Der November bietet einige echte Kino-Verlockungen – denen bei grauem Wetter umso leichter nachzugeben ist. Aus Hollywood kommt das Historiendrama «Napoleon», das Panem-Prequel «Die Tribute von Panem - The Ballad of Songbirds & Snakes» und das neue Disney-Abenteuer «Wish». Ausserdem locken Cannes-Gewinner «Anatomie d'une chute», «The Boy and the Heron» aus dem Hause Ghibli und die Schweizer Komödie «Bon Schuur Ticino» in die warmen Kinosäle.
1. «Simple comme Sylvain - The Nature of Love»
Eine Liebesgeschichte, die sich über Klassenunterschiede hinwegsetzt | Kinostart: 02. November 2023
Darum geht's: Sophia (Magalie Lépine Blondeau), Professorin für Philosophie an der Universität, und ihr Ehemann Xavier (Francis-William Rhéaume) sind ein Paradebeispiel für Stabilität und Zärtlichkeit. Doch die Liebe geht bekanntlich ihre eigenen Wege: Als Sophia den Bauarbeiter Sylvain (Pierre-Yves Cardinal) kennenlernt, gerät ihr Gefühlsleben aus den Fugen.
Monia Chokri geht das Wagnis ein, ihren neuesten Film in einem Gebiet anzusiedeln, das vom französischsprachigen Kino bereits gut erschlossen wurde: die Liebesgeschichte. Diese Variation des Themas der Liebe auf den ersten Blick revolutioniert zwar nicht die Erwartungen an dieses Genre, zeigt aber, was die grosse Stärke ihrer Regisseurin ausmacht: ihr doppeltes Geschick für Komik und Rhythmus, das ganz eindeutig an die grossen Zeiten von Woody Allen erinnert.
2. «Brainwashed»
Nina Menkes Dokumentation richtet den Blick auf die Darstellung von Frauen im Film | Kinostart: 02. November 2023
Darum geht's: Von «Metropolis» über «Eyes Wide Shut», mit Zwischenstopps bei »The Breakfast Club», «Once Upon a Time in Hollywood», «Blau ist eine warme Farbe», «Die Lady von Shanghai», «Blade Runner» und «Wie ein wilder Stier»: Auf der Grundlage eines Vortrags hat die Regisseurin Nina Menkes eine wahre Masterclass geschaffen, um den berüchtigten male gaze im Kino zu untersuchen und dabei zu verstehen, wie viele Meisterwerke die Darstellungen von Frauen immer weiter vereinheitlicht haben.
In der eindringlichen, meist direkten Beweisführung kommt alles vor: Bildausschnitt, Kamerabewegung, Beleuchtung, Erzählperspektive. Die Filmemacherin nimmt ein ganzes Jahrhundert Kino unter die Lupe, um uns verständlich zu machen, wie die siebte Kunst zum Sammelbecken für patriarchalische Normen und Fantasien geworden ist. «Brainwashed» zieht eine direkte Linie zwischen der sexuellen Objektivierung auf der Leinwand und Diskriminierung, Gewalt und der Vergewaltigungskultur in unserer Gesellschaft. Der Film wird so zu einem Werk von seltener Gründlichkeit und Bedeutung.
3. «Polish Prayers»
Ein eindringlicher Dokumentarfilm, der einen Zurich Film Award gewann | Kinostart: 09. November 2023
Darum geht's: Der 22-jährige Antek ist ein zutiefst konservativer, katholischer Pole, dessen Leben von seinen strengen Überzeugungen geprägt ist. Doch als er sich verliebt, tauchen das erste Mal Zweifel auf – am Verbot von vorehelichem Sex und schliesslich am Glauben an sich. Antek, der die Hoffnung einer ultrakonservativen polnischen Bruderschaft ist und innerhalb der Gruppe aufsteigen soll, hinterfragt schliesslich immer mehr seiner moralischen Grundsätze.
«Polish Prayers» zeigt anhand einer individuellen Lebensgeschichte, was die polnische Gesellschaft in ihrem Kern bewegt und wie sie sich immer weiter spaltet. Der Debütfilm der Filmemacherin Hanka Nobis begleitet Antek über vier Jahre hinweg und zeigt einen einzigartigen Blick auf die Jugend und verweist auch auf Themen, die nicht nur in Polen im Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussion stehen.
4. «Anatomie d'une chute»
«Anatomie d'une chute» gewann die Goldene Palme in Cannes | Kinostart: 09. November 2023
Darum geht's: Die deutsche Schriftstellerin Sandra (Sandra Hüller) lebt mit ihrem inzwischen überwiegend als Lehrer arbeitenden Ehemann Samuel und dem nach einem Unfall erblindeten Sohn Daniel in einem französischen Bergdorf nahe Grenoble. Als der Gatte nach einem Fenstersturz tot im Schnee liegt, scheint das kein Unfall gewesen zu sein und die Indizien für eine Selbsttötung scheinen eher dürftig. So findet sich Sandra, unterstützt von ihrem befreundeten Anwalt (Swann Arlaud), schliesslich als Hauptverdächtige vor Gericht wieder, wo nicht zuletzt über ihre Ehe und ihr Selbstverständnis als Frau verhandelt wird.
Justine Triet macht aus ihrer zusammen Arthur Harari verfassten Geschichte, die sich hier und da Anleihen bei Hitchcock erlaubt, weniger einen Thriller als ein genau beobachtetes und vor allem enorm facettenreiches Gerichts- und Beziehungsdrama. Spannend ist das jede Minute, nicht zuletzt, weil die Regisseurin ein komplexes Hin und Her zwischen Wahrheit und Wahrnehmung entspinnt und sich ganz auf das Können ihrer Hauptdarstellerin verlässt, mit der sie schon bei «Sibyl» kollaborierte.
5. «Die Tribute von Panem - The Ballad of Songbirds & Snakes»
Das Prequel zur erfolgreichen «Hunger Games» Reihe | Kinostart: 16. November 2023
Darum geht's: Der spätere Präsident von Panem, Coriolanus Snow (Tom Blyth) ist noch ein Schüler und die Hungerspiele stecken noch in den Kinderschuhen, als die Ereignisse von «Die Tribute von Panem - The Ballad of Songbirds & Snakes» stattfinden. Das Prequel begleitet den 18-jährigen Snow, dessen Familie fernab von früherem Reichtum und Macht eine Fassade der Bedeutsamkeit aufrecht erhalten muss.
Die Absolventen aus Snows Klasse werden erstmals in der jungen Geschichte der Hungerspiele einbezogen und sollen Mentoren für die Teilnehmenden der Spiele werden. Snow soll die aufmüpfige Lucy Gray (Rachel Zegler) aus District 12 zum Sieg führen, doch sie scheint kaum eine Chance gegen die kraftstrotzenden Killermaschinen der andere Distrikte zu haben. Doch ihre Stimme und schillernde Persönlichkeit könnten helfen, sie doch noch zur Gewinnerin der brutalen Veranstaltung zu machen.
6. «Die Mittagsfrau»
Verfilmung des gleichnamigen Romans von Julia Franck | Kinostart: 16. November 2023
Darum geht's: Helene (Mala Emde) zieht zu ihrer Schwester Martha (Liliane Amuat) ins wilde Berlin der 20er-Jahre. Während Martha sich ins Nachtleben wirft, möchte Helene ihren Traum wahrmachen und Medizin studieren. Als sie dann auch noch in Karl (Thomas Prenn) die Liebe ihres Lebens findet, scheint das Glück perfekt. Doch das währt nicht lange, denn nicht nur der gesellschaftliche Umsturz durch die Nazis bringt Marthas Leben ins Wanken.
7. «Napoleon»
Der neuste Film des 85-jährigen Regie-Altmeisters Ridley Scott | Kinostart: 23. November 2023
Darum geht's: Napoleon Bonaparte (Joaquin Phoenix) ist einer der ehrgeizigsten und hartnäckigsten Heerführer Frankreichs und kämpft sich mit taktischem Geschick und grossen Schlachterfolgen bis an die Spitze des Staates. Auf dem Weg zur kaiserlichen Krone räumt er skrupellos Gegner aus dem Weg und beginnt eine unbeständige, oft emotional fordernden Beziehung mit seiner grossen Liebe Joséphine.
Nach dem Historiendrama «Gladiator» ist «Napoleon» die zweite Zusammenarbeit zwischen Regie-Legende Ridley Scott («Blade Runner», «Der Marsianer») und Schauspieler Joaquin Phoenix. Im Mittelpunkt stehen neben Napoleons Streben nach Macht und Erfolg und seiner schwierigen Liebe zu Joséphine visuell hochkarätig inszenierte Schlachten und detaillierte Kriegsszenen.
8. «The Boy and the Heron»
Ein neuer Film aus dem Hause Ghibli von Hayao Miyazaki | Kinostart: 23. November 2023
Darum geht's: Der junge Mahito Maki durchlebt während des Zweiten Weltkriegs eine schreckliche Tragödie in seiner Familie. Er zieht aufs Land zu seinem Vater, der für eine Familie arbeitet, die für das japanischen Militär Flugzeuge herstellt. Mahito beginnt seine neue Umgebung zu erkunden, lernt einen Graureiher kennen, der ihm immer wieder begegnet, und findet einen verlassenen Turm, der in eine andere Welt zu führen scheint.
«The Boy and the Heron» wurde von Animationslegende Hayao Miyazaki inszniert, der nach seiner Rückkehr aus der Rente erneut für das Studio Ghibli tätig ist. Der Film ist komplett handgezeichnet und brauchte knapp sieben Jahre bis er vollendet war. Es gibt zahlreiche Parallelen zu Miyazakis eigener Biografie, so musste er während des Krieges zum Beispiel auch aufs Land flüchten, ausserdem verarbeitet der Regisseur den Tod seiner Mutter, die Vorbild für zahlreiche Figuren in seinen Filmen war.
9. «The Old Oak»
Der letzte Film von Ken Loach, der sich damit in die Rente verabschiedet | Kinostart: 23. November 2023
Darum geht's: Auch in Grossbritannien kommen 2016 viele Geflüchtete aus Syrien an. In einem kleinen Ort im Nordosten Englands werden sie dabei nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen. Dort gibt es jede Menge andere Sorgen, denn seit die Gruben geschlossen sind, gibt es kaum noch Arbeit und seitens Regierung werden Regionen wie diese weitgehend ignoriert. Doch während es zwischen den Neuankömmlingen und den Anwohnern zu Spannungen kommt, entspinnt sich zwischen der jungen Syrerin Yara (Ebla Mari) und Pub-Besitzer TJ (Dave Turner) eine zaghafte Freundschaft.
Dass sich Ken Loach gerne aktuelle gesellschaftspolitische Themen vorknöpft, ist nichts Neues. Auch in «The Old Oak» nutzt er offenkundige Konflikte und Missstände für eine sehr menschliche Geschichte, die erfreulicherweise auf eine zugespitzte Überdramatisierung verzichtet. Wie immer hat der Regisseur (genau wie sein langjähriger Drehbuchautor Paul Laverty) dabei das Herz am rechten Fleck.
10. «Wish»
«Wish» ist der neuste Film aus dem Hause Disney | Kinostart: 30 November 2023
Darum geht's: Das Land Rosas wird auch das «Königreich der Wünsche» genannt, denn der König Magnifico kann Wünsche erfüllen – doch er allein entscheidet, welche Wünsche wahr werden. Die junge Asha äussert eines Tages einen besonders mächtigen Wunsch und wird von einer anderen Quelle erhört – einem Stern. Gemeinsam mit dem kleinen Stern stellt sie sich dem König und seiner strengen Wunschpolitik.
11. «Bon Schuur Ticino»
Eine Komödie mit einer eigentümlichen Prämisse, die es nur in der Schweiz geben kann | Kinostart: 30. November 2023
Darum geht's: Schluss mit der Mehrsprachigkeit! Das fordert die Initiative «NO BILINGUE» in der neuen Komödie «Bon Schuur Ticino» und bringt den Vorschlag zur Abstimmung. Noch verrückter als die Volksabstimmung selbst ist nur das Ergebnis: Die Schweiz soll einsprachig werden – französisch für alle! Das ganze Land versinkt im Chaos, die BürgerInnen stürzen in eine tiefe Krise und keiner weiss, wie das am Ende genau klappen soll mit der Umstellung.
Auch der Bundespolizist Walter Egli (Beat Schlatter) hadert mit der Umstellung und dem Vokabeln pauken, muss aber trotzdem dafür sorgen, dass der Übergang reibungslos abläuft und sich alle an die neuen Regeln halten. Doch im Tessin formiert sich Widerstand und Walter bekommt gemeinsam mit seinem welschen Partner den Auftrag, die Gruppe zu unterwandern und aufzulösen. Doch der Auftrag gerät ins Wanken, als der Polizist immer mehr Gefallen an den Tessinern findet.
Welche weiteren Filme demnächst im Kino zu sehen sind, erfährst du hier.
You have to sign in to submit comments.
Login & Signup