Article5. November 2024 Cineman Redaktion
Hinter den Kulissen der Macht: 9 Filme rund um die US-Wahl
Egal, ob die Kampagnenmaschine gerade auf Hochtouren läuft oder die Wahl schon vorbei ist – nach der Wahl ist vor der Wahl und Filme über amerikanische Politik gehen immer! Wir präsentieren 9 Filme über die US-Wahl, ihre Stolpersteine, Intrigen, aber auch ihre populären Ideale. Happy Election Day!
von Lino Cassinat; übersetzt aus dem Französischen
1. «Mr. Smith geht nach Washington» (1939)
Darum geht’s: Jefferson Smith, ein gutmütiger, unschuldiger und bei Kindern beliebter Pfadfinderleiter, wird praktisch durch Zufall zum Senator ernannt. Der Gouverneur des Bundesstaates wählt ihn anstelle eines Politikers für das Amt aus, weil er glaubt, dass er einen etwas naiven Gutmenschen zu seiner Marionette im höchsten amerikanischen Parlament machen kann. Doch Mr. Smith hat ein reines Herz und eine humanistische Leidenschaft, die ihn alle Hindernisse überwinden lässt.
Sehenswert, weil: Ein Klassiker des frühen Hollywoodkinos, aber unbestreitbar: Wenn es nur einen einzigen Film gäbe, der die Ideale des amerikanischen Volkes verkörpert, dann wäre es dieser. Von gutem Willen durchdrungen und von jeglicher Korruption unberührt, verkörpert Mr. Smith den perfekten amerikanischen Staatsmann, reinen Herzens wie ein Kind und von der Idee des Guten besessen. Frank Capra ist auf dem Höhepunkt seiner Filmkunst und James Stewart legendär.
2. «Die Unbestechlichen» (1976)
Darum geht’s: Wie eine grausame Umkehrung von Frank Capras Film zertrümmert «Die Unbestechlichen» den mythologischen Glanz, taucht in die Abgründe der Macht ein und bringt ihre hässlichsten Geheimnisse ans Licht. Der Film zeichnet die journalistische Recherche nach, die zum Watergate-Skandal und zum Rücktritt von Präsident Nixon führte, und ist ein essentieller Klassiker des New Hollywood und des amerikanischen Kinos im Allgemeinen.
Sehenswert, weil: Alan J. Pakula legt hier den grandiosen Grundstein für den modernen Paranoia-Film, aber vor allem dreht er einen von Anfang bis Ende perfekten Thriller. Mit einer düsteren und zugleich atemberaubenden Kameraarbeit und dem Duo Robert Redford / Dustin Hoffmann ist dies zweifellos einer der besten amerikanischen Politthriller.
3. «Bill McKay - Der Kandidat» (1972)
Darum geht’s: Obwohl «Bill McKay - Der Kandidat» nicht der bekannteste Film in der Filmografie des grossen Robert Redford ist, ist er dennoch ein politischer Film mit beissender Ironie. Als in Kalifornien die Senatswahlen anstehen, hat ein Wahlexperte, der für die Demokratische Partei arbeitet, Mühe, einen überzeugenden Kandidaten zu finden. In seiner Verzweiflung und in der Annahme, dass die Wahl verloren ist, überredet er den gutaussehenden und charismatischen Bill McKay, sich als Kandidat zur Verfügung zu stellen. Als Bedingung will McKay nur sagen dürfen, was er wirklich denkt. Doch seine Direktheit lässt seine Umfragewerte in die Höhe schnellen und plötzlich zeichnet sich eine echte Chance ab, das Blatt zu wenden – zum Leidwesen der etablierten Teile der Demokratischen Partei.
Sehenswert, weil: Eine amüsante Fabel über die Fabrik der Kandidat:innen und Politiker:innen und eine scharfe Kritik an Wahlkampfkonventionen und Oberflächlichkeit: «Bill McKay - Der Kandidat» ist eine witzige politische Farce – bis zu einer Schlusspointe, die wie ein Fallbeil fällt.
4. «Selma» (2014)
Darum geht’s: «Selma» ist ein grosser filmischer Bericht über die Bürgerrechtsbewegung in den USA. Er erzählt die Geschichte der Bewegung und konzentriert sich dabei auf die Ereignisse, die 1965 in der Stadt Selma in Alabama stattgefunden haben. Angeführt von Martin Luther King wurde dort ein Marsch zur Unterstützung des Voting Right Act organisiert, der Afroamerikaner:innen endlich das Wahlrecht einräumte.
Sehenswert, weil: Weit davon entfernt, eine plumpe Verherrlichung zu sein (auch wenn der Film einige Vereinfachungen nicht vermeidet), blickt «Selma» hinter die Legende und entblättert mit grosser Präzision die Mechanismen, die einen politischen Wandel ermöglichen, und wie eine Minderheitsidee die öffentliche Meinung gewinnen kann. Ein zeitgenössisches politisches Biopic von grosser Klugheit.
5. «Election» (1999)
Darum geht’s: Jim McAllister ist ein beliebter Lehrer für Sozialkunde an seiner Schule, aber er hat ein Problem: Er hasst seine ehrgeizige Schülerin, die grossmäulige Tracy Flick. Das Problem ist, dass sie die Wahl zum Vorsitzenden des Schülerrats garantiert gewinnen wird, da sie die einzige Kandidatin für diesen langweiligen Posten ist, der niemanden interessiert. Jim manipuliert daraufhin ein beliebtes Mitglied des Footballteams, damit dieses kandidiert und Tracy verliert. Doch diese kleine Gemeinheit stellt die Schule bald auf den Kopf und kostet ihn am Ende eine Menge Geld.
Sehenswert, weil: Alexander Paynes Film handelt zwar nicht von einer nationalen Wahl, aber sein Pendant ist dennoch eine urkomische und bissige Satire auf einen Wahlkampf und seine Auswüchse, die eine Grundsatzdebatte in einen Popularitätswettbewerb verwandeln. Der Film wird von dem tadellosen Duo Reese Witherspoon / Matthew Broderick getragen und sollte dringend wiederentdeckt werden.
6. «Das Gesicht in der Menge» (1957)
Darum geht’s: Larry Rhodes ist nicht nur ein gewöhnlicher Bürger, sondern ein betrunkener Landstreicher, der wegen geringfügiger Vergehen im Gefängnis sitzt. Vom System abgelehnt, tritt er zufällig in einer Radiosendung auf und erhält dafür einen Strafnachlass. Sein Auftritt ist viel rhetorischer und geschickter als erwartet und hinterlässt bei den Zuhörer:innen einen bleibenden Eindruck, so dass der Produzent der Sendung ihm vorschlägt, eine eigene Show auf die Beine zu stellen. Als er aus dem Gefängnis entlassen wird, explodiert die Beliebtheit seiner Talkshow dank seiner scharfen Meinungen und seiner rohen Sprache über alles und nichts, vor allem aber über lokale Politiker:innen. Doch Larry wird nur von sich selbst angetrieben: Er wird alles sagen, solange es seiner Popularität dient.
Sehenswert, weil: Der grosse Elia Kazan drehte «Das Gesicht in der Menge» vor nunmehr über sechzig Jahren, und doch könnte man schwören, dass er eine Zukunftsvision von Donald Trump hatte, so sehr verschmelzen die beiden Figuren, jede eine Kreatur der Medien, miteinander. Nicht unbedingt ein Film über Politik an sich, aber definitiv ein überwältigendes Werk über Hetze und Populismus.
7. «Wag the Dog» (1997)
Darum geht’s: Der amtierende Präsident, der sich um seine Wiederwahl bewirbt, wird zwei Wochen vor dem Wahltag in einen Sexskandal verwickelt. Seine Berater:innen und sein Kommunikationsteam organisieren sofort ein mediales Gegenfeuer und erfinden einfach einen Krieg in Albanien. Eine hochkarätige Show, die jedoch weitreichende Folgen haben wird.
Sehenswert, weil: Unter der Regie von Barry Levinson («Good Morning, Vietnam», «Rain Man») und mit Dustin Hoffmann und Robert de Niro als Hauptdarsteller ist «Wag the Dog» ein Juwel des schwarzen Humors. Doch hinter seinem zynischen Grinsen und seiner Obszönität ist er vor allem ein entwaffnendes Flehen um Ehrlichkeit und ein Appell an die kollektive Intelligenz der Bürger:innen. Brillant!
8. «Tage des Verrats» (2011)
Darum geht’s: Der Gouverneur von Pennsylvania verlässt sich stark auf seinen Wahlkampfleiter Stephen Meyers, damit dieser die Unterstützung eines einflussreichen Senators für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat erhält. Im Gegensatz zu anderen Wahlkampfmanagern ist Stephen Meyers noch nicht abgestumpft, was ihn wenig kompromissbereit macht. Eine noble Einstellung, die aber leider zutiefst unvereinbar mit den politischen Machenschaften ist und zu vielen Enttäuschungen führen wird.
Sehenswert, weil: «Tage des Verrats» ist nicht so sehr ein Film über die Ausübung der Macht an sich, sondern vielmehr über die Schritte, die man unternehmen muss, um eine Chance zu haben, an die Macht zu gelangen. Der Film zeigt eindrucksvoll, dass die Mechanismen, die hinter den Kulissen am Werk sind, manchmal sehr, sehr hässlich sein können. George Clooney liefert ein überraschend ernstes und desillusioniertes Werk ab, das jedoch nicht unberührt lässt.
9. «Vice» (2018)
Darum geht’s: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Präsidentschaft von George W. Bush hauptsächlich von seinem Vizepräsidenten Dick Cheney geleitet wurde. Der ultraliberale, kühle und berechnende Cheney war die dunkle Eminenz einer aus den Fugen geratenen Macht.
Sehenswert, weil: Obwohl «Vice» eine ausgeprägte Gut-und-Böse-Erzählung und eine gewisse Tendenz zur Karikatur aufweist, beeindruckt er durch seinen mehrere Jahrzehnte umfassenden Zeitrahmen und seine zahlreichen historischen Echos. Der Film zeigt auf intelligente Weise, wie das Machtsystem seine eigenen Wachhunde (re)produziert, um dessen eigenes Überleben zu sichern, wenn man es lässt. «Vice» ist ein Pamphlet, das weh tut!
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