Critique24. Mai 2024 Cineman Redaktion
Cannes 2024: «Limonov: The Ballad»: Vom verkrachten Künstler zum Rechtspopulisten
Nach Leningrader Underground-Rock in «Leto» und einem Klassik-Genie in «Tchaikovsky’s Wife» widmet sich Kirill Serebrennikov mit «Limonov: The Ballad» nun einer ganz anderen Künstlergeschichte.
Cannes 2024: «Limonov: The Ballad»: Vom verkrachten Künstler zum Rechtspopulisten
Kirill Serebrennikov | Italien, Frankreich, Spanien | 138 Min.
von Patrick Heidmann
Nicht die reale Biografie des russischen Schriftstellers (und späteren Politikers) Eduard “Eddie” Limonov, sondern der in Teilen fiktionalisierte Romanbestseller «Limonov» des Franzosen Emmanuel Carrère war die Vorlage für diesen Film. Das betonte der russische Regisseur Kirill Serebrennikov anlässlich der Weltpremiere seines neuen Films «Limonov: The Ballad» in Cannes immer wieder. Und konnte damit doch nicht verhindern, dass man sich als mit dem Protagonisten leidlich vertrautes Publikum daran stösst, was im Film erzählt wird. Und vor allem was nicht.
Ausführlich widmet sich Serebrennikov, der in seiner Heimat selbst mehrfach juristisch verfolgt und verurteilt wurde, dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Limonov (Ben Whishaw), der in Russland als eine Art Punk-Literat beginnt, in den 1970ern ins Exil nach New York geht, dort (nach gewalttätigen Übergriffen) von seiner Frau verlassen wird und auch sonst das Glück nicht findet. Später feiert er in Frankreich Erfolge und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kehrt er nach Russland zurück, wo er gerade deswegen bejubelt wird, weil er nie ein echter Dissident war. Nur dass er in den 1990ern auch im Balkankrieg am Beschuss von Sarajewo beteiligt war oder sich immer mehr dem Nationalbolschewismus verschrieb und etwa die Annexion der Krim befürwortete, kommt im Film eben gar nicht oder nur ganz zum Schluss kurz vor.
Ob es nun bloss naiv oder doch fahrlässig ist, Limonov fast ausschliesslich als wortgewandten, dauerleidenden Autor, Denker und Umsympathen in einem Leben voller Sex und Drogen zu zeigen, sei dahingestellt. Anstrengend anzusehen und mit 138 Minuten Laufzeit viel zu lang ist das allemal. Daran ändern auch ein schauspielerischer Kraftakt von Ben Whishaw sowie die einfallsreiche, energetische Inszenierung Serebrennikovs wenig.
2 von 5 ★
Eine Zusammenstellung aller Texte vom 77. Festival International du Film de Cannes findest du hier.
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