Article26. Januar 2023 Cineman Redaktion
Singt und schwingt das Bein: 9 Musicals für die ganze Familie
Im reichhaltigen Angebot der Streaming-Dienste gibt es auch jede Menge Musicals für die ganze Familie. Wer nach der Musical-Version von «Roald Dahl‘s Matilda the Musical» nach weiteren beschwingten Musik-Filmen sucht, dem kann geholfen werden. Wir wollen neun Filme vorstellen – Streaming-Originale, aber auch Kinofilme –, die das Wohnzimmer zum Showroom werden lassen.
Ein Artikel von Peter Osteried
1. «Spirited» (2022)
Darum geht’s: Der Geist der gegenwärtigen Weihnacht (Will Ferrell) ist das ganze Jahr über im Einsatz, um mit seinem Team alles für die Läuterung eines schlechten Menschen vorzubereiten. Am Weihnachtsabend sollen dann die Geister der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht ihr Werk verrichten. Neuestes Ziel ist der Unternehmensberater Cliff (Ryan Reynolds), der ausgesprochen gut darin ist, mit Schmutzkampagnen zu arbeiten. Ihn umzudrehen hätte auch einen Welleneffekt. Aber Cliff ist eine harte Nuss: Er glaubt nicht, dass Menschen sich ändern können.
Sehenswert, weil die Geschichte um den von Charles Dickens erfundenen Geizhals Ebeneezer Scrooge zwar im Grunde jeder kennt, aber es hier viel Neues zu entdecken gibt. Sie wurde dutzendfach verfilmt, und dennoch gibt es hin und wieder einen Film, der die Geschichte ganz neu aufzuwirbeln versteht. Das gilt ganz besonders für den 2022 veröffentlichten «Spirited». Dass die Stimmung des Films weihnachtlich ist, stört nicht weiter, der Film funktioniert das ganze Jahr hindurch. Weil er nicht nur die bekannte Geschichte aufgreift und in die Moderne verlegt, sondern der klassischen Weihnachtsgeschichte allerhand Variation beschert. Hier wurde eine ganze Industrie daraus, Jahr für Jahr einem Griesgram oder Geizkragen den Geist der Weihnacht näherzubringen.
Will Ferrell und Ryan Reynolds haben eine extrem gute Chemie miteinander. Sie sind keine ausgebildeten Sänger, singen aber mit Inbrunst und Passion. Die Songs sind sehr, sehr eingängig.
Bester Song: «Good Afternoon» von Ryan Reynolds und Will Ferrell.
Verfügbar on Demand auf AppleTV
2. «tick, tick… Boom!» (2021)
Darum geht’s: Die Geschichte spielt im Jahr 1990. Es geht um Jonathan Larson (Andrew Garfield), der 30 Jahre alt wird, seit acht Jahren an einem Musical schreibt und fürchtet, nie Erfolg zu haben. Er hat Beziehungsprobleme und in seinem Freundeskreis geht die Angst vor HIV um. All das inspiriert ihn zu «tick, tick… Boom!», einem Musical, in dem er sein eigenes Leben verarbeitet.
Sehenswert, weil wahre Geschichten oft der beste Stoff sind, aus dem grosse Musicals werden können. Umso mehr, wenn es um jemanden geht, der mit «Rent» selbst ein grosses Musical erschaffen hat. Der Film adaptiert das Musical und bedient dabei die Klaviatur der Emotionen perfekt. Musicals sind pure Emotion, sie leben auch von der Tragik – und was könnte tragischer sein, als ein Moment des Triumphs, der vom persönlichen Schicksal negiert wird?
Toll ist der Film auch, weil Andrew Garfield als Musical-Darsteller eine echte Entdeckung ist. Er hatte zuvor keinerlei Erfahrungen, aber eine tolle Gesangsstimme. Der Regisseur Lin-Manuel Miranda, der auch selbst als Musiker und Sänger tätig ist, schätzte seine Darstellung im Bühnenstück «Angels in America» und engagierte ihn darum für die Hauptrolle seines Films.
Bester Song: «Louder than Words» von Andrew Garfield, Joshua Henry and Vanessa Hudgens.
Verfügbar auf Netflix
3. «The Prom» (2020)
Darum geht’s: Eine Schule sagt den Abschlussball ab, nachdem nicht verhindert werden konnte, dass eine lesbische Schülerin mit ihrer Freundin daran teilnimmt. Als einige Broadway-Stars davon hören, ist ihnen klar, dass dies ihr grosser Moment ist. Denn ihr neuestes Stück ist gefloppt, sie sind als Narzissten gebrandmarkt worden, weil sich in ihrem Denken alles nur um sich selbst dreht und sie das auch nicht verbergen. Darum setzen sie sich für das Mädchen Emma ein, denn das bringt gute PR. Aber als sie in dem verschlafenen Kaff ankommen, wird schnell klar, dass es um mehr als nur einen Werbegag geht.
Sehenswert, weil der Film nicht nur reichlich Feel-Good-Flair verströmt, sondern mit seiner inklusiven Botschaft punkten kann. Auf Basis des erfolgreichen Broadway-Musicals inszenierte Ryan Murphy den herrlich bunten, mitreissenden Film «The Prom». Die Geschichte ist zwar etwas vorhersehbar und simpel gestrickt, mit ebenso simplen Lösungen, da die Bigotterie hier praktisch einfach weggesungen werden kann. Realistisch ist das nicht, aber Musicals müssen auch nicht realistisch sein. Stattdessen holt das Musical mit ins Ohr gehenden Songs, einer positiven Botschaft und einer schrill-schönen Inszenierung das Publikum ab.
Die Schauspieler sind gut aufgelegt, die Gefühle kochen hoch und es ist amüsant, Nicole Kidman in einer Nebenrolle zu sehen, die eigentlich einer Schauspielerin ihres Standes nicht angemessen ist.
«The Prom» ist ein beschwingtes Musical, das von einer besseren Welt schwärmt. Die mögen wir immer noch nicht erreicht haben, aber es darf zumindest davon geträumt werden.
Bester Song: «Changing Lives (Reprise)» von Meryl Streep, James Corden, Nicole Kidman and Andrew Rannells.
Verfügbar auf Netflix
4. «Jingle Jangle Journey: Abenteuerliche Weihnachten!» (2020)
Darum geht’s: Im Mittelpunkt von «Jingle Jangle Journey» steht ein Erfinder, dessen neueste Schöpfung, eine Don-Juan-Puppe, boshaft und habgierig ist. Darum beschwatzt sie den Assistenten des Erfinders, damit dieser seinen Lehrmeister betrügt. Während der Assistent reich und berühmt wird, verarmt der eigentliche Erfinder – doch das Schicksal hat mit beiden noch etwas vor. Denn Journey, die Enkelin des alternden Erfinders, will sich längst nicht damit zufrieden geben, dass die grosse Zeit neuer Erfindungen längst vorbei sein soll.
Sehenswert, weil dies zwar ein Weihnachtsfilm ist, aber zu jeder Jahreszeit lohnt. Mit seiner Bilderpracht und dem winterlichen Setting kann man immer einen Blick riskieren. Regisseur und Drehbuchautor David E. Talbert, der vor allem Filme mit diverser Besetzung umgesetzt hat, wollte eine Weihnachtsgeschichte mit People of Color erzählen. Eine selbstgesteckte Aufgabe, die er superb gelöst hat. Denn dies ist eine universell gültige Geschichte, die aber mit dem diversen Ensemble auch die typischen Weihnachtsmärchenmuster aufbricht.
«Jingle Jangle Journey» ist vielleicht einen Tick zu lang, die Ausstattung ist jedoch eine wahre Pracht. Ein Film, an dem man sich kaum sattsehen kann. Zudem gibt es eine ganze Reihe von schmissigen Tanz- und Gesangseinlagen.
Bester Song: «Square Root of Possible» von Madalen Mills.
Verfügbar auf Netflix
5. «Alle reden von Jamie» (2021)
Darum geht’s: Der Film erzählt die wahre Geschichte des Teenagers Jamie, der in Sheffield lebt und davon träumt, eine Drag Queen zu werden. Etwas, das er an seiner Schule lieber geheim hält. Unterstützung erhält er jedoch von seiner Mutter, während sein Vater ihn längst aufgegeben hat. Doch auch das hält Jamie nicht davon ab, seinen Träumen zu folgen. Ob nun durch seinen Vater oder an der Schule und im Ort, er bleibt sich selbst treu. Und er wächst über sich selbst hinaus!
Sehenswert, weil es eine schöne, eine wichtige Geschichte ist, die hier erzählt wird. Darüber, dass man sich selbst treu sein muss, dass man sein muss, wer man ist und sich nicht verbiegen und verändern darf, nur weil es anderen nicht gefällt. In der Welt der Musicals können Probleme weggesungen werden, das ist Teil ihrer DNS. Aber wenn es gut gemacht ist, funktioniert es, weil diese Geschichten dann nicht von der Welt erzählen, wie sie ist, sondern wie sie sein könnte – oder sollte.
Auf der Bühne mag das noch wuchtiger sein, doch auch als Film funktioniert es. Ihren Ursprung hat die Geschichte Sachbuch «Jamie: Drag Queen at 16», das ein grosser Erfolg war und 2017 die Basis des am Londoner Westend uraufgeführten Musicals stellt. Der Film hätte ursprünglich ins Kino kommen sollen, landete wegen der Corona-Pandemie und den geschlossenen Kinos aber bei Amazon.
Bester Song: «He’s my Boy» von Sara Lancashire.
Verfügbar auf AmazonPrime
6. «13 - Das Musical» (2022)
Darum geht’s: Nachdem seine Eltern sich scheiden lassen, zieht Evan Goldman (Eli Golden) von New York City in eine Kleinstadt in Indiana. Sein 13. Geburtstag naht, aber es fällt ihm nicht leicht, sich mit seinem neuen Umfeld zu arrangieren und Freunde zu finden. Aber vielleicht gelingt ihm das ja, wenn er seine Bar Mizwa zur coolsten Party aller Zeiten macht.
Sehenswert, weil «13 - Das Musical» eine schöne Coming-of-Age-Geschichte mit ein paar ins Ohr gehenden Songs erzählt. Im Jahr 2007 debütierte das Bühnenstück am Broadway (damals mit der jungen Ariana Grande in einer der Hauptrollen). Für Netflix wurde die Filmadaption produziert. Im Vergleich zum Broadway-Stück wurden einige Songs und Situationen verändert. Das macht den Film noch deutlich familienfreundlicher. Aber ob auf der Bühne oder als Film, eines ist gleich: Die Geschichte schafft es, ein Gefühl dafür zu verleihen (oder den Zuschauer daran zu erinnern), wie es war, 13 Jahre alt zu sein.
Bester Song: «13» von Eli Golden und dem Ensemble.
Verfügbar auf Netflix
7. «The Greatest Showman» (2017)
Darum geht’s: P.T. Barnum träumt davon, es im Leben zu etwas zu bringen. Er will der Liebe seines Lebens etwas bieten können und ist niemand, der das Risiko scheut. Mit seinem Kuriositätenkabinett hat er schliesslich Erfolg, doch weil er den Ausgestossenen dieser Welt eine Stimme gibt, zieht er sich auch den Zorn des Publikums zu.
Sehenswert, weil er ein extrem positives Gefühl verströmt. Die Geschichte ist simpel gehalten und die Botschaft alles andere als komplex, aber das mindert den Genuss des Films nicht im Mindesten. Weil man von Hugh Jackman als charmantem Träumer, der immer wieder bereit ist, Risiken einzugehen, nur zu gerne in diesen Zirkus des Humbugs folgt, wie Barnums Geschäft von einem Journalisten genannt wird. Der Schauspieler hat viele Jahre von «Greatest Showman» geträumt. Er betrieb sehr viel Grundlagenrecherche, auch wenn der P.T. Barnum des Films nur wenig mit dem echten gemein hat. Aber «Greatest Showman» feiert im Grunde nicht diesen Mann, sondern den Träumer – unabhängig davon, ob Barnum nun einer gewesen ist, oder nur eine lukrative Marktlücke entdeckte. Auf jeden Fall zelebriert der Film, dass Anderssein nicht Schlechter sein heissen muss.
Bester Song: «A Million Dreams» von Ziv Zaifman, Hugh Jackman, Michelle Williams und Skylar Dunn.
Zur Filmkritik auf Cineman
Verfügbar auf Disney+
8. «Into the Woods» (2014)
Darum geht’s: Eine Hexe trägt einem kinderlosen Bäcker und seiner Frau die Aufgabe auf, verschiedene magische Artefakte zu finden. Der Aufgabe verschreiben sie sich auch, weil die Hexe ihnen im Austausch die Aufhebung des Fluchs anbietet. Nur dann können sie ein Kind bekommen. Diese Artefakte entstammen klassischen Märchengeschichten, aber indem sich der Bäcker und seine Frau einmischen, verändern sie auch, wie diese Märchen sich entwickeln.
Sehenswert, weil der Film «Into the Woods» es sehr schön schafft, die Bühnenversion von Stephen Sondheim in ein anderes Medium umzusetzen. Er verknüpft die klassischen Erzählungen von Aschenputtel, Rotkäppchen, Hans und die Bohnenranke und Rapunzel zu einer ganz neuen Geschichte.
Die künstliche Stimmung des Märchenwalds ist opulent, der Wald stimmungsvoll, sogar ein wenig gruselig, und der Ort, an dem die Bäckersleute leben, in seinem Detailreichtum zauberhaft. Herausragend ist zudem Chris Pine, der hier mit dem Image des Action-Helden spielt, es persifliert, sich ungemein witzig zeigt und noch dazu gut singen kann. Das Alter Ego von James T. Kirk steckt wahrlich voller Überraschungen. Auch musikalisch ist er eines der Highlights, besonders bei dem wunderbaren Duett, das der Prinz mit seinem Bruder zum Besten gibt. Er überflügelt damit ein namhaftes Ensemble, zu dem Emily Blunt, James Corden, Anna Kendrick, Meryl Streep und Johnny Depp gehören.
Bester Song: «Agony» von Chris Pine und Billy Magnussen.
Verfügbar auf Disney+
9. «Moulin Rouge» (2001)
Darum geht’s: Im Paris zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wird im Varieté «Moulin Rouge» eine neue grosse Show vorbereitet. Aber der Laden ist auch immens überschuldet und benötigt die Hilfe eines Mäzen. Der ist auch gerne bereit, die aktuelle Produktion zu finanzieren – eine Geschichte über einen Maharadscha und seine Kurtisane. Vor allem hat er aber ein Auge auf die schöne Satine geworfen, die die Hauptrolle spielt. Die soll ihn bezirzen und bei Laune halten, doch das ist ein gefährliches Spiel, denn in Wahrheit liebt sie jemand anderen – den Autor des Stücks.
Sehenswert, weil Baz Luhrmans Musical, das auf eingängige Popsongs setzt und sie in neuem Kontext zeigt, ein Fest für die Augen ist – für die Ohren sowieso. Die Ausstattung des «Moulin Rouge» ist von atemberaubender Schönheit. Ein Rausch der Farben, der musikalisch grandios begleitet wird. Sowohl Nicole Kidman als auch Ewan McGregor sind in den Gesangseinlagen hervorragend. Elton Johns «Your Song» in McGregors Interpretation ist einfach grandios.
Dies ist ein Film, der das Herz berührt. Das Eindrucksvolle daran: Es ist ein originärer Stoff. Häufig sind es erfolgreiche Broadway- oder West-End-Musicals, die später filmisch aufbereitet werden, hier verhält es sich genau anders herum. Seit kurzem gibt es «Moulin Rouge» auch als Bühnen-Musical.
Bester Song: «Your Song» von Ewan McGregor.
Verfügbar auf Disney+
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