Article6. Dezember 2022 Cineman Redaktion
Geschichte schreiben: Die 13 besten Historienfilme auf Netflix
Für ein von seinen visuellen Qualitäten lebendes Medium wie den Film sind historische Stoffe ein gefundenes Fressen. Frühere Epochen lassen sich im Szenen-, Kostüm- und Maskenbild akribisch nachstellen. Und das Publikum kann sich in eine andere Welt abseits der eigenen Realität begeben. 13 sehenswerte period movies, die es auf Netflix zu sehen gibt, wollen wir euch im Folgenden kurz und knackig vorstellen.
Artikel von Christopher Diekhaus
1. «Glory» (1989)
Darum geht’s: Der junge Colonel Robert Gould Shaw (Matthew Broderick) wird während des US-amerikanischen Bürgerkriegs verwundet und erhält nach seiner Genesung den Auftrag, ein ausschliesslich aus schwarzen Soldaten bestehendes Infanterieregiment zusammenzustellen. Als diverse Unstimmigkeiten aus dem Weg geräumt sind, soll die Einheit bei der Eroberung eines strategisch wichtigen Forts der Konföderierten helfen. Ein riskantes Unterfangen…
Sehenswert, weil… der von Edward Zwick in Szene gesetzte Film mit der historisch belegten Einheit aus afroamerikanischen Soldaten ein im Kino wenig beachtetes Kapitel des Bürgerkriegs in den Blick nimmt. Kritisch anmerken kann man gewiss, dass die Handlung vor allem aus der Sicht des weissen Colonels erzählt ist.
Genre: Biografie, Drama, History
2. «Schindlers Liste» (1993)
Darum geht’s: Der Unternehmer Oskar Schindler (Liam Neeson), ein NSDAP-Mitglied, gibt während des Zweiten Weltkriegs seine opportunistische Haltung auf, als er sieht, wie jüdische Mitbürger von den Nazis verfolgt werden. Um einige von ihnen vor dem Tod in den Konzentrationslagern zu retten, stellt er sie in seinen Fabriken an.
Sehenswert, weil… sich der vor allem für seine Unterhaltungserfolge bekannte Regiegigant Steven Spielberg, selbst jüdischer Abstammung, mit Feingefühl an ein schwieriges und äusserst ernstes Thema heranwagt. «Schindlers Liste» basiert auf einem halbdokumentarischen Roman des Australiers Thomas Keneally und schildert in über drei Stunden, wie in einer unmenschlichen Umgebung ein Funke Menschlichkeit aufblitzt.
Einige Hollywood-Elemente sind durchaus vorhanden. Und die Frage, ob man den Holocaust mit den Mitteln des Kinos überhaupt darstellen kann, darf man stellen. Insgesamt ist der preisgekrönte Film aber ein bemerkenswerter, eindringlicher und emotional aufwühlender Beitrag über den Schrecken der Nazizeit.
Genre: Biografie, Drama, History
3. «Das Schicksal» (1997)
Darum geht’s: Im arabischen Andalusien des 12. Jahrhunderts wird der maurische Philosoph und Rechtsgelehrte Ibn Rushd (Nour El-Sherif), auch bekannt unter seinem latinisierten Namen Averroes, vom Kalifen von Córdoba (Mahmoud Hemida) gefördert. Seine aufklärerischen Schriften und Haltungen geraten jedoch unter Beschuss, als das Oberhaupt in den Bann fanatischer Kräfte gerät.
Sehenswert, weil… der für seine Arbeiten oft angefeindete ägyptische Filmemacher Youssef Chahine den Mut aufbringt, damals wie heute explosive Themen aufzugreifen. «Das Schicksal» handelt von einem freigeistigen Menschen, führt uns in die maurische Lebenswelt auf der iberischen Halbinsel ein, warnt vor religiösem Fanatismus und einer zu engen Auslegung göttlicher Schriften und überrascht mit einem Mix aus Historiendrama, Liebesgeschichte und Musical.
Eines steht ausser Frage: Von seiner Aktualität hat der Film auch 25 Jahre nach seinem Erscheinen nichts eingebüsst, gewinnen doch überall auf der Welt radikale Strömungen an Einfluss.
Genre: Komödie, Drama, History
4. «Gladiator» (2000)
Darum geht’s: Der im Kampf erfolgreiche römische Feldherr Maximus Decimus Meridius (Russell Crowe) muss in seine Heimat fliehen, als Commodus (Joaquin Phoenix) den eigenen Vater, Kaiser Mark Aurel (Richard Harris), tötet, um nach der Macht zu greifen. Nach der Ermordung von Frau und Kind gerät der desillusionierte Maximus in die Gefangenschaft von Sklavenhändlern, die ihn irgendwann an eine Gladiatorenschule verkaufen.
Sehenswert, weil… das nur sehr frei auf historische Personen und Ereignisse zurückgreifende Epos eine mitreissende, schauspielerisch fulminant dargebotene und Schlachtpanoramen überwältigend in Szene setzende Geschichte erzählt.
Regisseur Ridley Scott fährt alle nur erdenklichen Geschütze auf, um uns in die raue, brutale Welt des antiken Roms zu entführen, und verhalf dem toten Genre des Sandalenfilms mit seinem preisgekrönten Werk zu einem kurzlebigen, aber aufsehenerregenden Comeback. In dieser Liste ist «Gladiator» ein Grenzfall, da das Meiste der Fantasie der Macher entspringt. Wenn Monumentalkino so packend gerät wie hier, muss es allerdings nicht immer historisch akkurat sein.
Genre: Action, Abenteuer, Drama
5. «Public Enemies» (2009)
Darum geht’s: In den 1930er-Jahren ziehen John Dillinger (Johnny Depp) und seine Bande durchs Land und rauben reihenweise Banken aus. FBI-Direktor J. Edgar Hoover (Billy Crudup) will den Kriminellen um jeden Preis das Handwerk legen und betraut den fähigen Agenten Melvin Purvis (Christian Bale) mit dieser Aufgabe. Während er die Polizei in Atem hält, lernt Dillinger die Garderobiere Billie Frechette (Marion Cotillard) kennen.
Sehenswert, weil… Michael Mann den historischen, sich allerdings viele dramaturgische Freiheiten nehmenden Gangsterthriller dank Digitaltechnik in einer ungewöhnlichen Optik erstrahlen lässt. Dabei fängt er die Rastlosigkeit der Hauptfigur durch unstete, nah ans Geschehen heranrückende Handkamerabilder ein.
Johnny Depp, der in letzter Zeit leider nur noch mit seinem turbulenten Privatleben für Schlagzeilen sorgte, setzt hier sein Charisma gewinnbringend ein, um Dillinger den Hauch eines arroganten Popstars zu geben. In sich haben es fraglos auch einige der gut gebauten Spannungssequenzen, in denen regelrechte Bleigewitter auf den Zuschauer niederregnen.
Genre: Action, Biografie, Krimi
6. «Bright Star» (2009)
Darum geht’s: Im Jahr 1818 lernt die junge Schneiderin Fanny Brawne (Abbie Cornish) den Dichter und Romantiker John Keats (Ben Whishaw) kennen und entwickelt ein Interesse für die Poesie. Die sich anbahnende Romanze sehen sowohl Johns Freund Charles Brown (Paul Schneider) als auch Fannys Mutter (Kerry Fox) äusserst kritisch.
Sehenswert, weil… Michael Mann der unter der Regie von Jane Campion entstandene Liebesfilm auf melodramatische Ausschmückungen verzichtet, Keats‘ Lyrik unaufdringlich in die Geschichte einfliessen lässt und soziale Normen sowie Geschlechterrollen untersucht. Eine bestechende Kameraarbeit und eine eindringlich spielende Hauptdarstellerin runden den positiven Gesamteindruck von «Bright Star» ab.
Genre: Drama, Biografie, Romanze
7. «Das Tagebuch der Anne Frank» (2016)
Darum geht’s: An ihrem 13. Geburtstag bekommt die aus einer jüdischen Familie stammende Anne Frank (Lea van Acken) ein Tagebuch geschenkt, dem sie fortan ihre Gedanken und Ängste anvertraut. Schliesslich nimmt die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten immer schrecklichere Formen an. Kurz darauf müssen Anne und ihre Verwandten untertauchen und verstecken sich zusammen mit einigen anderen Personen in einem engen Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht 263.
Sehenswert, weil… der Film auf Basis des weltberühmten Tagebuchs das emotional fesselnde Porträt einer hadernden, aber auch lebenshungrigen und kämpferischen Jugendlichen entwirft. Die schon in früheren Werken mit Präsenz und Energie glänzende Lea van Acken erweist sich als starke Wahl und trägt entscheidend zur Intensität des biografischen Dramas bei. Verschmerzen lässt sich vor diesem Hintergrund, dass Regisseur Hans Steinbichler keine aussergewöhnlichen formalen Akzente setzt.
Genre: Drama
8. «Dunkirk» (2017)
Darum geht’s: Im Frühjahr 1940 haben sich alliierte Kräfte in die nordfranzösische Stadt Dünkirchen zurückgezogen und werden dort von den deutschen Feinden eingekesselt. Auf unterschiedlichen Wegen wird ein gigantisches Evakuierungsmanöver ins Rollen gebracht.
Sehenswert, weil… der als virtuoser Erzähler bekannte Christopher Nolan einmal mehr beweist, dass er eine Story überraschend und spannungstechnisch wirkungsvoll zu konstruieren weiss. «Dunkirk» bezieht seinen besonderen Reiz aus einer eigenwilligen, drei Perspektiven abbildenden Struktur.
Die geschilderten Ereignisse an Land nehmen eine Woche an Handlungszeit ein, die Geschehnisse auf dem Meer einen Tag und die Vorkommnisse in der Luft eine Stunde. Nicht von ungefähr wurde bei der Oscar-Verleihung 2018 unter anderem der die verschiedenen Ebenen ordnende Schnitt von Lee Smith mit einer Trophäe ausgezeichnet.
Genre: Action, Drama, Thriller, Krieg
9. «The King» (2019)
Darum geht’s: Widerwillig besteigt der junge Draufgänger Hal (Timothée Chalamet) als Heinrich V. den englischen Thron und müht sich redlich, der kriegerischen Politik seines Vaters ein Ende zu setzen. Mit der Realität lassen sich seine Pläne aber nur schwer vereinbaren. Spätestens als es zu Provokationen durch den französischen König kommt, fordern viele Menschen am Hof eine deutliche Antwort des jungen Monarchen.
Sehenswert, weil… der Elemente verschiedener Shakespeare-Stücke aufgreifende Film das Dilemma des von Timothée Chalamet überzeugend verkörperten Protagonisten greifbar macht und sich nicht dem üblichen Pomp historischer Werke hingibt. Erdfarbene Töne verleihen dem Ganzen einen bodenständig-authentischen Anstrich.
Generell wird das Erzähltempo gedrosselt. Und in den seltenen Schlachtsequenzen geht es spürbar weniger überhöht zur Sache als in anderen Mittelalterepen Hollywoodscher Provenienz. Für echte Knalleffekte sorgt einzig Robert Pattinson mit einer freidrehenden Performance in der Rolle des französischen Königssohnes.
Genre: Drama, Krieg, Geschichte
10. «Elisa & Marcela» (2019)
Darum geht’s: Im Jahr 1898 lernen sich in einer Klosterschule die beiden jungen Spanierinnen Elisa Sánchez Loriga (Natalia de Molina) und Marcela Gracia Ibeas (Greta Fernández) kennen und knüpfen eine inniges Band. Auch eine Trennung kann ihre zu einer Liebe anwachsende Beziehung nicht zerstören. Als sie einige Zeit später in einem Dorf gemeinsam glücklich werden wollen, bekommen sie die Ablehnung der Gesellschaft auf drastische Weise zu spüren. Um ihre Zukunft zu sichern, müssen Elisa und Marcela erfinderisch werden.
Sehenswert, weil… Regisseurin und Drehbuchautorin Isabel Coixet die bewegende Geschichte der ersten dokumentierten gleichgeschlechtlichen Eheschliessung Spaniens in betörende Schwarz-Weiss-Bilder kleidet und für einen Aufschrei gegen Ausgrenzung und Intoleranz nutzt.
Dem Film fehlt es hier und da an Kraft und Überraschungsmomenten. Das hingebungsvolle Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen lässt einen aber dennoch meistens emotional mitgehen.
Genre: Drama, LGBT, Liebesfilm
11. «Der Ball der 41» (2020)
Darum geht’s: Der mexikanische Kongressabgeordnete Ignacio de la Torre (Alfonso Herrera) heiratet die Tochter des Präsidenten, fühlt sich in der Ehe allerdings nicht wohl und besucht regelmässig einen geheimen Club für schwule Männer der gehobenen Gesellschaft. Seine Affäre mit Evaristo Rivas (Emiliano Zurita) und seine Besuche in besagter Runde bringen ihn mehr und mehr in Bedrängnis.
Sehenswert, weil… das zwischen Fakten und Fiktion schwankende Historiendrama ein detailreiches Szenenbild und starke visuelle Einfälle mit einer aufwühlenden Erzählung um persönliches Begehren und gesellschaftliche Ächtung verbindet. Den titelgebenden Ball der 41, der durch eine schlagzeilenschreibende Razzia gesprengt wurde, gab es wirklich.
Einiges rund um den Protagonisten haben sich Regisseur David Pablos und Drehbuchautorin Monika Revilla allerdings ausgedacht. Ignacio de la Torres sexuelle Orientierung etwa ist bis heute Gegenstand von Spekulationen.
Genre: Biopic, Drama
12. «The Trial of the Chicago 7» (2020)
Darum geht’s: Einige Pazifisten, die sich nicht kennen, aber gegen den Vietnamkrieg auf die Strasse gehen wollen, reisen im Jahr 1968 zu einer Grossdemonstration in Chicago. Das Event nimmt einen verheerenden Verlauf, als die Polizei gewaltsam gegen die versammelten Protestler und Journalisten vorgeht. Ein paar Monate nach den Geschehnissen finden sich sieben Männer, die sogenannten «Chicago 7», vor einem Gericht wieder und werden unter anderem wegen Aufhetzung zu einem Volksaufstand angeklagt.
Sehenswert, weil… der für seine messerscharfen und zackigen Dialoge berühmte Aaron Sorkin den Fall der «Chicago 7» in ein packendes, mit starken Wortduellen gespicktes Gerichtsdrama überführt, das nicht zuletzt von seinen guten schauspielerischen Leistungen lebt. Das aufgeheizte Klima der ausgehenden 1960er-Jahre arbeitet der Film ebenso heraus wie die Parallelen zu unserer nicht minder bewegten Gegenwart.
Genre: Drama
13. «Die Ausgrabung» (2021)
Darum geht’s: Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beauftragt Edith Pretty (Carey Mulligan) den Hobby-Archäologen Basil Brown (Ralph Fiennes), eine Grabstätte auf ihrem Grund und Boden genauer zu untersuchen. Als sie einen spektakulären Fund machen, lockt dies viele Forscher an, die an daran Anteil haben möchten.
Sehenswert, weil… Regisseur Simon Stone und Drehbuchautorin Moira Buffini den gleichnamigen Roman aus der Feder von John Preston in einen vielleicht nicht sehr komplexen, dafür aber erfrischend unaufgeregten Film über Vergänglichkeit und Geschichte verwandeln.
Die beiden gut harmonierenden Hauptdarsteller und die stimmungsvollen Bilder der Landschaft im Osten Englands lassen den Betrachter in die Handlung abtauchen.
Genre: Drama
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