Das Interesse an koreanischen Filmen und Serien ist ungebrochen. Seit dem Erfolg von «Squid Game» erscheinen auf Netflix weitere Serien aus Korea in einem beachtlichen Tempo. Koreanische Filme sind bei Fans schon länger sehr beliebt, immer mehr sind sie auch im Streaming verfügbar. Die Vielfalt des koreanischen Kinos darzustellen, ist zwar schwer, doch wir haben 10 Filmtipps zusammengestellt, die dir einen guten Einstieg geben.
von Teresa Vena
1. «The Roundup» (2022)
Ein Haudrauf-Polizist wie Bud Spencer
Darum geht’s: Kriminalpolizist Ma (Ma Dong-seok) ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Strassen von Seoul verbrecherfrei zu machen. Handfeuerwaffen verabscheut er, er nimmt am liebsten seine Fäuste. Ma ist recht effektiv, aber nicht so beliebt bei seinen Vorgesetzten, denn der Kollateralschaden, der während seiner Einsätze entsteht, ist nicht unerheblich. Doch als ein schwerer Verbrecher aus Vietnam nach Korea überführt werden soll, ist man sich einig, dass nur Ma der Sache gewachsen ist.
Sehenswert, weil: dieser zweite Teil der «The Roundup»-Trilogie nicht nur mit spektakulären Actionszenen aufwartet, sondern auch mit vielen humorvollen Pointen. Besonders geschickt sind die kulturellen Unterschiede zwischen Korea und Vietnam inszeniert, die die koreanischen Ermittler erleben. Getragen wird der Film eindeutig von der charismatischen Präsenz des Hauptdarstellers Ma Dong-seok, der ein würdiger Anwärter auf Bud Spencers Nachfolge ist. Bekannt wurde er bereits durch seine ikonische Rolle im südkoreanischen Horrorfilm «Train to Busan», sein Debüt machte er in Hollywood in «Eternals».
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2. «The Chaser» (2009)
Kämpfer unter den Verdammten
Darum geht’s: Zuhälter Joong-ho (Kim Yoon-seok) vermisst zwei seiner Frauen. Als auch noch eine dritte verschwindet, ist er entschlossen, den Freier (Ha Jung-woo) zu finden, der alle drei zu sich bestellt hat. Er hätte aber nicht damit gerechnet, dass dieser ein sadistischer Mörder ist. Joong-ho, der einst Polizist war, beginnt, zu ermitteln. Dann treffen sich die beiden Antagonisten zufällig und eine rasante Verfolgungsjagd beginnt, während Joong-ho die Polizei auf seine Seite ziehen muss, aber auch das jüngste Opfer des Mörders zu retten versucht. Im Schlepptau hat er die kleine Tochter der Frau, um die er sich widerwillig kümmert.
Sehenswert, weil: das Regiedebüt von Na Hong-jin von Anfang an fesselnd ist. In dunklen Farben gehalten, beschreibt der Film ein düsteres Bild einer vernachlässigten Gesellschaftsschicht, die in prekären Verhältnissen lebt. In diesem wendungsreichen Film noir macht die Hauptfigur des Zuhälters/Polizisten eine glaubwürdige und bemerkenswerte Entwicklung durch, ohne dass das Drehbuch übertrieben ins Melodramatische verfällt. Genauso faszinierend ist aber auch der Serienmörder. Beide Figuren leben dank der brillanten Darstellung der beiden Schauspieler.
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3. «A Taxi Driver» (2017)
Wie ein Taxifahrer sein Leben riskierte
Darum geht’s: 1980 ist in Südkorea ein Präsident im Amt, der seine Macht über einen Militärputsch übernommen hat. In der koreanischen Stadt Gwangju finden Demonstrationen gegen die von ihm geführte Politik statt, die letzterer mit Militärgewalt brutal niederschlägt. Ein deutscher Journalist verschafft sich über einen Taxifahrer Zugang zur abgesperrten Stadt, um im Westen über die Ereignisse zu informieren. Das Unterfangen ist für beide gefährlich, der Taxifahrer, der sich bis dahin nicht mit Politik beschäftigt hatte, sieht sich einer für ihn surrealen Situation gegenüber.
Sehenswert, weil: der Film die historischen Ereignisse natürlich massentauglich übersetzt, aber dennoch über einen Teil der koreanischen Geschichte informiert, den man so nur selten behandelt sieht. Abgesehen von der bildenden Dimension des Films ist dieser sehr spannend inszeniert. Der deutsche Darsteller Thomas Kretschmann verblasst etwas im Vergleich zum koreanischen Altmeister Song Kang-ho, dem es gelingt, meisterhaft zwischen Tragik und Komik zu balancieren. Die Schwierigkeit der beiden Protagonisten miteinander zu kommunizieren, ist zudem glaubwürdig umgesetzt, ohne dass auf Klamauk zurückgegriffen wird.
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4. «Telekinese» (2018)
Superkräfte für die Tochter
Darum geht’s: Seok-heon (Ryu Seong-ryong) ist in den Augen seiner Tochter ein Versager. Doch dann bietet sich ihm die Gelegenheit sich, zu rehabilitieren. Skrupellose Immobilienhaie wollen das Viertel sanieren und enteignen, in dem seine Tochter und Ex-Frau sich mit dem eigenen Restaurant eine Existenz aufgebaut haben: Er muss seine plötzlich erlangten telekinetischen Kräfte nutzen. Seok-heon stellt sich an die Spitze der protestierenden Ladeninhaber und führt den Kampf der kleinen Leute an.
Sehenswert, weil: der Film ein sozialkritisches Thema mit spektakulärer Action verbindet und auch Raum für schwarzen Humor hat. Zu Beginn muss sich der Protagonist an seine neuen Superkräfte gewöhnen, weswegen es zu einigen lustigen Szenen mit den ersten Fehlversuchen kommt. Dem Darsteller Ryu Seong-ryong gelingt die Verwandlung vom Aussenseiter zum Helden auf eindrückliche Weise.
Verfügbar auf Netflix
5. «20th Century Girl» (2022)
Der Wert der Freundschaft
Darum geht’s: Bo-ra (Kim Yoo-jung) und Yeon-du (Roh Yoon-seo) sind beste Freundinnen. Als Yeon-du wegen ihrer Herzkrankheit in die USA reist, um sich operieren zu lassen, soll Bo-ra Yeon-dus Schwarm Hyun-ji (Park Jung-woo) in der Schule näher kommen und für Yeon-du so viel Informationen wie möglich über ihn sammeln. Bo-ra nimmt ihre Aufgabe sehr ernst und verbringt viel Zeit mit Hyun-ji und seinem besten Freund Woon-ho (Byeon Woo-seok). Was sie nicht erwartet hatte, war, dass sie sich selbst unsterblich verlieben würde.
Sehenswert, weil: das Regiedebüt der koreanischen Regisseurin Bang Woori zwar teilweise ein wenig kitschig ist, aber auch sehr anrührend und vor allem die Stimmung um die Jahrtausendwende humorvoll einfängt. Die Ausstattung ist sorgfältig wiedergegeben, das Drehbuch bemüht sich um eine feine Charakterzeichnung, die es ermöglicht, sich in die Figuren hineinzufühlen – auch wenn die eigenen Zeiten des Frischverliebtseins vielleicht etwas weiter zurückliegen. Insbesondere Kim Yoo-jung als Bo-ra besticht durch ihre ansteckende Energie.
Verfügbar auf Netflix
6. «Night in Paradise» (2020)
Die zerstörerische Kraft von Rache
Darum geht’s: Taegu (Eom Tae-goo) will aus dem Verbrechersyndikat, dem er seit Ewigkeiten angehört, aussteigen, um sich um seine Schwester und seinen Neffen zu kümmern. Doch bevor es dazu kommt, werden die beiden von einem seiner Rivalen ermordet. Dafür rächt er sich und tötet ein mächtiges Mitglied einer Gang. Einen Gegenschlag befürchtend, flieht er auf die Insel Jeju, wo er eine junge alleinerziehende Mutter und ihre Tochter kennenlernt und sich langsam mit ihnen anfreundet.
Sehenswert, weil: dieses düstere Racheepos mit überbordenden Bildern fasziniert und die Unterwelt sinnlich und opulent darstellt. Neben der spannungsreichen Handlung kommt auch die dramatische Wendung der Geschichte nicht zu kurz. Die Beziehung zwischen den Figuren ist nachvollziehbar und rührend. In der Hauptrolle des getriebenen Mannes, der mit seiner Vergangenheit aufräumen möchte und sich für eine gute Sache einsetzen will, kommt Schauspieler Eom Tae-goo hervorragend zur Geltung.
Verfügbar auf Netflix
7. «Bittersweet Life» (2005)
Sturheit kann tödlich sein
Darum geht’s: Hotelbesitzer und Oberhaupt eines Verbrechersyndikats Kang (Kim Young-cheol) muss auf Geschäftsreise. Er betraut seinen vertrauensvollsten und ergebensten Mitarbeiter Sun-woo (Lee Byung-hun) damit, in der Zwischenzeit auf seine junge Freundin aufzupassen. Sollte sie ihm fremdgehen, muss er ihn sofort informieren oder die beiden Liebhaber selbst erbarmungslos bestrafen. Die junge Frau ist tatsächlich nicht treu, doch Sun-woo zögert im entscheidenden Moment und verschont sie. Davon erfährt Kang im Anschluss, Sun-woo fällt in Ungnade. Dafür will er sich rächen.
Sehenswert, weil: die Koreaner für Rachedramen bekannt sind und Regisseur Kim Jee-won ein Meister darin ist. Von ihm stammt unter anderem auch «I Saw the Devil» (2010), der gemeinsam mit «Bittersweet Life», beide Titel können durchaus wörtlich genommen werden, zu den besten Werken des Fachs zählen: Schnelle Inszenierung, kompromisslose Darstellung von Gewalt, differenzierte Charakterzeichnung und eine präzise wie scharfsinnige Kameraführung, die die Spannung des Films keine Sekunde unterbricht. Hauptdarsteller Lee Byung-hun spielt mit stoischer Miene in einer seiner besten Rollen.
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8. «Haewon und die Männer» (2013)
Die Qual der Wahl
Darum geht’s: Die Studentin Haewon (Jung Eun-chae) ist sich unsicher, wo es im Leben hingehen soll. Braucht sie einen Mann, um etwas zu erreichen? Wer kann ihr am meisten bieten, ihr gleichaltriger Freund, der amerikanische Verehrer oder der verheiratete, ihr aber verfallene Dozent (Lee Sun-kyun)? Auf ihren regelmässigen Spaziergängen trifft sie sich mit ihnen, meist reden sie aneinander vorbei.
Sehenswert, weil: sich die Filme von Hong Sang-soo immer lohnen. Er ist nicht nur in Korea, sondern weltweit einer der produktivsten Regisseure, der im Jahresrhythmus einen neuen Film herausbringt. Von ein paar Ausnahmen abgesehen bieten seine Werke aber immer wieder etwas Eigenständiges, Originelles. Was seine Stoffe, abgesehen vom trockenen Humor, gemeinsam haben, sind die Themen Freundschaft, Liebe und Selbstreflexion der Protagonisten. Oft machen sich ältere Männer in ihrem Liebeswerben für (jüngere) Frauen etwas lächerlich. Ähnlich wie auch in «Haewon und die Männer» der Dozent, der von einem der wandlungsfähigsten Darstellern Koreas gespielt wird, Lee Sun-kyun. Übrigens hat auch Jane Birkin einen Auftritt im Film.
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9. «Pieta» (2012)
Verbunden durch Gewalt
Darum geht’s: Kang-do (Lee Jung-jin) ist ein skrupelloser Geldeintreiber. Wenn sein Chef es verlangt, prügelt er die Schuldner krankenhausreif. Eines Tages steht eine Frau (Cho Min-soo) vor seiner Tür, begehrt Einlass und beginnt, sich um ihn und den Haushalt zu kümmern. Stumm erträgt sie seine abweisende Art, bleibt, auch als er sie verjagen will. Langsam entwickeln sich zwischen ihnen ein Verhältnis wie zwischen Mutter und Sohn – es handelt sich aber nicht unbedingt um ein sehr liebevolles.
Sehenswert, weil Regisseur und Enfant terrible Kim Ki-duk (2020 an Corona gestorben) mit diesem Film 2012 den Hauptpreis beim Filmfestival in Venedig gewonnen und seinen Ruf als Autor tief berührender, brutaler und hoch philosophischer Filme auf einmal international behauptet hat. «Pieta» wird den meisten im Gedächtnis bleiben, ob man sich mit der Geschichte identifizieren kann oder nicht. Abgesehen von der Wucht der Handlung, besticht der Film auch durch seine tableauartigen Bilder und die suggestiv geführte Kamera.
Verfügbar on Demand auf Apple TV+
10. «The Host» (2006)
Eine Familie und ein Monster
Darum geht’s: Der Han-Fluss in Seoul ist durch giftige Chemikalien kontaminiert worden. Ein Monster in Echsenform hat sich daraus entwickelt und frisst die Menschen auf, die ihm über den Weg laufen. Die Tochter aus der Park-Familie wurde vom Monster verschleppt, die restlichen Familienmitglieder ziehen los, um sie aus seinen Fängen zu befreien. Von der Polizei können sie keine Hilfe erwarten, also müssen die Aussenseiter über sich selbst hinauswachsen, damit die Mission gelingt.
Sehenswert, weil: Bong Joon-ho hier Monster-Film im Stil der Godzilla-Saga mit bissiger Gesellschaftssatire verbindet. Seine Protagonisten, wie oft in seinen Filmen, gehören einer unteren sozialen Klasse an und müssen sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen. Die Figur des Familienvaters wird von Song Kang-ho gespielt, der später eine ähnliche Rolle in Bongs «Parasite» übernommen hat. Spannung, Gruselfaktor und absurder Humor mischen sich zu einem unterhaltsamen Abenteuer. Die Kanalisation Seouls wird zum ungewöhnlichen Schauplatz und eröffnet einen seltenen Blick auf die Stadt.
Verfügbar on Demand auf Kino on Demand
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