Article17. Januar 2020 Noëlle Tschudi
3 Gründe, wieso «Platzspitzbaby» unter die Haut geht
2015 sorgte Michelle Halbheer mit ihrem Autobiografie “Platzspitzbaby” über eine Kindheit mit einer drogenabhängigen Mutter für grosses Aufsehen, nun läuft das gleichnamige, an ihre Erlebnisse angelehnte Schweizer Drama von «Wilder»-Regisseur Pierre Monnard im Kino. Drei Gründe, warum der Film unter die Haut geht.
1. Der Film wird dem gleichnamigen Bestseller gerecht.
Bei Pierre Monnards Drama handelt es sich um einen der meisterwarteten Schweizer Filme des aktuellen Jahres, was nicht nur dem grossen Erfolg seiner Krimi-Serie «Wilder», sondern insbesondere auch Michelle Halbheers autobiografischen Buchvorlage zu verdanken ist.
Im Bestseller wird deren Kindheit mit einer heroinabhängigen Mutter thematisiert. Doch auch überforderte Behörden spielen darin eine nicht unerhebliche Rolle. Schliesslich hätten diese laut Michelle Halbheer nicht nur ihr, sondern auch zahlreichen anderen Kindern mit drogenabhängigen Eltern helfen können. Genau jenen sogenannten «vergessenen» Kindern der Drogenszene widmet sie ihr Werk, mit dem sie auf die immer noch bestehende Problematik aufmerksam zu macht.
Für Monnards Coming-of-Age-Drama wurden zwar einige Änderungen am Originalstoff vorgenommen, Kenner von Michelle Halbheers emotionalem Werk werden nichtsdestotrotz viele einzelne Episoden wiedererkennen. Verwoben mit weiteren Erlebnissen aus ihrem Leben und demjenigen anderer Betroffener führt einem «Platzspitzbaby» das Schicksal der vergessenen Kinder vor Augen und schafft somit ein Bewusstsein für die Frage nach dem Umgang mit den oft übersehenen Leidtragenden elterlichen Drogenkonsums.
2. Sarah Spale und Luna Mwezi glänzen in den Hauptrollen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Pierre Monnard Sarah Spale eine Hauptrolle anvertraut: In der Krimi-Serie «Wilder» überzeugt sie als Kommissarin Rosa Wilder, in der ersten Kinohauptrolle überhaupt verkörpert sie nun eine heruntergekommene Junkie-Mutter, die sich in den 90ern auf dem Zürcher Platzspitz mit Heroin eindeckt und dabei das Leben ihrer Tochter gefährdet.
In ihrer Rolle in schockiert, erschüttert und ängstigt sie zuweilen – kurz: Die eindrückliche Darbietung als drogenabhängige Mutter, deren Stimmung immer wieder zu kippen droht, wirkt allzeit authentisch und macht betroffen. Die von Wutausbrüchen begleitete Abwärtsspirale, welche den anhaltenden Drogenkonsum begleitet, wirkt dank Sarah Spales erinnerungswürdiger Performance schmerzlich überzeugend.
Die Newcomerin Luna Mwezi hat sich für die Macher von «Platzspitzbaby» als absoluter Glücksfall erwiesen: Denn sie steht Spale in Sachen Glaubwürdigkeit in nichts nach. Sie liefert nicht nur eine sensationelle Performance in der Rolle eines Mädchens ab, das unnachgiebig um die Zuneigung ihrer Mutter kämpft, sondern sang für den Film auch gleich ein Lied ein, das am Ende ihres Grossleinwand-Debüts zu hören ist und den Filmausgang perfekt abrundet.
Mehr über den Casting-Prozess, herausfordernde Szenen und ein dunkles Kapitel der Zürcher Geschichte:
3. Das Drama ist eine Achterbahn der Gefühle.
So bedrückend die Situationen auch sein mögen, in die Mia immer wieder gerät, bleiben dem Film bei aller Tragik und Dramatik aber auch so einige positive Glücksmomente erhalten. Aufkeimende Hoffnung und der Wunsch, sich nicht unterkriegen zu lassen, stehen dabei ebenso im Zentrum wie temporäre kindliche Unbeschwertheit, die Mia insbesondere in ihrer Kinder-Clique vorfindet.
Durch dieses Beieinander bedrückender Episoden und kindlicher Abenteuer werden die Zuschauer auf eine Achterbahn der Gefühle geschickt, für die sich so manch nicht vorbereitet sein dürfte. Eines steht dabei fest: Ein Schweizer Film war selten so traurig und schön zur gleichen Zeit.
«Platzspitzbaby» ist seit dem 16. Januar in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.
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