Critique21. Februar 2023 Cineman Redaktion
Berlinale 2023: «Drifter»: Die Einsamkeit der Grossstadt
Ein Junge vom Land kommt in die grosse Stadt – und ist plötzlich auf sich allein gestellt. Der homosexuelle Moritz verliert sich im Berliner Nachtleben mit all seinen Verlockungen und Risiken. Hannes Hirschs Langfilmdebüt «Drifter» schlägt in dieselbe Kerbe wie viele Berlin-Filme – und verliert sich dabei selbst in Belanglosigkeit.
«Drifter»: Die Einsamkeit der Grossstadt
Hannes Hirsch | 79 Min.
Ein Text von Maria Engler
Moritz (Lorenz Hochhuth) ist gross, dünn, verliebt und gerade erst zu seinem Freund Jonas (Gustav Schmidt nach Berlin gezogen. Doch die eben noch so idyllische Beziehung bricht schneller zusammen als gedacht: Jonas fühlt sich eingeengt und Moritz ist plötzlich allein in der grossen Stadt. Aus der anfänglichen Angst und Zurückhaltung wird ein Erwachsenwerden und die Entdeckung der Unabhängigkeit, als er sich nach und nach dem Berliner Nachtleben hingibt.
Berlin: die Stadt der nie enden wollenden Partys und der unverfänglichen Bekanntschaften – so zumindest will es das Klischee. Auch «Drifter» gibt sich dieser Seite der Stadt hin – und kratzt dabei leider nur an der Oberfläche einer wirklich interessanten Erzählung. Abgesehen von einer einzigen ekstatischen Szene im Club, die wirklich schön eingefangen ist, zeigt «Drifter» vor allem die negative Seite des Nachtlebens: die belanglosen Gespräche, die überbordenden Drogenexzesse, die viel zu schnell aus dem Ruder laufen und die prätentiösen Nachtschwärmer, die schon die ganze Welt bereist und trotzdem nichts zu sagen haben.
Auch der Protagonist Moritz, der mit Lorenz Hochhuth als schlaksiger Hüne mit Babyface sehr gut besetzt ist, bleibt leider farblos. Abgesehen vom anfänglichen Liebeskummer und einigen wenigen Momenten der Überforderung, bleibt sein Gesicht eine Maske aus Stein, die keinen Anknüpfungspunkt für das Publikum bietet. Spätestens als Moritz seine typischen Berliner Kritzeltattoos bekommt, ist die Grenze zur Hipster-Karikatur überschritten, die erst zum Ende des Films mit gewagter Selbstdarstellung wieder aufgeweicht wird.
«Drifter» bedient dabei auf recht einseitige Weise das Klischee des vereinsamten Grossstadtmenschen, der so unverbindlich und unzugänglich ist, dass er keine tiefgründige Beziehung zu anderen mehr aufbauen kann oder will. Selbst ein Monument der Einsamkeit und des Kontrollverlustes, begegnet Moritz ausschliesslich anderen einsamen Gestalten, die sich in den Clubs unter Drogenrausch verzweifelt aneinander klammern. Diese Einseitigkeit und Abgegriffenheit der Erzählung lässt die knappen 80 Minuten Filmlaufzeit um Einiges länger erscheinen und entlässt mit einem dumpfen Gefühl in der Magengrube.
2 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.
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