Critique24. Mai 2023 Cineman Redaktion
Cannes 2023: «May December»: Hinter Mauern
Zwei Frauen und sehr viele Fassaden: Todd Haynes meldet sich mit vertrauten Themen und seiner Stamm-Schauspielerin Julianne Moore zurück, aber es ist Natalie Portman, die hier zu ganz grosser Form aufläuft.
«May December»: Hinter Mauern
Todd Haynes | 113 min.
Ein Text von Patrick Heidmann
Für eine neue Rolle reist TV-Star Elizabeth (Natalie Portman) nach Savannah, Georgia, um jene Frau aufzusuchen, in deren Haut sie demnächst schlüpfen soll. Gracie (Julianne Moore) sass einst im Gefängnis, weil sie als 36-jährige ein Verhältnis mit dem damals 13-jährigen Joe («Riverdale» -Star Charles Melton) hatte, dessen Kind sie hinter Gittern bekam. Das Skandalpaar von damals ist noch immer verheiratet und gibt dem Fernsehstar nun zögerlich Einblicke in seine Geschichte.
Beide Frauen spielen hinter makellos wirkenden Fassaden und seit Langem hochgezogenen Mauern nicht nur der jeweils anderen etwas vor, was Haynes zwischen Camp und Melodrama für ein Quasi-Duell nutzt, an dessen Konstellation auch Bergman oder Fassbinder ihre Freude gehabt hätten. Und Drehbuchautorin Samy Burch, die lange vor allem als Casting Director war, verleiht ihrer Geschichte nicht zuletzt deswegen Doppelbödigkeit, weil sie durch den Fokus auf die Schauspielerin im Zentrum des Plots auch die Mechanismen und Abgründe in diese Skandal-Aufarbeitung integriert.
Portman, die immer dann am besten ist, wenn sie Elemente von Künstlichkeit in ihre Performance integrieren kann, ist neben der verlässlich starken Moore überzeugend wie selten. Und auch Haynes selbst findet – ohne unbedingt ein Meisterwerk à la «Carol» abzuliefern – nach ein paar Enttäuschungen zurück zu alter Stärke.
4 von 5 ★
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