Kritik3. November 2020

«Wildland» Filmkritik: Die kriminelle Verwandtschaft

«Wildland» Filmkritik: Die kriminelle Verwandtschaft
© First Hand Films

Was ist man bereit für seine Verwandtschaft zu tun, wenn diese es mit der Moral und dem Gesetz nicht so genau nimmt? In Wildland muss eine elternlose Jugendliche diese schwierige Frage für sich klären.

Filmkritik von Björn Schneider

Seit dem Tod ihrer Mutter lebt die 17-jährige Ida (Sandra Guldberg Kampp) bei ihrer Tante (Sidse Babett Knudsen) und ihren Cousins. Bald stellt Ida fest, dass die Familie in kriminelle Machenschaften verstrickt ist. Mehr noch: Sie agiert wie eine Mafiaorganisation und alle sind daran beteiligt. Wie wird sich das Leben inmitten dieser unkonventionellen Familie gestalten, in der Grenzüberschreitungen zum Alltag gehören?

© First Hand Films

Wildland ist der Debütfilm der 35-jährigen Regisseurin Jeanette Nordahl, die in ihrem Mix aus Thriller, Mafia-Krimi, Charakterstudie und Drama das Bild einer völlig dysfunktionalen, gestörten Familie zeichnet. An deren Spitze steht die gewissermassen als Mafia-Patin auftretende Bodil, die sich zunächst zwar als liebevoll und fürsorglich erweist. Doch Ida merkt schnell: Wenn es um den Schutz und die Sicherheit ihrer Söhne geht, kennt ihre Tante kein Erbarmen. Elektrisierend und begeisternd als autoritäres Familienoberhaupt: Darstellerin Sidse Babett Knudsen.

Kampp begeistert mit einer präzisen Darstellung der aufgewühlten Gefühlswelt einer zwischen die Fronten geratenen, traumatisierten Jugendlichen.– Cineman-Filmkritiker Björn Schneider

Die innere Zerrissenheit und Konflikte der beiden weiblichen Hauptfiguren stehen im Zentrum von Wildland. Da ist Bodil, die zwischen liebender Mutter und eiskalter, unberechenbarer Clan-Chefin changiert. Ihr Gegenüber steht Ida, die sich nicht entscheiden kann: Deckt sie die Machenschaften ihrer Verwandten und wird möglicherweise sogar ein Teil dieser, selbst vor Gewalt nicht zurückschreckenden mafiösen Sippe? In einigen Szenen kommt es sehr überraschend zu solchen Momenten extremer, körperlicher Gewalt, auch wenn Nordahl oft nur andeutet oder das Geschehen aus sicherer Entfernung filmt. Gleichsam zeigt Nordahl gegen sich selbst gerichteten Hass (bis hin zum Suizid).

All diese Taten und tragischen Ereignisse sind der Ausdruck fehlenden familiären Halts sowie einer zermürbenden Ausweg- und Perspektivlosigkeit. Mittendrin: die bemitleidenswerte Ida, die ihre Cousins sogar vor den Behörden deckt. Die zarte, zerbrechlich wirkende Sandra Guldberg Kampp begeistert mit einer präzisen Darstellung der aufgewühlten Gefühlswelt einer zwischen die Fronten geratenen, traumatisierten Jugendlichen.

Abzüge gibt es aufgrund der oberflächlichen, reissbrettartigen Zeichnung einiger (verzichtbarer) Nebencharaktere, darunter die Freundinnen der Cousins und der Betreuer vom Jugendamt. Und auch die Handlungs- sowie Verhaltensweisen der Figuren erschliessen sich nicht immer. Wieso hat Idas Mutter ihrer Tochter scheinbar nie die Wahrheit über die Tante erzählt? Wieso greift das Jugendamt nicht früher ein? Und wieso bereitet die örtliche Polizei der organisierten Kriminalität der Familie nicht früher ein Ende? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.

3.5 von 5 ★

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