Review24. August 2018

Netflix-Miniserie «Ghul»: Häppchenweise indischer Dystopie-Horror

Netflix-Miniserie «Ghul»: Häppchenweise indischer Dystopie-Horror
© Netflix

Nach Erfolgen wie «Insidious» oder «Get Out» tastet sich die Produktionsfirma Blumhouse an Netflix heran – die Mini-Serie «Ghul» ist jedoch auch für den Streaming-Giganten neues Terrain, bekommen wir es doch erstmals mit Horror aus Indien zu tun. Und dieser ist nicht gerade zimperlich.

Dystopische Zukunftsvision

Die Muslimin Nida (Radhika Apte) ist alles, was ihr Vater (S.M. Zaheer) nicht ist: Autoritätsgläubig, gehorsam, immer dem Gesetz entsprechend. Deshalb ist es auch sie, die angehende Soldatin, die ihren Professoren-Vater für den verbotenen Besitz von Büchern und dem Nichtbefolgen des staatlich vorgeschriebenen Lehrplans anklagt und ihn so ins Gefängnis bringt. In «Ghuhls» futiristisch-dystopischem Indien werden religiöse Bürger schikaniert, Terroristen gefoltert, Minderheiten verfolgt – vor den Intellektuellen hat man offensichtlich ebenso Angst. Nida will ihren Vater lediglich zur Vernunft bringen; glaubt, er werde nach einigen harten Tagen im Gefängnis wieder freigelassen.

Kurz darauf wird sie einige Wochen vor ihrem Abschluss der rigiden Soldatenausbildung dann versetzt: In ein unterirdisches Militärgefängnis, wo sie vom diensthabenden Leutnant erstmal für die mutige Tat, ihren eigenen Vater ins Gefängnis gebracht zu haben, gelobt wird. Die Musterschülerin eigne sich perfekt für die harten Verhöre von mutmasslichen Terroristen, denen man auf Teufel komm raus ein Geständnis entlocken will – notfalls auch mit roher Gewalt und rabiaten Foltermethoden. Ihr erster Fall wird der seit Jahren gesuchte Terrorist Ali Saeed (Mahesh Balraj), der bei seiner Ankunft im Befragungscenter immer dasselbe vor sich hinmurmelt und sogar Nidas Spitznamen kennt – den nur ihr Vater je benutzt hat. Schreckliche Albträume, mysteriöse Ausfälle der Technik und Wärter, die aufeinander losgehen, sind nur einige skurrile Dinge, die nach der Ankunft des neuen Häftlings folgen...

Düster, beklemmend, aussichtslos: Das militärische Befragungscenter, wo sich die meisten Szenen von «Ghul» abspielen.
Düster, beklemmend, aussichtslos: Das militärische Befragungscenter, wo sich die meisten Szenen von «Ghul» abspielen. © Netflix

Folter, Blut und Gewalt dominieren «Ghul»

Die dreiteilige Serie aus den Federn von Patrick Graham ist eine Co-Produktion von Ivanhoe Pictures, Phantom Films und Blumhouse Productions, die im letzten Jahr unter anderem den Überraschungshit «Get Out» zu verantworten hatten. Ursprünglich war das Projekt als Spielfilm angedacht, wurde aber auf halbem Weg von Netflix aufgekauft und dann zu einer rund 120-minütigen Miniserie geschnitten. Das merkt man auch: Der Spannungsbogen funktioniert – auch bedingt durch unterschiedliche Schwerpunkte der einzelnen Episoden – eher bezogen auf die gesamte Serie, als pro Episode einzeln.

Zumindest bietet sich für zarte Gemüter die Möglichkeit, zwischen den Episoden eine kleine Pause einzulegen. Die Gewalt in «Ghul» ist nämlich nicht gerade zimperlich: Wenn der Horror wenig auf genretypische Jumpscares setzt, dann schockt er den Zuschauer ab der zweiten Folge eher mit roher Gewalt, zum Beispiel in Form von unvorstellbaren Folterszenen. Entscheidend dazu beitragen tut auch das Setting der Low-Budget-Produktion: Die meiste Zeit spielt der Film im unterirdischen Militärgefängnis – ohne Tageslicht, beklemmend und aussichtslos. Wenn dann erst der Ghul – eine aus der arabischen Mythologie stammende Figur, welche die grössten Sünden seines Gegenübers fühlen kann und sich per Biss in andere Personen verwandelt – auftaucht, wird das Ganze doch ziemlich unbequem.

Eine intensive Darstellung: Radhika Apte spielt die Verhörspezialistin Nida.
Eine intensive Darstellung: Radhika Apte spielt die Verhörspezialistin Nida. © Netflix

Der kleine Cousin von «Get Out»?

Eine gewisse Ähnlichkeit zu «Get Out» lässt sich nicht abstreiten, denn wie der Film von Jordan Peele ist auch «Ghul» äusserst gesellschaftskritisch, was dem indischen Film erst seine beängstigende Note verleiht. Ein striktes Regime, Terror-Bekämpfung, religiöser Fanatismus, Nationalismus: Alles Dinge, die wir anhand der Protagonistin Nida erleben – wobei deren Figur im Verlauf der Geschichte eine ziemliche Wandlung hinlegt. Dass die Reise durch den Militärbunker so gut funktioniert, ist auch der intensiven und vielschichtigen Darstellung von Radhika Apte zu verdanken, die dieses Jahr in ganzen drei Produktionen von Netflix zu sehen ist.

Mit einem Plot, der erst in der zweiten Folge an Fahrt aufnimmt und vielen gesellschaftspolitischen Einwürfen wird «Ghul» Fans des klassischen Horror-Genres wohl eher nicht glücklich machen. Für alle anderen könnte sich die rein indisch besetzte Mini-Serie aber als überraschend intensive Horror-Erfahrung entpuppen.

3.5 von 5 ★

Die dreiteilige Mini-Serie «Ghul» ist ab dem 24. August auf Netflix verfügbar.

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