr aufregend, als die Lichter gedimmt wurden und die Stimmen im Sala Grande verstummten, um die Fortsetzung zu sehen, andererseits aber auch ein wenig beunruhigend: Kann eine Fortsetzung das Niveau des ersten Films erreichen? Welche Überraschungen hält Todd Phillips für uns bereit? Die erste, die ebenso überraschend wie erfreulich ist, ist, dass sich «Joker: Folie à Deux» als Musical entpuppt. Die beiden Hauptdarsteller:innen singen und tanzen in schwungvollen Nummern, die die Welt in Jokers Kopf darstellen sollen. Der Kontrast zwischen diesen farbenfrohen Einlagen und der dunklen, realen Welt funktioniert besonders gut.

Was man diesem zweiten Teil vorwerfen kann, ist allerdings ein etwas ungleichmässiges Tempo, das nach einer intensiven ersten Hälfte ins Stocken gerät. Der ganze Film spielt sich zwischen Gefängnis und Gerichtssaal ab, während wir Batmans Erzfeind liebend gerne wieder auf den Strassen von Gotham City gesehen hätten, wo es zu einem Wiedersehen mit dem maskierten Rächer kommt. Harley Quinn, die von einer fantastischen Lady Gaga gespielt wird, die nach «A Star is Born» und «House of Gucci» nicht mehr beweisen muss, dass sie sowohl als Schauspielerin als auch als Sängerin eine gute Figur macht, entwickelt sich nicht weiter und bleibt zu sehr im Hintergrund. Aber auch wenn die Geschichte nicht genügend Fortschritte macht (ein dritter Teil scheint an dieser Stelle notwendig), verleihen die guten Ideen (z. B. eine Parodie auf Cartoon Warner Bros.) und die atemberaubende Inszenierung dem Film eine einzigartige Kraft.

4 von 5 ★

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