Review9. September 2024 Cineman Redaktion
Venedig 2024: «The Room Next Door»: Farbenfrohe Sterbehilfe
Zum ersten Mal hat Pedro Almodóvar einen Langfilm auf Englisch gedreht und in den USA angesiedelt. Auf herausragende Schauspielerinnen (dieses Mal: Tilda Swinton und Julianne Moore) sowie eine leuchtend bunte Bildgestaltung setzt er natürlich trotzdem.
«The Room Next Door»: Farbenfrohe Sterbehilfe
Pedro Almodóvar | 110 min.
Ein Text von Patrick Heidmann
Zur Weltpremiere von «The Room Next Door» sorgte Pedro Almodóvar im rosaroten Anzug für ein bisschen frischen Wind auf dem roten Teppich bei den Filmfestspielen in Venedig. Und auch im Wettbewerb brachte der spanische Ausnahmeregisseur mit seinem neuesten Film, der erst wenige Monate zuvor abgedreht wurde, reichlich Farbe.
«The Room Next Door» ist der erste englischsprachige Langfilm Almodóvars und basiert auf einem Roman der preisgekrönten US-Autorin Sigrid Nunez. Die Schriftstellerin Ingrid (Julianne Moore) erfährt zufällig von der Krebserkrankung ihrer früheren Freundin, der Kriegsreporterin Martha (Tilda Swinton). Die beiden Frauen hatten sich lange aus den Augen verloren, nun flammt nach einem Höflichkeitsbesuch eine neue Nähe zwischen den beiden auf. Als sich Marthas Diagnose verschlechtert, besorgt sie sich eine Tablette, mit deren Hilfe sie selbstgewählt aus dem Leben scheiden will. Von Ingrid wünscht sie sich, dass diese sie dafür in ein Ferienhaus ausserhalb der Stadt begleitet und im Zimmer nebenan ihrem Tod beiwohnt.
Etwas holprig lässt sich diese Geschichte an, was auch daran liegt, dass die Dialoge anfangs manchmal klingen, als entstammen sie einem mittelmässigen Übersetzungsprogramm. Doch je enger die Bindung zwischen den beiden Frauen wird und je weniger sich Almodóvar mit Rückblenden in Marthas Vergangenheit aufhält, desto mehr zieht «The Room Next Door» das Publikum auf zarte, komplexe Weise in seinen Bann.
Der Film sei ein klares Statement für die Sterbehilfe, sagte der Spanier bei der Pressekonferenz in Venedig. Aber er ist eben noch viel mehr: eine Geschichte über Freundschaft, Vergänglichkeit und – wie so oft bei Almodóvar – Mutterschaft, gespickt mit Warnungen vor der Klimakatastrophe und Referenzen an James Joyce. Nur was die farbenfrohe Bildgestaltung angeht, übertreibt er dieses Mal fast ein wenig – und verpasst selbst der letzten Kaffeetasse noch ein so knalliges Design, als müsse er kompensieren, dass er nicht daheim im bunten Spanien ist.
4 von 5 ★
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