Critique21. Februar 2023 Cineman Redaktion
Berlinale 2023: «Superpower»: Sean Penn als Sprecher für die Ukraine
Im Rahmen der Berlinale präsentierte der amerikanische Schauspieler Sean Penn einen Dokumentarfilm über die Ukraine und ihren Präsidenten Volodymyr Zelensky, der wie ein Blockbuster aussieht.
«Superpower»: Sean Penn als Sprecher für die Ukraine
Sean Penn, Aaron Kaufman | 115 Min.
Ein Text von Théo Metais
2019 gewinnt in der Ukraine Volodymyr Zelensky, ein ehemaliger Schauspieler und Komiker, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen mit 73 % der Stimmen. Er verkörpert einen Wandel gegenüber den korrupten Oligarchen und verspricht unter anderem, der Ukraine ihre Gebiete zurückzugeben. Fünf Jahre nach der Euromaidan-Revolution ist dieser politische Umbruch auch Sean Penn und Aaron Kaufman nicht entgangen, die nach Kiew reisen, um den Weg dieses ehemaligen Showman, der heute an der Spitze des Landes steht, nachzuvollziehen. Und am 24. Februar 2022, als die ersten russischen Luftangriffe am Himmel zu hören sind, ist Sean Penn vor Ort und wird durch seine rauchfarbenen Ray-Ban Zeuge des Kriegsbeginns.
Peking droht erneut mit der Lieferung tödlicher Waffen an Moskau, die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris hat Russland «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» vorgeworfen, und die Ukraine leistet seit fast einem Jahr Widerstand in dem vom Machthaber im Kreml initiierten Krieg. Vor diesem brisanten Hintergrund wurde «Superpower» auf der 73. Berlinale präsentiert. Das Festival wurde mit einer Videoansprache von Präsident Zelensky auf der Bühne des Berlinale-Palasts eröffnet.
Ein hybrides Format erscheint auf der Leinwand: Blockbuster, Dokumentarfilm, Eilmeldung, Reportage aus der Ich-Perspektive und Erlebnisbericht in einem; ein von Vice produziertes journalistisches Potpourri mit fragwürdiger Unvoreingenommenheit. «Superpower» befasst sich mit der politischen Metamorphose Zelenskys, des ehemaligen Schauspielers, der aus einer jüdischen Familie stammt und mit der Sprache Puschkins aufgewachsen ist. Mit zahlreichen Interviews und Archivaufnahmen führen uns Sean Penn, sein Co-Regisseur Aaron Kaufman und der Produzent Billy Smith durch die Vorbereitungen für diesen Dokumentarfilm, dann zum Unabhängigkeitsplatz (dem Schauplatz der ukrainischen Revolution 2014) und bis in das Büro von Vitali Klitschko, dem ehemaligen Boxer und heutigen Bürgermeister von Kiew.
Ungeachtet der Vorhersagen der amerikanischen Korrespondenten, die bei einem Abendessen über die russische Invasion debattieren, bricht der Krieg am 24. Februar 2022 aus. Und schon ist der Star aus «Harvey Milk» und «Mystic River» mittendrin in der Geschichte. Bald trifft Penn (verblüfft, naiv, aber voller Tatendrang) Zelensky in seinem Bunker, nur wenige Augenblicke nach den ersten Schlägen. Hollywood mischt sich in die internationalen diplomatischen Beziehungen ein. Die Szene ist surreal. Von da an entwickeln die beiden Protagonisten ein Verständnis: Der eine, der von dem Menschen und den Ereignissen berührt ist, übernimmt eine Mission, der andere könnte eine unpolitische Stimme gebrauchen, um die Botschaft der Ukraine zu überbringen.
Später, mit seinem Koffer, beim Überqueren der polnischen Grenze zu Fuss, auf der Bühne von Fox News, während einer Sondervorstellung von «Top Gun: Maverick», in den Ruinen von Kiew oder in den Gärten des Präsidenten, bei seinem dritten Treffen mit Zelensky: «Superpower» ist in erster Linie ein Plädoyer für die Ukraine und ein Aufruf zu internationalem Handeln, aber es ist auch die Inszenierung seines Autors – mit einer American Spirit im Mund und einem Gin Tonic in der Hand – bei seiner Mission als Sprecher der Gerechtigkeit. Doch «Superpower» wird auch die Frage nach der Verantwortung des Kinos, der Festivals und der öffentlichen Figuren in der internationalen politischen Debatte aufwerfen.
3 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte der 73. Berlinale findest du hier.
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