Kritik5. Oktober 2024 Maria Engler
ZFF 2024: «The Last Showgirl»: Abschied vom amerikanischen Traum
Ein Sexsymbol muss sich neu definieren: Es gibt unbestreitbare Parallelen zwischen dem alternden Showgirl Shelley und Pamela Anderson, die diese Figur bravourös zum Leben erweckt. Doch nicht nur das macht «The Last Showgirl» zu einem hochspannenden Film, sondern auch, was sich an gesellschaftlichem Kommentar und Kritik am Showgeschäft finden lässt.
«The Last Showgirl»: Abschied vom amerikanischen Traum
Gia Coppola | 85 min.
Regie in diesem melancholischen Drama führte Gia Coppola, ihres Zeichens Enkeltochter des Regie-Meisters Francis Ford Coppola – und das ist deutlich zu spüren. Die Handlung von «The Last Showgirl» ist wenig ergiebig, vielmehr geht es um das Festhalten einer Stimmung, einer Gefühlslage, einer Figur, die leidenschaftlich für etwas brennt. Filmische Zutaten, die die Coppola-Familie einen und die auch hier voll zum Tragen kommen.
Neben einer Charakterstudie einer gealterten Tänzerin, die sich von ihrem Traum verabschieden muss, erzählt der Film aber auch von der Vergänglichkeit des Showgeschäfts und einem Wandel der Unterhaltungsindustrie, der immer mehr auf nackte Haut und offensive Zurschaustellung weiblicher Körper zu setzen scheint. Geschickt fördert Gia Coppola den inhärenten Sexismus der Branche zutage, die keinen Platz für Frauen über 30, für alternde Frauenkörper oder reife Schönheit hat.
Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit setzt sich auch in einem finanziellen Ungleichgewicht fort, denn während Showgirl Shelley einer ungewissen Zukunft entgegenblickt und ohne Rücklagen oder Rente schnell in prekäre Verhältnisse geraten könnte, ist das Ende der Show für Showrunner Eddie (ungewohnt behaart: Dave Bautista) kein grosses Problem – bei seiner Jobsuche zählt nicht Aussehen, sondern Können. Im Showgeschäft noch immer ein vor allem männliches Privileg.
Als mahnendes Beispiel für Shelleys Zukunft steht das Schicksal ihrer Freundin Annette (absolut grossartig: Jamie Lee Curtis), die als ehemalige Tänzerin bereits vollständig in die Armut abgerutscht ist. «The Last Showgirl» zeichnet damit nicht nur ein vielschichtiges Bild davon, was eine Karriere im Showgeschäft bedeutet und was Menschen für die Unterhaltung anderer opfern, sondern auch von den Missständen im modernen Amerika und was im Alter vom amerikanischen Traum übrig bleibt.
4 von 5 ★
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